[Rezension] Castle in the Air von Diana Wynne Jones

Castle in the Air ist das zweite Buch der Moving Castle Trilogie. Es spielt in einem Nachbarland von Ingary – dem Handlungsort des ersten Buches – namens Sansib und ist keine direkte Fortsetzung des ersten Buches. Es gibt wenig überschneidende Figuren und insgesamt hat das Buch, dank anderem Setting ein ganz anderes Feeling. Und das ist in diesem Fall leider nichts Gutes. Aber beginnen wir am Anfang.

Wie fast immer: Ich habe das Buch auf Englisch gelesen und werde wahrscheinlich einige Wörter anders übersetzen als in der offiziellen deutschen Version (oder englische Bezeichnungen beibehalten).

CN: Orientalismus, Fatphobia, Sexismus

Worum geht es bei The Castle in the Air?

Abdullah ist ein junger Teppichverkäufer, der den größten Teil seines Lebens mit Tagträumen verbringt. In seinen Träumen ist er ein verlorener Prinz eines weit entfernten Königreiches, ein Schicksal das unwahrer nicht sein könnte, denn in seiner Familie ist er ganz unten in der Hackordnung. Ständig wird er kritisiert, weil er seinen Teppichladen nicht vergrößern will und weil er immer noch nicht verheiratet ist. Abdullah möchte eigentlich einfach nur in Ruhe gelassen werden. Doch eines Tages kommt ein Mann in seinen Laden und verkauft ihm einen Zauberteppich. Als Abdullah darauf einschläft, wacht er in einem wunderschönen Garten neben Flower-in-the-Night auf, der Tochter des Sultans. Sie verlieben sich sofort und wollen heiraten, doch Flower-in-the-Night wird von einem Dschinn entführt und Abdullah wird für ihr verschwinden verantwortlich gemacht. Ihm bleibt nur eine Option: Er muss Flower-in-the-Night finden!

Wie hat mir das Buch gefallen?

Illustration von Marie-Alice Harel

Beginnen wir mit dem Guten: Der Schreibstil von Diana Wynne Jones ist genauso fantastisch – wörtlich und metaphorisch gesprochen – wie in Howl’s Moving Castle. Insgesamt ist die Geschichte ein wenig vorhersehbarer als sein Vorgänger, aber das finde ich nicht schlimm. So. Es gibt bestimmt noch mehr Gute Sachen zu dem Buch zu sagen, aber die werden leider stark überschattet von ein paar „Entscheidungen“, die besonders den Anfang des Buches kaum lesbar machen.

1. Orientalismus/Rassismus

Kurz gefasst: Orientalismus ist eine spezifische Form des mittlerweile bekannteren Konzepts des Otherings (= Distanzierung der Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, von anderen Gruppen). Er beschreibt eine eurozentrische Sicht auf die Gesellschaft und Kultur der arabischen Welt. Der „Orient“ wird dabei als mystisch, bedrohlich und – im Vergleich zu der „zivilisierten europäischen Welt“ – rückständig dargestellt. Mögliche positive Zuschreibungen, wie z.B. ein luxuriöses Leben, dienen oft nur dazu, um rassisstische Bilder zu vertiefen.

Warum erkläre ich das? Das erste Drittel von Castle in the Air, das Abdullah in Sansib verbringt, ist geprägt von Orientalismus. Alles ist mystisch, alles ist bedrohlich und fast jede vorkommende Figur aus Sansib ist eine (borderline rassisstische) Karrikatur. Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen:

  • Die Love-Interest von Abdullah heißt Flower-in-the-Night.
  • Zu Beginn wird fast jeder Mensch wird mit absurd kompliziert formulierten Familienbeziehungen eingeführt: „Abdullah’s father’s first wife’s sister Fatima“ (also seine Tante?) oder „Abdullah’s father’s first wife’s uncle’s son Assif“.
  • Fast alle Menschen in Sansib werden (implizit) als gierig und betrügerisch dargestellt.
  • Der Sultan ist böse und fett und hässlich.
  • Bestrafungen für Verbrechen sind absurd brutal, wie z.B. auf einen 40 Fuß hohen Pfahl gespießt zu werden, weil vermutet wird, dass man etwas mit der Entführung der Prinzessin zu tun hatte.
  • „In Zanzib, everyone hated cats. […] If a cat came near you, you kicked it, and you drowned any kittens you could lay your hands on.“ – S. 111
  • Als Abdullah in Kingsbury, der Hauptstadt von Ingary, ankommt, fällt ihm auf wie toll, luxuriös und fortschrittlich alles ist und Sansib im Vergleich vollkommen heruntergekommen.
2. Fatphobic
Illustration von Marie-Alice Harel

Ich möchte hier gar nichts erklären, sondern belasse es bei den folgenden Zitaten von Seite 47 des Buches. Ja, die sind alle von einer einzelnen Seite. Meine Begeisterung kennt keine Grenzen. (Sarkasmus)

Abdullah discovered that the sight of females crying – particularly such large ones, who wobbled with it everywhere – made him feel terrible.

und

[…] he just wanted them to stop, shut up and stop wobbling.

und

[…] If he compared [the fat women] to Flower-in-the-Night, he knew they revolted him.

und

That [thought] brought Abdullah back to reason. With a bump. With the sort of bump a magic carpet would make if loaded with two such weighty females — always supposing it could even get off the ground with them in the first place. They were so very fat.

Sexistische Anklänge

Auch hier möchte ich nur ein paar Beispiele kurz ansprechen:

  • Noch ein Gedanke aus den oben genannten Zitaten: Warum schreibt Diana Wynne Jones „females“ statt „women“? Das ist wahnsinnig entmenschlichend.
  • Warum ist Flower-in-the-Night die einzige Figur ohne Namen? Auch das ist entmenschlichend.

und

Lettie was one of those ladies who look lovlier the more distraught they get. – S. 161

Dieser Satz ist zwar aus der Sicht von Abdullah geschrieben, aber dennoch finde ich ihn einfach grauenvoll sexistisch. Weil schön auszusehen natürlich der Wichtigste Aspekt des Frau-seins ist. (Sarkasmus) Solche Beschreibungen machen mich echt wütend.

Nachdem Abdullah Sansib verlassen hat …

… verschwindet auch ein großer Teil des Orientalismus – einfach weil man sich wieder in einem vage mitteleuropäischen Setting befindet. Allerdings hilft das dann auch nicht mehr, denn verdorben ist das Buch quasi schon nach dem ersten Kapitel. Ich habe dennoch weitergelesen, weil ich mir auch das dritte Buch der Reihe gekauft habe und ich die Reihe vollständig gelesen haben wollte. Also noch zu dem Rest des Buches:

Leichte Spoiler zu Figuren, die sowohl in „Castle in the Air“ als auch in „Howl’s Moving Castle“ vorkommen

Sobald Sophie und Lettie Hatter und Wizard Suliman wieder aufgetaucht sind, habe ich gemerkt, dass ich viel lieber eine Geschichte von ihnen gelesen hätte. Zu Sophie zurückzukehren, hat sich angefühlt wie in eine alte Geschichte einzutauchen, die man lange vermisst hat, denn sie ist genauso schlau und frech wie in Howl’s Moving Castle. Sophie ist einfach ein absolutes Highlight und wahrscheinlich eine meiner liebsten Protagonistinnen, von denen ich jemals gelesen habe.

Aber leider ist Abdullah die Hauptfigur von Castle in the Air und auch wenn Sophie für das letzte Drittel der Geschichte immerhin eine Nebenfigur ist, hätte ich die Geschichte lieber aus ihrer Perspektive erlebt.

Ein unerwarteter Wechsel in die Du-Perspektive

Im Vergleich zu meiner anderen Kritik ist der folgende Punkt fast trivial, aber dennoch ist er so verwirrend, dass er mich nachhaltig beschäftigt hat. Ich habe diese Textstelle einigen Freund*innen gezeigt, weil ich dachte, dass ich sie – wegen der Sprachbarriere – vielleicht falsch verstanden hätte, aber wir sind alle zu demselben Schluss gekommen. Für einen Satz (und nur für diesen einen Satz) wechselt das Buch in die Du-Perspektive. Warum? Wer weiß. Ich bin davon nur verwirrt.
Es passiert auf Seite 187:

The new arrivals were all female and they all looked extremely displeased, but when you had said that, you seemed to have said the only two things they had in common.

Wem würde Castle in the Air gefallen?

Castle in the Air ist eine weitere Geschichte, das das wandernde Schloss aus dem betitelten Howl’s Moving Castle beinhaltet. Eine Trilogie über so ein magisches Objekt zu verbinden und nicht über die (Haupt)Figuren finde ich eine interessante und innovative Idee. Aber Castle in the Air hat mir nicht gefallen. Die sexistischen und fettphobischen Kommentare geben dem Buch einen sehr bitteren Beigeschmack und der Orientalismus/Rassissmus macht es ungenießbar.
Castle in the Air – das zweite Buch aus der Moving Castle Trilogie – ist damit ein kompletter Reinfall, den ich nicht empfehlen kann.

Bald wird die Rezension zu dem letzten Buch in der Moving Castle Trilogie kommen: House of Many Ways.

 


Hast du Castle in the Air gelesen? Was war dein Eindruck von dem Buch?

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