[Worldbuilding] Wie beeinflusst Schmuck dein Worldbuilding? (1/2)

Neben der Kleidung kannst du auch mit der Verwendung von Schmuck Worldbuilding betreiben und wie bei allen Weltenbau-Themen, kannst du auch hier beliebig tief ins Detail gehen. Wann, wo und warum wird Schmuck getragen? Welche Materialien werden benutzt und was bedeutet es überhaupt für eine Kultur, wenn die Menschen Schmuck tragen? Ich versuche für jede dieser Fragen ein paar Anstöße zu geben.

Was ist Schmuck? – Eine dringende Definition

Unter Schmuck verstehen die meisten Menschen die „Gesamtheit meist aus kostbarem Material bestehender Gegenstände (wie Ketten, Reife, Ringe), die zur Verschönerung, zur Zierde am Körper getragen werden“ (Duden). Allerdings bin ich mit dieser Definition für den Zweck dieses Artikels nicht ganz einverstanden.

„kostbar“

Die Erwähnung von „kostbarem Material“ lenkt das Denken sofort in die Richtung von Metallen und Edelsteinen, aber kostbar ist kulturell und auf das Individuum bezogen subjektiv. Die südamerikanischen Ureinwohner hatten Gold im Überfluss, kostbar war es allerdings nicht, weil es ein reines (und letztendlich austauschbares) Dekorationselement war. Trotzdem wurde es als Schmuck verwendet. Und ein anderes Beispiel: Wenn sich Kinder auf einer Wiese Blumenkronen flechten, dann ist auch das Schmuck, aber kostbar – im kapitalistischen Sinne – nicht.
Mir ist bewusst, dass in der oben genannten Definition steht, dass Schmuck nur „meist“ aus kostbaren Materialien besteht. Trotzdem finde ich diesen expliziten Zusatz im Blick auf das Worldbuilding überflüssig.

„Verschönerung“

Auch das Wort Verschönerung ist wieder subjektiv für Individuum und Kultur und deswegen läuft man schnell Gefahr, seine eigenen Erwartungen an Schönheit darauf anzuwenden. Das nachfolgende Wort „Zierde“ in der Defnition finde ich schon deutlich besser, aber in Kombination mit „Verschönerung“ davor, ist das Denken bereits auf einer gewissen Schiene, die nicht unbedingt richtig sein muss.
Ich finde z.B. – und hier zeigt sie die Subjektivität des Wortes Schönheit sehr gut – dass der meiste Schmuck, den man in Juweliergeschäften im Fenster sieht, einfach nicht gut aussieht. Das ändert aber nichts daran, dass es dennoch Schmuck ist.

Eine (für unsere Zwecke) bessere Definition

Schmuck sind „dekorative Elemente, die am Körper getragen werden und neben ihrer (kulturell subjektiven) Schönheit oft soziale und kulturelle Marker sind“. Mit dieser Definition decken wir ab, dass Schmuck am Körper getragen wird, eliminieren den kostbaren Aspekt und weisen deutlich auf die Subjektivität von Schönheit hin. Außerdem habe ich einen weiteren Zweck des Schmucks ergänzt: Seine Verwendung als soziale und kulturelle Marker. Aber dazu später mehr.

An welchen Körperteilen trägt man Schmuck?

Die Antwort auf diese Frage ist in ihrem Kern sehr einfach, wird aber bei genauerer Betrachtung komplexer. Menschen tragen Schmuck überall am Körper. Egal welches Körperteil, du kannst dir sicher sein, dass es verziert wurde. Deswegen möchte ich hier einige verbreitete Schmuckarten aufzählen:

  1. Kopf- und Haarornamente
    Dazu zählt alles – außer Kleidungsstücke wie Hüte – was man als Schmuck auf dem Kopf trägt. Kronen, Diademe, Federhauben und auch Haarschmuck wie Kanzashi sind nur einige Beispiele.
  2. Ohrzierden
    Häufig werden für Ohrschmuck die Ohren durchstochen, oder er kann auch an das Ohr „geklemmt“ werden.
  3. Halszierden
    Hier gibt es viel Variation je nach Material und Platzierung des Schmucks. Der Schmuck kann tatsächlich den Hals schmücken (als Halsband – bitte wörtlich verstehen und ohne die Konnotation des Haustieres) oder der Hals dient als „Ankerpunkt“ für eine Kette, die tiefer auf die Brust hinabfällt.
  4. Arm-/Handgelenkszierden
  5. Ringe
    Sie können an den verschiedenen Fingergliedern oder auch an den Zehen getragen werden.
  6. Körperketten
  7. Fuß-/ Knöchelzierden
  8. Dekoration für Kleidung
    Denke hierbei an Dinge wie Broschen oder Anstecker, aber auch Stickereien oder besondere Schnallen, die in die Kleidung integriert sein können.

Wichtig zu bedenken bei Schmuck ist die Richtung der Erdanziehung, weshalb es z.B. häufiger Fußkettchen als Oberschenketten gibt. Außerdem wichtig: Die Menge an Material, die es braucht, um den Schmuck herzustellen. Ein Armreif ist offensichtlich weniger materialintensiv als eine Körperkette und wird deswegen wahrscheinlich häufiger hergestellt und getragen. Und noch eine Sache ist zu bedenken: Die Sichtbarkeit des Schmucks. Denke darüber nach, welche Körperteile in Verbindung mit der getragenen Kleidung gut sichtbar oder im Vordergrund sind.
Es kann sich auch lohnen, an dieser Stelle darüber nachzudenken, welche Körperteile (nicht) sexualisiert sind und wie sich das auf die Wahl des Schmucks auswirken könnte.

Ein kleiner Exkurs: Piercings

Schmuck wird nicht nur am Körper getragen, sondern kann auch im Körper getragen werden. Piercings waren und sind kulturell weiter verbreitet, als man zunächst annehmen mag. Darauf bin ich schon in meinem Artikel zum Tiffany-Effekt eingegangen. Hier möchte ich deswegen nur erwähnen, welche Körperstellen sich (am besten) für Piercings eignen:
Gepierct werden kann fast jede frei“hängende“ Körperfalte, die keinem allzugroßen täglichen Stress ausgesetzt ist und/oder schnell heilt. Also Ohren, Lippen, Zungen, Nasen, und das war es auch schon fast. Auch wenn andere Stellen möglich (und sehr verbreitet) sein können wie Augenbrauen, Bauchnabel oder subdermale Implantate, werden solche Piercings gerne vom Körper abgestoßen und sind deswegen – abgesehen von ihrem aktuellen modischen Reiz – eher weniger (als sozialer Marker) verbreitet.

Übrigens: Tattoos zähle ich nicht als Schmuck. Stattdessen gehören sie eher zur (permanenten) Kosmetik, deswegen werde an dieser Stelle nicht näher auf sie eingehen.

Warum wird Schmuck getragen?

Wenn man es auf seine kleinsten Bestandteile herunterbricht, gibt es eigentlich nur zwei Gründe, warum Schmuck getragen wird. Aber um es vorweg direkt gesagt zu haben: Diese beiden Gründe schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern können gemeinsam Grund für das Trages des Schmucks sein.

Grund 1: Aussehen

Man kann Schmuck tragen, weil man ihn selbst schön findet oder weil die Kultur ihn schön findet. Diese beiden Möglichkeiten schließen sich gegenseitig nicht aus, aber beide Facetten können einen spannenden Einblick in deine Kultur und ihr Gefühl von Schönheit bieten. (Außerdem charakterisiert das Tragen von „schönen“ – als subjektives Wort – Körper-Ornamenten die Figur, aber das ist nur ein netter Bonus dieses Worldbuildings.)
Wie kannst du herausfinden, ob eine Schmuckart zu deiner Kultur passt? Diese Frage beantworte ich für mich selber am liebsten, indem ich nach dem Gegenteil frage. Zum Beispiel: Welche Art Schmuck würde von ihrem Aussehen (also Platzierung und Material) nicht zu dieser Kultur passen? Und warum?

Stell dir beispielsweise eine Kultur vor, die in einem kalten Klima lebt, ähnlich zu dem subpolaren Kreis der Erde. Das würde bedeuten, dass für die meiste Zeit des Jahres dicke und warme Kleidung getragen wird. Ringe, Fußkettchen, Haar- und Ohrschmuck sind also unwahrscheinlicher, weil häufig Handschuhe, Schuhe und Mützen getragen werden und der Schmuck damit nicht sichtbar wäre. Außerdem würde Schmuck aus Metall wahnisinnig kalt auf der Haut werden, also würde ich eher zu Pflanzen- und Tiermaterialien tendieren. Insgesamt halte ich es für wahrscheinlicher, dass die Kleidung stark verziert wird, anstatt Schmuck zu tragen.

Beim nächsten Mal …

Um zu vermeiden, dass dieser Artikel die doppelte Länge meiner normalen Artikel erlangt, gibt es hier einen Einschnitt. Beim nächsten Mal geht es darum, wie Schmuck als sozialer Marker eingesetzt werden kann. Hast du schon Fragen oder Anregungen? Ich freue mich über Kommentare 🙂


Hier geht es zum nächsten Artikel: Schmuck als sozialer Marker

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2 Replies to “[Worldbuilding] Wie beeinflusst Schmuck dein Worldbuilding? (1/2)”

  1. Charles says:

    Es gibt keine schöner Lektüre zum Frühstück. Es macht mir aber wieder einmal bewusst, das ich bisher Schmuck höchstens als magisches Werkzeug benutzt habe – ohne es explizit zu merken. Wie meine erste Lektorin meinte „es braucht mehr Plüsch in deinem Text“ 😅

    Antworten
    1. Sina Bennhardt says:

      Es freut mich, dass mein Artikel dir dein Frühstück versüßt hat <3

      Schmuck als magisches Artefakt ist eine sehr klassische Nutzung von Schmuck. Daran ist ja nichts auszusetzen. Aber vielleicht findest du in diesem (und den nachfolgenden Artikeln) noch ein paar Möglichkeiten, die magischen Artefakte noch ein bisschen besonderer oder in deiner Welt verankerter zu machen! 🙂

      Antworten

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