Das Dramadreieck und warum Dreiergruppen in Geschichten so gut funktionieren

Warum bestehen so viele Gruppen von Protagonisten auf drei Figuren? Harry, Hermine und Ron aus Harry Potter oder Aang, Sokka und Katara aus Avatar: The Last Airbender (zumindest in der ersten Staffel) oder die drei Fragezeichen. Ich bin mir sicher, dass dir noch weitere Dreiergruppen aus den verschiedensten Geschichten einfallen werden. Aber warum drei?

Warum funktionieren Gruppen mit drei Figuren besonders gut?

Bei der Entwicklung einer Geschichte geht es oft darum, effizient mit der eigenen Zeit und den eigenen Ressourcen umzugehen. Dazu zählt auch die Zahl der Hauptfiguren auf das Nötigste zu beschränken, damit die Zahl der Figuren nicht das Tempo der Geschichte zum Stocken bringen. Denn jede Figur möchte – zumindest ein wenig – ausgebaut und entwickelt werden und das braucht Zeit und Platz, den nicht alle Geschichten bieten können.
Warum finde ich also, dass eine Dreier-Hauptfigurengruppe am besten funktioniert?

Eine kleine Erklärung: Wenn ich in diesem Artikel von „Hauptfiguren“ rede, dann meine ich damit die Figuren, die am häufigsten vorkommen und deren Aktionen unabdingbar für den Lauf der Geschichte sind. Sie treten meist gemeinsam auf und werden auch innerhalb des Buches als eine Freundesgruppe und damit oft als eine Einheit angesehen. Es sind im Grunde die Figuren, bei denen es sich nicht komisch anfühlen würde, wenn signifikante Teile des Buches aus ihrer Perspektive geschrieben wären.

Das Beziehungsnetz

Ein Beziehungsnetz beschreibt die Beziehungen der Figuren einer Geschichte untereinander. Dabei beschränkt man sich meist auf die Hauptfiguren und die (wichtigsten) Nebenfiguren, weil das Netz schnell an Komplexität zunimmt wie du in den kommenden Beispielen schnell sehen wirst.

Das Beziehungsnetz des Märchens „Rotkäppchen“.

In Geschichten wie Märchen, die wenige Figuren – oft sogar nur Dreiergruppen – haben und deren Ablauf nicht sonderlich komplex ist, kann es sich lohnen, ein Beziehungsnetz für die ganze Geschichte zu bauen. In längeren Geschichten mit mehr Figuren verliert man allerdings schnell den Überblick. Deswegen spreche ich in diesem Artikel – wenn ich das Beziehungsnetz erwähne –  von einem Szenen-Beziehungsnetz, das lediglich die Beziehungen der in der Szene vorkommenden Figuren aufzeigt. Das schraubt die Komplexität deutlich herunter. Außerdem hilft es dir für die Entwicklung deiner Figuren.

Eine abwechslungsreiche Geschichte mit Beziehungsnetzen

Ein Aspekt, den du betrachten kannst, um deine Geschichten abwechslungsreicher zu gestalten, ist die Anzahl und Interaktion der Figuren in den unterschiedlichen Szenen. Um eine Figur möglichst gut kennen zu lernen, ist es hilfreich, sie in vielen verschiedenen Situationen mit vielen unterschiedlichen Figuren(konstellationen) zu sehen. So weit, so unspektakulär.

An einem Beispiel

Stell dir vor du schreibst eine Geschichte, in der es um eine Königin und ihren Berater geht. Bei einem Lesedurchgang fällt dir aber auf, dass die Königin ein bisschen flach wirkt. Woran könnte das liegen? Die Königin führt – allein durch ihre soziale Stellung – die meisten Szenen an, da sollte man doch gerade von ihrer Figur erwarten, dass sie Tiefgang hat. Aber so einfach ist es nicht.
Der Berater hat vielleicht Szenen mit der Königin alleine, in denen er forscher sein kann, gefolgt von Szenen am Hof, in denen er mehr ein stiller Schatten der Königin ist. Dann gibt es noch Szenen mit seinen Freunden und/oder seiner Familie, die nochmal eine andere Seite seiner Persönlichkeit hervorheben.
Die Königin hingegen ist in jeder Szene genau das: Die Königin. Das gibt vor, wie sie sich vehält, und wie die Leute um sie herum mit ihr umgehen. Wenn es da wenig Varianz gibt, ist es natürlich schwieriger, sie als tiefen Charakter vorzustellen.

Es kann also hilfreich sein, dir die Beziehungsnetze deiner Geschichte anzusehen, wenn sich eine Figur noch ein bisschen flach anfühlt. Vielleicht kommt sie in der immerselben Konstellation vor. Vielleicht nimmt sie immer eine ähnliche Rolle ein. Das können Beziehungsnetze schnell zeigen.

Die Möglichkeiten mit zwei Figuren

Hat dein Buch zwei Hauptfiguren, sind deine Möglichkeiten für unterschiedliche Beziehungsnetze relativ begrenzt. Begrenzt heißt aber nicht schlecht, sondern bloß, dass du in der Durchführung durch deine gewählten Umstände ein wenig eingeschränkter bist als andere.

Deine Hauptfiguren können jeweils alleine vorkommen, oder gemeinsam in einer Szene. Also hast du drei verschiedene Konstellationen. Natürlich gibt es die Möglichkeit, die Szenen durch Nebenfiguren anzureichern und damit buchstäblich unendlich viele Beziehungsnetze zu erstellen. Trotzdem liegt in ihrem Kern immer eine dieser drei Möglichkeiten.

Mögliche Szenen mit Dreiergruppen

Bei Dreiergruppen erhöht sich diese Zahl schon drastisch: Jede Figur kann alleine vorkommen, dann gibt es alle möglichen Zweierkombinationen und schließlich kann die Dreiergruppe gemeinsam auftreten. Das macht insgesamt neun Grund-Konstellationen, die wiederum mit weiteren Nebenfiguren angereichert werden können. Diese neun Grund-Konstellationen geben dir viele Möglichkeiten, die Persönlichkeiten deiner Figuren zu erkunden, ohne dass sich die Szenen repetitiv anfühlen.

Wenn du mit Dreiergruppen so viele Möglichkeiten hast, wäre es dann nicht noch besser, noch mehr einzigartige Möglichkeiten zu bekommen und die Zahl der Hauptfiguren zu erhöhen?

Mehr als drei (Haupt)Figuren

Die Zahl der einzigartigen Grundkonstellationen folgt der einfachen Formel 2 ^(n) – 1 (die Mersenne-Zahlen). Das bedeutet, vier Hauptfiguren hätten schon 15 einzigartige Grundkonstellationen. Fünf Hauptfiguren hätten 31 und so weiter. Die Zahl der einzigartigen Grundkonstellationen steigt exponentiell und du siehst, dass es schnell unübersichtlich würde, wenn man tatsächlich alle einzigartigen Konstellationen darstellen wollte.

Bei drei Figuren ist es noch gut möglich alle Kombinationen auf eine natürliche Art und Weise in einer Geschichte darzustellen, bei vier oder mehr wird es schwierig bis unmöglich. Deswegen sind Dreiergruppen mein „Sweet Spot“ für recht einfache aber interessante Beziehungsnetze. Wo du deine Grenze ziehst, ist eine subjektive Entscheidung.

Was ist das Dramadreieck?

Das Dramadreieck geht die Grundidee der „Dreiergruppe“ von einem anderen Winkel an. Während bei einer „normalen“ Dreiergrupppe aus Hauptfiguren meist noch mindestens der Antagonist fehlt, zielt das Dramadreieck darauf ab, in jeder Szene alle essentiellen Rollen auf drei Figuren(gruppen) zu verteilen. Das funktioniert so:

Es gibt drei Rollen: Der Täter oder Verfolger, das Opfer und der Retter, die jeweils ihre eignen Eigenheiten haben. Der Täter/Verfolger ist meist der Antagonist (der Szene!). Das Opfer wird von dem Täter konfrontiert und befindet sich in einer schwächeren Position. Der Retter schreitet ein und – wieder Name verrät – rettet das Opfer oder versucht es zumindest. Die Rollen des Täters, Opfers und Verfolgers sind dabei nicht unbedingt statisch, sondern können von Szene zu Szene – oder sogar innerhalb der Szene – wechseln.
Sobald das Opfer gerettet wurde, kann beispielsweise der Retter zum Täter werden und aus dem ehemaligen Täter das neue Opfer der Szene.

Das Dramadreieck ist die Beziehungsgrundlage vieler Figuren besonders in Märchen und traditionellen Sagen. Mir persönlich fehlt dem Dramadreieck ein bisschen an Komplexität und Nuancen. Allerdings ist es hilfreich um sicherzustellen, dass in einer Szene immer etwas „passiert“ und die Grundmuster im Verhalten von Figuren zu verdeutlichen.


Mit wie viele Hauptfiguren schreibst du am liebsten? Verteilst du in jeder Szene feste Rollen wie in dem Dramadreieck?

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