Himmelskörper in Fantasy und SciFi – Darstellung und Bedeutung

Ich habe neulich – wie man das so macht, wenn man nichts anderes zu tun hat – über die Darstellung von Himmelskörpern in phantastischen Geschichten nachgedacht. Dabei ist mir aufgefallen, dass man von einer Geschichte eigentlich nur den Umgang mit den Himmelskörpern wissen muss, um es (in den meisten Fällen) korrekt zur SciFi oder Fantasy zuzuordnen. Da habe ich mich natürlich gefragt: Wie genau werden Himmelskörper in SciFi und Fantasy dargestellt? Und was sind die Unterschiede?

Ein bisschen Klärungsbedarf

Bevor ich mich auf den Kern meiner Gedanken stürze, muss ich ein paar Begriffe definieren:

Was ist ein Himmelskörper?

Ein Himmelskörper ist laut Duden ein „kosmischer Körper (als Gegenstand der Astronomie); Gestirn“ (Quelle). Für die Zwecke dieses Artikels schließt das alles ein, das irgendwie am Himmel steht oder zu sehen ist und im All (gewesen) ist. Also, Sonnen, Sterne, Monde, aber auch Sternschnuppen bzw. Meteore können dazuzählen.

Eingrenzungen von Fantasy/SciFi Genres

Die Fantasy und SciFi sind sehr weitläufige und selbst in ihren eigenen Grenzen unterschiedliche Genres. In der Fantasy geht es sogar so weit, dass manche bei ihr nicht mehr von einem Genre, sondern von einem „Setting“ reden. (Meine Meinung dazu, könnt ihr hier nachlesen.) Deswegen ist es notwendig, die Genres ein wenig einzugrenzen, denn tendenziell kann man in den Genres alles mögliche finden.
Wenn ich also in diesem Artikel von Fantasy rede, dann meine ich hauptsächlich Fantasy, die in eigenen Welten spielt und deren wissenschaftlicher Fortschritt sich eher vor der/einer industriellen Revolution befindet. Explizit ausschließen möchte ich Urban Fantasy, die in unserer modernen Welt spielt.
Bei den SciFi Geschichten möchte ich Geschichten einschließen, die auf einer interplanetaren Ebene stattfinden, also SciFi deren Blick sich „nach außen“ wendet und nicht auf eine einzelne Stadt oder Virtualität o.ä. konzentriert.

Zusätzlicher Disclaimer

Meine Beobachtungen sind stark von meinem Leseverhalten geprägt und deswegen voreingenommen. Benutze meine meine Schlussfolgerungen und Ideen also eher als einen Gedankenanstoß und nicht als feste Regeln.

Fantasy oder SciFi? Das ist hier die Frage.

Als ich begonnen habe über die Himmelskörper in Fantasy und SciFi nachzudenken, haben sich schnell Fragen ergeben, mit denen ich die Genres sehr eindeutig zuordnen konnte:

Hat die Welt mehrere Sonnen? Dann ist es SciFi. Hat die Welt mehrere Monde? Dann ist es Fantasy. Spielt die Geschichte auf einem Mond? SciFi. Enthalten die Namen der Sterne Nummern? SciFi. Haben die Sternbilder Namen? Fantasy. Haben die Galaxien Namen? SciFi. Gibt es interplanetare Fortbewegung? SciFi. Ein Meteor enthält wertvolles Metall? Fantasy. Ein Meteor trägt außerplanetares Leben? SciFi. Und und und.

Bei keiner dieser Fragen musste ich über die Antwort nachdenken. Sie waren eindeutig und einfach. Und wenn mir Antworten eindeutig und einfach erscheinen, weiß ich, dass ich darüber nachdenken muss, warum das so ist.

Wie werden Himmelskörper dargestellt?

Himmelskörper können je nach Blickwinkel unterschiedliche Rollen einnehmen. Für diesen Artikel möchte ich davon drei näher betrachten, nämlich Worldbuilding, die Auswirkungen auf den Plot und die thematische Relevanz.

1. Wordbuilding

In der SciFi sind die Implikationen der Existenz und Position von Himmelskörpern meist gut durchdacht und ein treibender Bestandteil des Worldbuildings. Auf einem Planet mit beispielsweise mehreren Sonnen ist damit zu rechnen, dass erklärt wird, wie sich das auf das allgemeine Leben, die Natur und die Gesellschaft auswirkt. Diese Auswirkungen sind wissenschaftlich messbar – zumindest mit der verfügbaren Wissenschaft der SciFi-Welt -, in sich konsistent und nachvollziehbar.

In der Fantasy haben Himmelskörper eher ästhetische Auswirkungen mit keinem oder wenig Einfluss auf das tatsächliche Leben der Welt. Es wird wahrscheinlich Geschichten oder kulturelle Ereignisse rund um die „andersartigen“ Himmelskörper geben, aber kaum/wenig greifbaren Auswirkungen auf Natur, Tiden oder Ähnlichem. Deswegen – nehme ich an – werden in der Fantasy auch eher (gefühlt) „kleine“ Änderungen an den Himmelskörpern vorgenommen wie bspw. ein zusätzlicher Mond. Die Stimmung soll sich verändern, nicht das Leben.

2. Auswirkungen auf den Plot

Auch die Auswirkungen der Himmelskörper auf den Plot sind in der Fantasy eher weit entfernt – metaphorisch und wörtlich. Himmelskörper sind gerne Bestandteil von Sagen, Legenden oder Prophezeiungen, sind dabei aber relativ austauschbar und oft wegen der Stimmung gewählt, die sie ausstrahlen.

In der SciFi sind die Auswirkungen greifbarer. Himmelskörper sind tatsächliche Settings, die aktiv aufgesucht werden (können) und dienen der Kontextualisierung von Ereignissen. Das macht sie nicht so einfach austauschbar wie in der Fantasy.

3. Thematisch: Opportunity vs. Possibility

Himmelskörper in der SciFi sind für die Figuren eine Gelegenheit – opportunity. Eine Gelegenheit für neue Welten, Entdeckung, Abenteuer, Leben, Krieg, Frieden und viel, viel mehr. Sie sind erforschbar und vor allem anderen real und greifbar. Vielleicht liegen sie an den Grenzen des wissenschaftlichen Verständnisses, aber sie sind in ihrem Kern definierbar. Sie repräsentieren das (potentielle) Wissen.

Himmelskörper in der Fantasy sind eine Möglichkeit – possibility. Sie sind, was auch immer die in der Geschichte Lebenden darauf projizieren wollen. Ein Beweis für das Göttliche, das Leben nach dem Tod, eine Verewigung für die Helden der alten Geschichten oder was auch immer ihnen zugeschrieben werden kann. Sie repräsentieren Vorstellungskraft und Träume.

Eine Notiz am Rande:

Ich mag hier die Englischen Begriffe opportunity und possibility, die im Deutschen beide irgendwie mit „Möglichkeit“ übersetzt werden können, aber im Englischen sehr deutlich unterschiedlich sind. Ich habe sie zwar auch mit „Gelegenheit“ und „Möglichkeit“ übersetzt, aber das kommt mir in der Unterscheidung schwächer vor, als opportunity und possibility.

Zusammengefasst:

Die Himmelskörper in der Fantasy sind oft schwer(er) greifbar. Sie sind nicht Setting sondern Athmosphäre und dienen meist hauptsächlich der Stimmung, ohne großen Einfluss auf Plot oder Worldbuilding zu haben. Sie haben mehr symbolische Bedeutung als irgendetwas anderes. Die Fantasy schreckt bei der Darstellung von Himmelkörpern vor fester Definition zurück.

Die Himmelskörper in der SciFi sind meist ein wesentlicher(er) Teil der Geschichte, da sie oft als Setting dienen. Damit nehmen sie eine völlig andere Rolle ein als in der Fantasy. Es gibt kaum Geheimnisse, die es zu den Himmelskörpern noch zu entdecken gibt. Auch wenn ihre Oberfläche vielleicht unerforscht ist, so weiß man zumindest, dass es sich um einen Gasball oder um einen Haufen Steine handelt, die durch das All schwirren. Himmelskörper in der SciFi sind real und trotz all ihrer Komplexität „nur“ ein weiterer Teil des Settings.

Notable exception: Der kleine Prinz

Das erste Gegenbeispiel, das mir für die Darstellung der Himmelskörper eingefallen ist, war Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry. Naja, vielleicht nicht wirklich ein Gegenbeispiel, eher ein Sonderfall, denn Der kleine Prinz ist … Fantasy, richtig? Es ist zumindest keine SciFi, auch wenn es gewisse Elemente davon trägt. Wahrscheinlich ist das Buch weder SciFi noch Fantasy, sondern fällt eher unter den weiten Schirm der spekulativen Fiktion, aber dennoch haben Himmelskörper eine sehr interessante Stellung in der Geschichte.

Das Benennungsschema ist sehr SciFi – der kleine Prinz kommt von dem Asteroiden B612 – und dieser Heimat-Asteroid und alle folgenden, von denen der kleine Prinz berichtet, sind sogar ein Setting. Alles deutet auf SciFi. Aber die fehlende Konsistenz für – nach unserem Stand der Wissenschaft – logischem Worldbuilding fühlt sich eher nach Fantasy an bzw. wie die Fantasievorstellung eines Kindes, das versucht wissenschaftliche Begriffe nach dem eigenen Verständnis einzuordnen.
Und so wächst auf dem Asteroiden des kleinen Prinzen eine einzelne Rose, er muss die Vulkane des Asteroiden auskehren und anscheinend „einfach“ so durch das All reisen. Alles wirkt verträumt und nur begrenzt durch die eigene Fantasie.

 


Ist dir der unterschiedliche Umgang mit Himmelskörpern in SciFi und Fantasy schonmal aufgefallen? Hast du ähnliche Schlussfolgerungen wie ich oder hast du die Darstellung anders wahrgenommen?

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4 Replies to “Himmelskörper in Fantasy und SciFi – Darstellung und Bedeutung”

  1. Charles says:

    Wieder einmal sehr interessant und ich würde dir im Kern auch zustimmen. Im Grunde sind die Unterschiede gut ausgearbeitet und dennoch gibt es Fantasy mit „Hochtechnologie“ (nur eben Magiebetrieben, statt Strom) und Sci-Fi mit deutlichem Fantasysetting. Selbst Weltenwanderungen gibt es im Fantasy.
    Doch wie gesagt, insgesamt hast du Recht.

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    1. Sina Bennhardt says:

      Ja genau^^
      Deswegen war es mir auch so wichtig am Anfang die Fantasy und SciFi genretechnisch zumindest ein bisschen einzugrenzen. Denn die sind beide so weitläufig, dass man quasi jede Art von Darstellung von (in diesem Fall) Himmelskörpern finden kann. Wenn man dann auch noch anfängt in spezifische Sub-Genres der Fantasy einzusteigen, wie zum Beispiel die Portal-Fantasy, die du ja auch angesprochen hast, dann kann man wahrscheinlich kaum noch von einer einheitlichen Darstellung der Himmelskörper innerhalb des Genres Fantasy oder SciFi sprechen 😀

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  2. Antifa Oktopus says:

    Ich hätte ein Gegenbeispiel:
    Star Wars ist meiner Einschätzung nach (Weltraum) Fantasy, vor allem auf Grund des fehlenden Bezugs zur realen Welt.
    Wenn mensch SciFi als „Weltraumzeugs“ definiert (besseres wort ist mir nicht eingefallen) stimme ich dem Beitrag aber zu.

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    1. Sina Bennhardt says:

      Spannend! Ich hätte Star Wars immer als Paradebeispiel der SciFi genannt 😀 (Weil wissenschaftlich-technische Spekulationen zuhauf – Lightsaber, Blaster, Droiden, Warp, Raumschiffe und Stand der Technik allgemein -, das Raumfahrtthema, fremde Zivilisationen und ein Setting, das sich zumindest aus der Sicht unserer Welt, wie eine ferne Zukunft anfühlt.)

      Wenn ich drüber nachdenke, sehe ich aber auch wie Verbindungen zur Fantasy gezogen werden können (z.B. „die Macht“ als Magiesystem etc.). Ein cooler Gedankenanstoß, danke!

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