Ich habe auf meinem Blog bereits ein Buch, naja eigentlich ein Comic, das in Verbindung mit dem Dungeons&Dragons-Podcast Critical Role steht, rezensiert. Das Comic fand ich gut gelungen und ich bin ein Fan des Podcasts. Ich bin ebenfalls ein Fan von der Autorin Marieke Nijkamp, von der ich bereits das Buch Before I let Go rezensiert habe, das aktuell eines meiner Lieblingsbücher ist. Als ich also hörte, dass ein Critical-Role-Roman erscheinen sollte, geschrieben von Marieke Nijkamp, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich habe mir Kith & Kin vorbestellt. Es ist mit zwei Monaten Verspätung angekommen. Jetzt ist es da. Ich habe es gelesen. Die Rezension möge beginnen.
Worum geht es in Kith & Kin?
Das Buch folgt den beiden Halbelfen-Zwillingen Vex’ahlia und Vax’ildan (kurz: Vex und Vax) auf einem ihrer ersten Abenteuer, bevor sie Teil der Heldentruppen Vox Machina wurden.
Vex’ahlia zieht bei einem Aufenthalt in der Stadt Westruun ungewollt Aufmerksamkeit auf sich, indem sie die Avancen eines reichen Schnösels ausschlägt. Nun hat dieser Schnösel ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt und Vex und Vax müssen einen Auftrag für die berüchtigte Diebesorganisation The Clasp erfüllen, um dieses Kopfgeld verschwinden zu lassen.
Das Gute
- Kith & Kin enthält wirklich schöne Repräsentation von behinderten und LGBTQ+ Menschen. Figuren sind nichtbinär, benutzen einen Rollstuhl (oder andere Hilfmittel) oder reden von ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerperson und das ist alles normal. Das ist sehr erfrischend.
- Einer der stärksten Aspekte des Buches sind emotionale Szenen mit wenigen Menschen, explizit Szenen, die nur Vex und Vax enthalten. Die sind mit wahnsinnig viel Gefühl und Einfühlungsvermögen geschrieben und definitiv ein Highlight.
Das Schlechte: Von D&D-Abenteuer zum Buch
Allein, dass ich meine Rezension in „Das Gute“ und „Das Schlechte“ einteile, ist wahrscheinlich ein aussagekräftiges Zeichen dafür, dass Vieles an diesem Buch nicht gefallen hat. Und weil ich jetzt eine ganze Menge Kritik üben werde, möchte ich direkt vorneweg sagen: Ich finde Kith & Kin in Ordnung, aber nicht viel mehr. Eine durchschnittliche Fantasy-Geschichte mit vielen Schwierigkeiten.
Die meisten meiner Probleme mit der Geschichte sind eine Frage der Adaption. Denn ein D&D-Abenteuer hat einen grundsätzlich anderen Aufbau als eine Buch-Geschichte. Das bedeutet es müssen Änderungen angebracht werden, Storybeats verändert und vielleicht sogar eine ganze Struktur umgeworfen werden, damit ein Abenteuer auch als Geschichte funktioniert. Und da hapert es einfach.
Dabei hilft es auch nicht, dass Kith & Kin – soweit ich weiß – Marieke Nijkamps erster (Epic) Fantasy Roman ist und ihr (manchmal leider ziemlich offensichtlich) Erfahrung in dem Genre fehlt.
Typische D&D-Szenen
Besonders am Anfang gibt es sehr viele Szenen, die man, wenn man selber Rollenspiele wie D&D spielt, nur zu gut kennt. Es gibt Kampfszenen, Unterhaltungen mit Händlern und viel Feilschen, eine „stealth-mission“, gesichtslose NSCs („Nicht-Spieler-Charaktere“), die Infos zu Quest und Setting geben und und und. Für mich kam dabei keine vielschichtige Welt zustande – und das obwohl ich die Welt durch den Podcast bereits kannte! Es fühlte sich mehr wie eine Checkliste an, die nach und nach abgehakt wurde.
Das erklärt wahrscheinlich auch, warum ich bei den ersten zehn Kapiteln wirklich Schwierigkeiten hatte, mich in die Geschichte einzufinden. Ich habe insgesamt einen Monat gebraucht, um sie zu lesen.
Fantasy, D&D und das Kämpfen
D&D lebt von seinen Kämpfen gegen Monster. Das Kämpfen ist quasi die Grundmechanik des Spiels und da darf das natürlich auch in dem Buch nicht fehlen. Es gibt unglaublich viele Kampfszenen in dem Buch. Drei in den ersten neun Kapiteln (vier, wenn man mitzählt, dass eine davon aus zwei Perspektiven erzählt wird) und das funktioniert in einem Buch einfach nicht gut.
Die High und/oder Epic-Fantasy ist zwar oft ein kampfszenen-intensives Genre, aber es ist extrem Schwierig gute Kampfszenen zu schreiben. Lesen ist langsam, kämpfen ist schnell und da ziehen sich Kampfszenen wie Kaugummi. Langweilig. So leider auch hier. Und dazu kommt, dass ein Grundpfeiler des Kämpfens und des Weltenbaus so gut wie unerklärt bleibt: Die Magie.
Magie
In D&D gibt es viel Magie und deswegen in Kith & Kin auch. Aber ohne ein präzises Verständnis von den Zaubern in D&D hat man als lesende Person keine Chance zu verstehen, was überhaupt Magie ist, welche Regeln es gibt, was „normale“ Magie ist und was „starke“. Es fehlt Kontext und Anleitung, sowohl durch die Erzählstimme als auch durch die Figuren. Und das ist so frustrierend, denn das Magiesystem sollte man unbedingt verstehen, auch wenn man die Regeln von D&D nicht kennt.
Zum Beispiel wird einmal geschrieben: „She marked one of the creatures […]“. Wenn man D&D kennt und weiß, welche „Klasse“ Vex’ahlia ist, dann ist es klar was sie tut. Sie benutzt den Zauber Hunter’s Mark, der dafür sorgt, dass sie mehr Schaden anrichtet. Aber im Buch wird danach nicht mehr auf die „marked creature“ eingegangen. Es wird nicht erklärt, was das bedeutet. Es wird nicht beschrieben wie sich dieses „mark“ auf den Kampf auswirkt. Und es wird noch nicht einmal gesagt, dass es Magie ist. Das ist so frustrierend und das passiert jedes mal, wenn Magie benutzt wird.
Kith & Kin ist leider ein Paradebeispiel, wie man ein Magiesystem in einem Buch nicht schreibt.
Sonstiges: Rückblenden und Erwartungen
Ironischerweise habe ich in dem Buch Before I let go von Marieke Nijkamp herausgehoben, wie gut ich die Rückblenden fand, obwohl ich Rückblenden normalerweise nicht mag. Auch in Kith & Kin gibt es Rückblenden und mir gefallen sie absolut nicht. Sie sind oft an unpassenden Stellen in der Geschichte und tragen kaum etwas charakterentwickelndes zu den Figuren bei. Sie erzählen Teile der Hintergrundgeschichte von Vex und Vax, die Fans kennen und wahrscheinlich schön finden werden, aber im Kontext der Geschichte sind sie überflüssig und bremsen viel zu oft die Hauptgeschichte aus.
Außerdem hatte ich mich bei diesem Buch eigentlich darauf gefreut, Vex und Vax als Team zu erleben, bevor sie Vox Machina beigetreten sind, aber für die meiste Zeit des Buches sind sie voneinander getrennt. Schade.
Und noch eine Sache: Auch wenn es Podcast ein Running Gag war, dass alle die Namen von Vex und Vax durcheinanderwerfen, weil sie so ähnlich sind, fand ich es zum Teil auch schwierig die beiden auseinanderzuhalten (- obwohl ich die beiden Figuren schon vor dem Buch kannte!). Vielleicht war es also doch eine gute Idee, die beiden für den größten Teil des Buches voneinander zu trennen, weil man so auch das Setting als Anhaltspunkt nehmen konnte, bei wem man sich gerade befindet.
Es gibt noch so viele andere Sachen, die ich alle nur kurz anreißen möchte: Die kleine M/M Romanze von Vax ist schlecht vorbereitet und nicht glaubwürdig. In Syngorn sind alle Figuren solche Arschlöcher, dass es unglaubwürdig ist. Man kann, während man die Geschichte liest, reverse-engineeren wie die Outline ausgesehen haben muss, so steif fühlen sich die Plotpunkte an. Die Tragödie um den Tod der Mutter der Zwillinge bekommt ein Kapitel und das ist einfach nicht genug. Der Höhepunkt der Geschichte ist chaotisch und hektisch, und soll offensichtlich ein toller Twist sein, aber es ist einfach nur ein unnötiges Durcheinander. Der Auslöser der Geschichte ist wie bei gefühlt jeder 08/15 Fantasy natürlich ein sexueller Übergriff auf die weibliche Hauptfigur. Juhu.
Wem würde Kith & Kin gefallen?
Kith & Kin ist eine nette Geschichte für Fans, die – neben der eigentlichen Geschichte – auch viele kleine weitere Fragen auflöst. Woher hat Vax’ildan zum Beispiel seinen berühmten Schlangengürtel? Wie sah ihr Leben bei ihrem Vater in Syngorn aus? Und warum nennt Vax Vex Stubby? Aber da hört es für mich auch schon auf.
Denn Kith & Kin ist beim besten Willen eine durchschnittliche Geschichte, mit einem unerklärten Magiesystem, komplexem, aber letztendlich irrelevantem Weltenbau und zu viel D&D Einfluss. Es ist keine gute Fantasy und hoffentlich für niemandem der erste Berührungspunkt mit Critical Role. Einfach nur enttäuschend.
Bist du ein Fan von Critical Role? Hast du Kith & Kin gelesen? Was hältst du davon?