Das Vokabular der Phantastik

Manchmal – eigentlich immer – tue ich mich ein wenig schwer mit der Deutschen Sprache. Sie ist für mich als Schreibende offensichtlich ein wichtiges Werkzeug und ich bilde mir ein, dass ich sie für meine Zwecke ausreichend gut behrerrsche. Aber je mehr ich mich mit der Phantastik auseinandersetze, desto mehr merke ich, dass die Deutsche Sprache sehr greifbare Grenzen hat. Vor allem, was das Vokabular der Phantastik betrifft.

Bilinguales Lesen

Ich hatte das Glück und Privileg auf eine Schule zu gehen, die bilingualen Unterricht anbot. Außerdem verbrachte ich ein Auslandsjahr in Amerika. Das führte dazu, dass ich Deutsch und Englisch mit derselben Kompetenz flüssig lese. Und weil ich beide Sprachen gleich gut verstehe, erscheint es mir nur logisch meine Bücher – soweit möglich – in ihrer Originalsprache zu lesen. Und für die Phantastik … nunja …
In Deutschland gibt es erstaunlich wenig Phantastik von deutschen Autor*innen zu lesen. Die Regale sind voll mit Übersetzungen von amerikanischen oder englischen Autoren – das generische Maskulinum ist an dieser Stelle Absicht – und die lese ich auf Englisch. Außerdem lese ich innerhalb der Phantastik am liebsten High oder Epic Fantasy. Auch das reduziert das ohnehin kleine Angebot der deutschen Phantastik weiter.

Aus diesen Gründen bin ich vertrauter mit dem Vokabular der englischen Phantastik, einfach weil ich in meinem Leben mehr englische Fantasy gelesen habe. Vielleicht liegt es an dieser Vertrautheit mit der englischen Sprache, dass mir die Deutsche Sprache in der Phantastik einengend vorkommt.

Englisches vs. Deutsches Vokabular an Beispielen

Wie nennt man „magienutzende Menschen“ auf Deutsch? Zauberer, Magier und Hexe. Zauberer und Magier sind Synonyme, nur die Hexe beschreibt einen anderen Aspekt der Magienutzenden. Die englische Sprache bietet deutlich mehr Nuancen, die sich nicht ohne zusätzlichen Aufwand ins Deutsche übersetzen lassen: Magician, wizard, magic user, sorcerer, warlock und witch, beschreiben magienutzende Menschen und übermitteln gleichzeitig kleine aber wichtige zusätzliche Unterschiede.

Ein anderes Beispiel: Durch eine einfache Änderung der Schreibweise wird aus der fairy – wörtlich Fee, ein kleines Wesen mit Flügeln – eine faery, also Fabelwesen, die sich durch ihre „Andersweltlichkeit“ auszeichnen und bei dem man aufpassen muss, was man sagt, weil sie auf höchstintelligente Art versuchen werden, dich zu überlisten. Und dann gibt es noch weitere Bezeichnungen nämlich die fey, fay, fair folk und faeries, die zwar alle ähnlich sind, aber trotzdem andersartige/unterschiedliche Wesen (oder Kontext, in dem sie betrachtet werden) beschreiben. Auf Deutsch verschwinden all diese Eigenheiten und man spricht nur von „Feen“ und vielleicht mal von dem Volk der Feen. Nuancen sind kaum möglich ohne explizit Wesen wie Satyre, Trolle oder Kobolde zu nennen.

Aber um fair zu sein: Der Begriff Fae verbreitet sich mittlerweile auch im deutschen Sprachgebrauch. Trotzdem fehlt im Deutschen Vokabular für scheinbar sehr einfache Unterschiede.

Was tun bei fehlendem Vokabular?

Es ist schwierig über Dinge zu schreiben, für die es keine Worte gibt aber dessen Konzept einem bekannt ist. Es zwingt dich in die Situation Wesen, Dinge oder Sachverhalte explizit zu umschreiben und ihnen vielleicht sogar einen (neuen) Namen zu geben. Das ist doppelt frustrierend, wenn es in einer anderen Sprache ein einfaches Wort gibt, was dieses Problem lösen würde.

Englisches Vokabular übernehmen?

Eine einfache Lösung wäre, die englischen Worte einfach ins Deutsche zu übernehmen. Aber auch das ist nicht die „einfache Lösung“, die es im ersten Moment verspricht zu sein. Denn du kannst nicht davon ausgehen, dass alle Lesenden das englische Vokabular oder seine Nuancen kennen. Und damit sind wir bei einem Problem des Nicht-Verstehens, das noch nicht einmal durch das Nachschlagen in einem Duden gelöst werden kann, weil die Gefahr besteht, dass man in der „falschen“ Sprache nach Antworten sucht und nicht findet. Durch das Übernehmen von englischem Vokabular machen wir unsere Geschichte also möglicherweise unzugänglicher als durch das Umschreiben.
Außerdem kann es sein, dass offensichtlich englische Wörter einfach nicht zu der Geschichte passen z.B. aus Gründen der Ästethik oder Einheitlichkeit der sonstigen Sprache.

Neue Worte ausdenken

Natürlich kannst du dir immer neue Worte ausdenken. Dafür ist gerade die Phantastik ein sehr dankbares Genre, denn zwischen dem Worldbuilding und außergewöhnlichen Wesen ist eine gewisse Form der Wortneuschöpfung fast erwartet. Trotzdem kann es bei eigenen Namen an Klarheit fehlen. Hat man deutlich genug beschrieben? Wie viele „eigene“ Worte kannst du benutzen, bevor du deine Lesenden überforderst? Wann und wie führst du die neuen Worte ein? Ist es verständlich? Neben der Geschichte muss man sich auf eine gewisse – fast klinische – Präzision konzentrieren, die neuen Worte „richtig“ einzusetzen. Das ist bei weitem nicht unmöglch, aber es ist auch nicht immer einfach.

Zusätzlich – und das ist sehr subjektiv – mag ich es nicht Dingen einen eigenen Namen zu geben, wenn ich sie mir nicht selbst ausgedacht habe. Ein eigen für die Geschichte ausgedachter Name impliziert ein gewisses gedankliches Eigentum.

Gibt es überhaupt ein Fazit?

Fakt ist: Man schreibt anders, wenn ein gewisser Wortschatz einfach nicht existiert. Fakt ist auch: Die englische Sprache hat einen deutlich vielfältigeren und spezifischeren Wortschatz, was die Phantastik betrifft.
Wenn meine Erfahrung mir eines beigebracht hat, dann dass sich Sprache nur mit viel Gegenwehr verändert. Du siehst es auch bei mir in meinem ersten Punkt: Ich mag es nicht, englisches Vokabular für meine Geschichten zu übernehmen, weil es sich – für mich – nicht danach anfühlt, als würde es in die Phantastik passen. Ich möchte nicht abstreiten, dass es an einem gewissen Sprachpurismus liegt – also dem Unwillen der Veränderung der Sprache. Denn ich mag die Deutsche Sprache wie sie ist … meistens. Aber ich kann auch nicht abstreiten, dass es notwendig und wichtig ist, dass sich die deutsche Sprache verändert. Damit wir präziser schreiben und sprechen können, nicht nur wenn es um die Phantastik geht.

 


Wie stehst du zu dem Wortschatz der deutschen Sprache, wenn es um die Phantastik geht? Fühlst du dich eingeengt oder reichen dir die existierenden Worte?

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11 Replies to “Das Vokabular der Phantastik”

  1. Charles says:

    Sina, dein Beitrag trifft den Nagel auf den Kopf. Ich schreibe selbst Fantasy und LitRPG und so kommen eben immer wieder Goblins, Orks, Kobolde etc. vor und ich „lebe“ davon, dass meine Lesenden diese Wesen bereits kennen. Aber sobald ich ein wenig abseits von Mainstream Völker einführen möchte, wird es kniffelig. Ich selbst habe noch keine befriedigende Lösung dafür gefunden, außer, dass ich von Zeichnern ein Bild anfertigen lasse und diese vorab im Buch mit einbinde.
    Beispielsweise einmal den Antagonisten (ein Oktopode – also Krakenmann) auf einem Steckbrief abbilde.

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    1. Sina Bennhardt says:

      Danke für deinen Kommentar!

      Ich möchte zwar nicht sagen, dass ich mich freue, dass du ähnliche Probleme hast wie ich – denn das fühlt sich gemein an – aber ich bin beruhigt, dass ich nicht allein dastehe mit meinen Ansichten. Das mit den Zeichnungen im Buch finde ich eine sehr schöne Lösung! Sehr einfach und elegant 🙂

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  2. schreibfaehe says:

    Sehr gut angesprochen!
    Vor allem will man dasselbe Vokabular benutzen wie andere Autoren aus dem Genre. So weiß ja auch der Leser ungefähr mit welchen Wesen er zu tun hat und muss sich nicht immer auf komplett Neues einlassen. Außerdem fällt einiges an Beschreibung des Volkes weg.
    Ich bin beim Lesen immer zwiegespalten ob ich die englische Version oder die deutsche Version eines Buches nehme. Ja klar, ist das englische Exemplar näher an der Sprache des Autors – aber andererseits möchte ich auch mein deutsches Vokabular erweitern.
    Und auch ich sträube mich alles vom Englischen zu übernehmen. Schließlich ist die deutsche Sprache in einiges genauer, bildlicher und kürzer bzgl. Bezeichnungen. Ich finde diese Hype der englischen Wörter deswegen bedenklich. Deswegen denke ich, werde ich weiter zur deutschen Fassung greifen in der Hoffnung, dass ich dort einen Trend fantastischer Wörter finde, die Übersetzer gesetzt haben. Oder vielleicht kann ich durch diese selbst Wörter ableiten. Ich schätze da bleibt nur probieren x).

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    1. Sina Bennhardt says:

      Ja genau! Es hilft wahnsinnig, wenn andere Autor*innen aus demselben Genre dasselbe Vokabular benutzen!

      Dass man in den Übersetzungen aber genau dieses Vokabular finden könnte, habe ich noch gar nicht bedacht. Das ist tatsächlich ein sehr guter Gedanke! Vielleicht setze ich mich mal hin und kaufe ein paar deutsche Übersetzungen. Es könnte sehr spannend sein zu sehen, wie bestimmte Wörter übersetzte werden, vor allem wenn man das Buch schon kennt.

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  3. Laslo De Zordo says:

    Das trifft alles zu,aber ich muß da erwähnen das es nicht nur in der Phantastik so ist. Und auch nicht nur in Bezug auf Englisch und Deutsch. Als Mehrsprachler leidet man sehr darunter das extrem viel Literatur aus dem Ungarischen oder Spanischen gar nicht übersetzt werden können da es im Deutschen an entsprechenden Wörtern fehlt um das selbe auszudrücken. Daher kommt es auch das besonders in der Südamerikanischen Literatur Fantasy und Wirklichkeit zusammen existiert während man das nicht im Deutschen weiter geben kann. Man kann es übersetzen, aber man hat nicht die selben Geschichten gelesen auf Deutsch.

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    1. Sina Bennhardt says:

      Ich habe in dem Artikel Deutsch und Englisch verglichen, weil das die einzigen Sprachen sind, die ich flüssig spreche und lese. 😉
      Gut zu wissen, dass sich das im Ungarischen und Spanischen ähnlich verhält! Ich frage mich, woran es liegt, dass anscheinend hauptsächlich das deutsche Vokabular so „Fantasy“-frei ist?

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  4. Laslo De Zordo says:

    Ich habe das selbst schon früher verglichen. Iranische Bücher sind sogar in Deutsch recht Blumig während bei anderen Sprachen die Wörter und Begriffe sehr viel mehr sagen. Doch ein kleiner Trost. Slawische Sprachen sind viel trockener als Deutsch

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  5. Anathea says:

    Vielleicht liegt es einfach auch daran, dass wir zu sehr auf die Fabelwesen aus den anderssprachigen Gebieten fixiert sind? Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch in der deutschen Sprache viele Wörter für magische, mysthische und zauberhafte Wesen gibt, nur verwenden die deutschen Autoren diese nicht in ihrem Werken. Da müssen wir vielleicht ein bisschen mehr Mut zur Recherche und zur Ausarbeitung aufbringen, dann können auch solche Wesen wie der Aufhocker, Fengg, Feuerputz, das Holzfräulein, die Sennentuntschi oder die Winselmutter Einzug in die Fantasy halten. 🙂

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    1. Sina Bennhardt says:

      Das kann auch ein Grund sein. (Generell finde ich deutsche Fabelwesen sehr ulkig und sie sollten öfter benutzt werden 😀 )
      Gleichzeitig habe ich aber das Gefühl, dass die englische Sprache besser mit nicht-englischen Fabelwesen zurechtkommt als die deutsche mit nicht-deutschen. Das kann aber auch nur eine subjektive Wahrnehmung sein^^

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