Leidenschaft, Erleichterung und Glück – Asexualität feiern [4/4]

Zu erkennen, dass man asexuell ist, ist eine unglaublich befreiende und erfüllende Erkenntnis. Nachdem ich für mich herausgefunden habe, dass ich asexuell bin, habe ich mich tagelang wie auf Wolken schwebend gefühlt. Auch jetzt – nachdem ich dieses Label schon länger trage – erfüllt es mich immer noch mit unaussprechlicher Freude, wenn ich mir wieder deutlich vor Augen führe, dass ich nicht kaputt bin, sondern es ein Wort für mich gibt. Ich bin asexuell. Ich bin ganz. Und ich bin nicht mehr oder weniger wert als jeder andere Mensch auch.

Asexualität feiern

Die Erkenntnis asexuell zu sein, kommt gerne mit einer kindlichen, ungebändigten Freude und einer (humorvoll gemeinten) Überheblichkeit. Denn nachdem man sich oft so lange kaputt gefühlt hat, ist es nur natürlich, dass man in die andere Richtung schwingt. Ein Ausgleich um die vorher gefühlten Sorgen aufzuwiegen. Es ist kein Zufall, dass asexuelle Menschen fremde Zweifel an Asexualität gerne mit einer verspielten Selbstgefälligkeit beantworten.
Einwände Fremder wie „Aber Sex ist das, was Menschen menschlich macht!“ können auf einmal provokant mit „Dann bin ich wohl ein Gott!“ beantwortet werden. Nicht umsonst ist das Lied It’s tough to be a God in einigen asexuellen Kreisen, ein Lied um die eigene Sexualität zu feiern.

Be a symbol of perfection,
be a legend.
[…]

If they say, that I’m a God, that’s what I am!

Und es ist so einfach, sich in solchen Momenten als asexueller Mensch allosexuellen Menschen überlegen zu fühlen. Immerhin sind wir nicht gebunden an die „Regeln“ der Sexualität. Wir werden nicht von den sogenannten „niederen Trieben“ gesteuert. Und anstatt das als etwas zu sehen, dass und „kaputt“ macht, kann man es auch als ein Empowerment verstehen.

Die Leidenschaft

Asexuelle Menschen sagen gerne – auch hier wieder mit einem Augenzwinkern -, dass sie viel mehr Zeit als allosexuelle Menschen haben, sich ihren Hobbies zu widmen. Das äußert sich oft in einer tiefen Leidenschaft für ihre Hobbies, die von außen gerne als kindlich bewertet wird.
Auch die Leidenschaft ist tief verwurzelt in der Erkenntnis der eigenen Sexualität. Denn wenn man einmal (mit der eigenen Sexualität) festgestellt hat, dass man sich Niemandem beweisen muss, dann ist es einfach(er) diesen Gedanken auch auf alle anderen Aspekte des eigenen Lebens zu übertragen. Die eigenen Leidenschaften – für andere vielleicht kindlich oder unbedeutend – können ohne Scham und mit Freude ausgelebt werden. Und das ist unglaublich erfüllend.

Fantasy

Ich bin mir nicht sicher, woran es liegt, aber die Liebe für Fantasy scheint eine Kernerfahrung für viele asexuelle Menschen zu sein. Vielleicht weil viele Fantasy-Geschichten Abenteuer sind – mit vergleichsweise wenig Romantik/Sex. Drachen, Magie und Abenteuer versprechen die Erfüllung eines Lebens, das in seinem Kern keine erlebte Sexualität braucht.

Gutes Essen und Freunde

Es ist ein Running Gag unter asexuellen Menschen, das man lieber Kuchen als Sex hätte. Denn nur weil man keine sexuelle Anziehung erfährt, heißt nicht, dass sein Leben nicht in anderen Facetten genießen möchte. Und eine der sozial verbreitetsten Arten sich mit anderen Menschen/Freunden auszutauschen, ist beim Essen.
Das gemeinsame Essen ist die einfachste und zugänglichste Art, sich mit Freunden zu verbinden. Freunde haben bei asexuellen Menschen – aus nachvollziehbaren Gründen – oft sowieso einen höheren Stellenwert als bei dem durchschnittlichen allosexuellen Menschen. Essen und Freunde sind also ein weiterer Aspekt, der für viele asexuelle Menschen etwas Besonderes darstellt.

Die Darstellung von Asexualität in Geschichten

Um wieder auf das Schreiben von asexuellen Figuren zurückzukommen:

Scheue dich nicht davor, die Ekstase und Freude zu beschreiben, die mit Asexualität kommen kann. Zu oft wird der Fokus darauf gelegt, was asexuelle Menschen verpassen, was sie nicht sind oder was sie nicht wollen. Warum also nicht den Spieß umdrehen?
Genau wie asexuelle Menschen versuchen, sich positiv (im Sinne von ohne Verneinung) zu definieren, kannst du das in deinen Geschichten auch tun. Was sind die Hobbies deiner asexuellen Figur? Was macht sie gerne? Wofür interessiert sie sich? Wie versucht sie, andere Figuren an ihren Leidenschaften teilhaben zu lassen?

Außerdem: Auch wenn die Findung des Labels „asexuell“ oft mit vielen Zweifeln und Schmerz verbunden ist, kann es sehr wertvoll sein, auch „erfahrene“ asexuelle Figuren darzustellen. Figuren, die sich in ihrer Sexualität sicher sind und selbstbewusst durch ihr Leben schreiten.
Und, weil ich es in den Artikeln noch nicht erwähnt habe, aber es trotzdem wichtig ist: Bitte weise die Asexualität nicht nur Robotern, Göttern oder nicht-menschlichen Kreaturen zu (auch wenn Roboter, Götter und nicht-menschliche Kreaturen meist ausgesprochen cool sind). Repräsentation durch asexuelle Figuren, die ausschließlich nicht-menschlich sind, ist keine gute Repräsentation, weil es impliziert, dass asexuelle Menschen ebenfalls nicht-menschlich sind.

Ein Wort zu der Benutzung des Wortes „asexuell“

Musst du explizit sagen, dass eine Figur asexuell ist? Bzw. wie explizit solltest du sagen, dass eine Figur asexuell ist? Hier gibt es – wie so oft – keine universelle Antwort.

Ich persönlich finde, dass man bei einer asexuellen Figur eher explizit als implizit über die Sexualität sprechen sollte. (Gute) Asexuelle Repräsentation ist immer noch so selten, dass es wichtig ist zu wissen, dass eine Figur vom Schreibenden explizit als asexuell gedacht ist und man nicht nur die eigenen Hoffnungen auf eine Figur projiziert. Gesehen zu werden, ist akzeptiert zu werden.
Aber: Damit eine Figur als asexuell erkannt wird, musst du aber nicht unbedingt schreiben „Figur X ist asexuell.“ oder es die Figur sagen lassen. Es gibt 101 Wege, Asexualität zu umschreiben, ohne das Wort „asexuell“ zu benutzen. Sei nur vorsichtig, dass du es deutlich machst und nicht in die in den letzten Artikeln genannten Klischees hineinfällst.

Hast du Fragen?

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Artikel über Asexualität zu lesen. Sind noch Fragen offen geblieben? Ist dir noch irgendetwas unklar? Ich möchte diese Artikel (und die Kommentare) gerne nutzen, um Fragen zu beantworten, insbesondere wenn sie sich um die Darstellung von Asexualität in Geschichten drehen.

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