Beim letzten Mal ging es darum, die eignen Befangenheiten zu erkennen und die generellen Werte der Kultur festzustellen. Diesmal möchte ich über die verschiedenen Arten von Beleidigungen sprechen – im Speziellen über verbale Beileidigungen – und wie du dir für deine eigene Geschichte Beleidigungen bauen kannst, die dein Worldbuilding unterstützen.
Content Note: Ich werde in diesem Artikel menschenfeindliche Ausdrücke nennen, die z.B. ableistisch, sexistisch, klassistisch oder mehr sein können. Ich möchte nicht implizieren, dass du -istische Ausdrücke brauchst, um „realistische“ Beleidigungen zu schreiben. Allerdings sind diese Worte oft am weitesten verbreitet und damit (leider) gut als Beispiel geeignet.
Welche Arten von Beleidigungen gibt es?
Damit meine ich nicht spezielle Beleidigungen, sondern wie sie umgesetzt werden. Und da gibt es zwei große Beleidigungs-Felder: verbale Beleidgungen und beleidigende Handlungen. Diese beiden Formen der Unhöflichkeit treten zwar oft gemeinsam auf, aber für diese Artikelreihe möchte ich sie getrennt betrachten, um besser auf ihre Eigenheiten eingehen zu können.
Das heißt aber für dich: Wenn es dazu kommt, dass du in deiner Geschichte Beleidigungen schreibst, schrecke nicht davor zurück, Handlungen mit verbalen Ausdrücken zu verbinden. Ein Kraftausdruck, auf den mit einer unziemlichen Geste geantwortet wird oder eine gemeine Handlung, die mit einer beleidigenden Aussage untermalt ist, fühlt sich deutlich natürlicher an, als diese Dinge im Schreiben zu trennen.
Verbale Beleidigungen
Es ist wichtig am Anfang festzustellen, dass eine Beleidigung nicht wahr sein muss. Allerdings sollte eine effektive Beleidigung von dem Empfänger als (möglichst) plausibel wahrgenommen werden. Äußerliche Merkmale sind dabei leicht hervorzuheben. Ob der Empfänger (für die Kultur) zu dick, zu dünn oder zu schwach ist, zu abstehende Ohren oder eine schiefe Nase hat, lässt sich auf den ersten Blick erkennen. Auch die Lebenssituation wie z.B. Armut oder Krankheit und Behinderung, sind oftmals relativ schnell zu erkennen und damit leicht hervorzuheben.
Innere Eigenschaften sind für den Beleidigenden oft schwieriger einzuschätzen, denn dafür muss man den Gegenüber ein wenig besser kennen. Diese Kenntnis des Gegenübers führt oft zu gerichteten, hochspezifischen und sehr verletzenden Beleidigungen. Aber auch hier können dank der allgemein akzeptierten Grundwerte der Kultur Basisbeleidigungen ausgesprochen werden. Zum Beispiel, zu gierig, zu dumm oder rücksichtslos.
Wie sehen Beleidigungen aber speziell aus?
Herunterwerten positiver Eigenschaften vs. Herausheben einer negativen Eigenschaft
Eine Beleidigung zielt immer darauf ab, den Beschimpften in irgendeiner Form zu bewerten. Dabei wird entweder eine positive Eigenschaft herabgewertet, indem sie beispielsweise ins Lächerliche gezogen wird („Du bist ja so ein Gutmensch.“), oder eine (vermeintlich) negative Eigenschaft herausgehoben („Bohnenstange“/“Dummkopf“).
Außerdem besteht die Wahl, ob die Beleidigung direkt und gerade heraus gesagt wird – meistens durch beschreibende Adjektive – oder durch Vergleiche und Implikationen ein wenig indirekter ausfällt. Oft werden aber auch direkte Beleidigungen und Implikationen oder Vergleiche miteinander gemischt. Es gibt bei Beleidigungen keine Regeln, solange sie ihr Ziel erreichen und verletzen.
„kultur-neutrale“ Beleidigungen
Es gibt einige Themenbereiche an bildlichen Beleidgigungen, die in fast jeder Kultur zu finden sind. Das sind
- Fäkalien (oder andere als unhygienisch angesehe Körperteile/-ausscheidungen) und Unrat
Scheiße, Arschloch, Speichellecker, „Ich verbrenne deine Schamhaare!“ (Armenischer Fluch), Kackebrocken (Finnischer Ursprung), Friss Scheiße, etc. - Tiere
Schwein, Kuh, Hund, Geier, Ratte, Ungeziefer, „Bottomfeeder“ etc. Tier-Beleidigungen kommen gerne auch in Kombination mit einer Implikation, dass man von ihnen abstammt oder so aussieht wie sie z.B. „Hundesohn“ oder „Rattengesicht“ - Schadens-, Krankheits- oder Todeswünsche
„Ich wünsche Dir einen langsamen Tod, aber eine schnelle Fahrt in die Hölle!“ (Chinesicher Fluch), „Fahr zur Hölle“, „Krieg die Cholera/Schwindsucht/andere Krankheit“, „Geh sterben“ etc.
Es ist leicht zu erkennen, warum diese Themen (fast) universell sind: Menschen haben eine evolutionäre Abneigung gegen sie Fäkalien und Unrat, die meisten Tiere werden als „unter dem Menschen stehend“ betrachtet – vor allem wenn sie mit unhygienischen Umständen assoziiert werden – und Schadens-, Krankheits- und Todeswünsche sind Recht selbsterklärend.
Natürlich bekommen diese Themen je nach Kultur eine leicht andere Note, aber sie sind in ihrer Übersetzung und Intention immer zu verstehen und nachzuvollziehen.
kulturspezifische Beleidigungen
Kulturspezifische Beleidigungen sind im Kontrast nicht unbedingt verständlich, wenn man sie übersetzt, können aber – weil sie spezifisch sind – deutlich mehr für das Worldbuilding deiner Kultur tun. Aber gerade weil sie spezifisch sind, ist es auch schwierig, Tipps für ihre Erstellung zu geben.
Mach dir also Gedanken darüber, welche Werte deine Kultur einzigartig machen und wie sich die Werte in Beleidigungen niederschlagen könnten.
Eigene Beleidigungen bauen
Gute verbale Beileidigungen sind leicht verständlich, Wordbuilding-unterstützend und unvergesslich. Auf dieser Basis habe ich mir ein paar Grundregeln aufgebaut, mit denen ich selbst meine Beleidigungen baue. Diese Regeln müssen nicht immer eingehalten werden, um eine gute Beleidigung zu bauen, aber sie können helfen in eine produktive Richtung zu gehen. (Ich möchte diesen Moment nutzen, dich auf den Artikel Wie bekommen Pflanzen ihre Namen? hinweisen. Dort gibt es am Ende einen kleinen Generator für Pilznamen, die sich super als Beleidigungen nutzen lassen.)
Leicht verständlich
Gerade in geschriebenen Geschichten, wo es mitunter schwierig sein kann Tonfall und Intention aus dem Dialog herauszuhören, ist es wichtig, dass verbale Beleidigungen auf den ersten Blick erkennbar sind. Denke zum Beispiel an das Wort „Schlammblut“ aus Harry Potter. Auch wenn es eine Wortneuschöpfung ist, ist doch sofort klar, dass es verletzen soll.
Um deine Beleidgungen verständlicher zu gestalten kannst du also schauen, ob es vielleicht ein positives oder erstrebenswertes Gegenstück gibt und du so durch den Kontrast das Schimpfwort erklärst.
Worldbuilding-unterstützend
Nutze die Gelegenheit, um mit deinen Beleidigungen das Worldbuilding voranzutragen. Anstatt zu einem „kultur-neutralen“ Schimpfwort wie Arschloch zu greifen, versuche Worte zu nutzen, die die Werte der Kultur vorstellen oder in den Köpfen der Leser festigen. In einer Kultur, in der Männer untergeordnet sind und als generell entbehrlich angesehen werden, könnte das Wort „Bartträger“ eine Beleidigung sein. (Was natürlich sehr interessante Implikationen für Menschen mit Bart hat, die keine Männer sind, aber darum soll es im Moment nicht gehen.)
Gleichzeitig solltest du darauf achten, dass deine benutzten Beleidigungen nicht gegen die etablierten Werte stehen. Wenn du beispielsweise das Schimpfwort „Penner“ benutzt, aber die Grundwerte der Kultur Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft sind, werden deine Leser mit Recht stutzen.
Außerdem kann es interessant sein, wenn in deiner Geschichte Personen aus verschiedenen Kulturen aufeinandertreffen, deren Beleidigungen vollkommen missverstanden werden, weil die Kulturen die entsprechenden Werte nicht teilen.
Unvergesslich
Ob verbale Beleidigungen unvergesslich sind, ist eine sehr subjektive Einschätzung. Trotzdem kannst du einiges tun, damit sich deine Leser einfacher an sie erinnern können. Achte darauf, dass deine Beleidigungen nicht zu lang werden, denn es ist einfacher sich an kurze Worte oder Phrasen zu erinnern als an eine Auflistung von Eigenschaften. Oft reicht ein beschreibendes Adjektiv und ein Nomen z.B. „dieser verdammte Aasfresser“ oder „Stinkfresse“, auch wenn diese beiden Beispiele relativ kulturneutral sind.
Beim nächsten Mal, werde ich über beleidigende Handlungen sprechen.