Fleischfressende Pflanzen sind in unserer Welt recht selten, weil sie sehr spezifische Anforderungen an ihre Umwelt haben. Trotzdem geht von ihnen ein gewisser Reiz aus. Es mag daran liegen, dass sie einfach selten sind, aber ich denke, es ist etwas anderes. Eine Pflanze, die in der Lage ist, Tiere zu fangen und zu verwerten, ist eine faszinierende Umkehrung der normalen Ordnung. Allerdings werden fleischfressende Pflanzen oft missverstanden.
Was sind fleischfressende Pflanzen?
Eine fleischfressende Pflanze ist in der Lage, über umgewandelte Blätter (kleine) Tiere zu fangen und zu verdauen. Mehr steckt da erst einmal nicht hinter.
Aber eine kleine Verdeutlichung: Das Wort „fleischfressend“ wird eigentlich nur für Raubtiere verwendet. Da ist es nur logisch, dass man der Pflanze die Eigenschaften eines Raubtiers zuschreibt – wenn auch unbewusst. Aber das möchte ich direkt deutlich korrigieren. Fleischfressende Pflanzen sind Opportunisten bzw. Fallensteller. Sie jagen nicht aktiv.
Warum überhaupt Fleisch fressen?
Pflanzen unterscheiden sich (u.a.) dadurch von Tieren, dass sie Photoythese betreiben. Der gesamte Organismus ist quasi darauf spezialisiert, dass die Photosynthese möglichst effizient ablaufen kann. Da scheint die Fähigkeit Fleisch zu fressen, irgendwie nicht sinnvoll. Weshalb sollte eine Pflanze also Tiere fressen wollen/müssen?
Tiere sind eine sehr dichte Nährstoffquelle. Das ist auch schon alles. Sie liefern diverse Mineralstoffe, Vitamine und Proteine und Fette – auch wenn letztere eher nicht das Ziel der fleischfressenden Pflanzen sind, aber dazu kommen wir jetzt.
Was brauchen fleischfressende Pflanzen zum Leben?
Auch für fleischfressende Pflanzen gelten dieselben Bedingungen für pflanzliches Leben wie für alle anderen Pflanzen auch – die Bedingungen habe ich ausführlich in dem Artikel Das Wachstum von Pflanzen Wasser und Nährstoffe – erklärt.
Licht ist für eine fleischfressende Pflanze enorm wichtig. Sie benötigt extrem viel Lichteinfall, da sie durch die Umwandlung einiger „normaler“ Blätter zu „Fallenblättern“ viel Photosynthesefähigkeit einbüßt. Durch die geringere Photosynthesefähigkeit wächst sie vergleichsweise langsam und würde von schneller wachsenden Pflanzen überschattet werden – wortwörtlich. Daher sind die Böden auf denen sie wachsen meist so nährstoffarm – oder sogar giftig –, dass keine anderen Pflanzen dort wachsen können. Diese mangelnden Nährstoffe werden durch die gefressenen Tiere geliefert.
Außerdem bevorzugen fleischfressende Pflanzen eine wasserreiche Umgebung, oft mit hoher Luftfeuchtigkeit. Daher sind sie oft in Mooren und tropischen Hochgebirgen zu finden – nicht in Dschungeln oder Urwäldern.
Arten von Fallen
Obwohl es nur recht wenige Arten von fleischfressenden Pflanzen gibt, haben sich einige sehr spezielle Arten von Fallen entwickelt. Ich werde die bekanntesten hier erläutern:
1. Klebefallen
Bei Klebefallen sondert die fleischfressende Pflanze ein klebriges und duftendes Sekret ab, das Insekten anlockt, die das Sekret für etwas Essbares halten. Lassen sie sich auf dem Sekret nieder, bleiben sie kleben. Die Pflanze schüttet daraufhin Verdauungsenzyme aus und verdaut das Tier.
2. Klappfallen
Die wahrscheinlich bekannteste Falle der fleischfressenden Pflanzen ist die Klappfalle, die bei der Venusfliegenfalle zu finden ist. Wird die Innenseite der Klappfalle durch ein Insekt berührt schnappt diese zu und bilden einen Hohlraum, in dem das Insekt verdaut wird.
4. Fallgrubenfallen
Bei Fallgrubenfallen besitzt die Pflanze einen mit Verdauungssekret gefüllten Kelch mit rutschigen Wänden. Fällt ein Insekt hinein, gibt es keinen Weg hinaus.
Die Beute
Wichtig zu wissen ist, dass fleischfressende Pflanzen nur Beute von einer gewissen Größe verwerten können. Ist das Tier zu groß, passt es nicht in/auf die Fallen. Ist das Tier zu klein, werden die Fallen gar nicht erst ausgelöst. Die Beute hat meist eine Größe zwischen Fliege und Frosch, kann aber je nach Pflanze variieren. Für Wirbeltiere ist eine fleischfressende Pflanze selten gefährlich – außer vielleicht eine übereifrige Maus fällt in eine Fallgrubenfalle und ertrinkt.
Tatsächlich sind fleischfressende Pflanzen für ihren dramatischen Namen enttäuschend unspektakulär, deswegen sieht man in fantastischen Büchern häufig sehr extreme Versionen dieser Pflanzen.
Fleischfressende Pflanzen und Realismus
Und hier kommen wir bei dem Problem an. Der Name „Fleischfressende Pflanze“ ist deutlich aufregender, als das was die Pflanze tatsächlich liefert – zumindest von einem narrativen Standpunkt aus. Es gibt einfach keine fleischfressenden Pflanzen, die groß genug werden, um von einem Menschen oder etwas von vergleichbarer Größe auch nur als bedrohlich bemerkt zu werden. Deswegen fallen fleischfressende Pflanzen in Geschichten meist in eine von zwei Kategorien: Deutlich fantastisch oder realistisch nur verdammt groß und mit letzterer Form bin ich oft nicht einverstanden.
Deutlich fantastische fleischfressende Pflanze
Diese Pflanze erweckt nicht den Anschein, dass sie „realistisch“ sein soll. Ihre Eigenschaften sind heftig und brutal. Zwar kann man den Einfluss von realen Lebewesen – meistens Tieren! – sehen, aber die Fantastik steht deutlich im Vordergrund. Als Beispiele sind hier die Bluteiche aus den Klippenlandchroniken von Paul Stewart zu erwähnen oder auch viel einfacher der weiße Würger aus meinem Artikel Eine eigene Pflanze für deine Welt entwickeln. Oft werden sie als aktive Jäger dargestellt und bieten in der Geschichte somit eine akute aber oft nur lokale Gefahr, weil sie sich wenig oder nur langsam bewegen.
Die realistisch-aber-verdammt-große fleischfressende Pflanze
Fleischfressende Pflanzen sind von Natur aus klein. Sie nehmen keine Nährstoffe über den Boden auf, sondern hauptsächlich über die erbeuteten Tiere. Und auch wenn die Tiere nährstoffreich sind, sind sie nicht genug, die Pflanze besonders groß wachsen zu lassen. Da ergeben gigantische Versionen dieser Pflanze einfach keinen Sinn. Auch dass diese Pflanzen dann oft in Urwäldern – mit meist nur schattigen Verhältnissen am Boden – zu finden sind, hilft mir nicht, mich in die Welt hineinzufinden.
Ich würde es lieber sehen, wenn die „realistischen“ fleischfressenden Pflanzen kleiner blieben, und die Kreativität in die deutlich fantastischen Pflanzen fließen würde. Das ist allerdings eine sehr subjektive Einschätzung und ich bin mir sicher, dass viele Lesenden das anders sehen würden.
Deswegen mein Tipp: Überlege dir bei einer realistischen aber großen Version einer fleischfressenden Pflanze gut, wie sie so groß werden konnte. Denn größere Beutetiere sind oft schlauer als Insekten und würden seltener auf oben genannte Fallen hereinfallen (vor allem wenn sie ein natürlicher Teil des Lebensraums sind), was wiederum weniger Nährstoffe und weniger Wachstum für die Pflanze bedeutet. Lehne deine fleischfressenden Pflanzen lieber an (relativ) statische Jäger aus dem Tierreich an, wie Spinnen oder Ameisenlöwen.
Was hältst du von fleischfressenden Pflanzen? Sind sie mittlerweile ein Klischee der Fantasy oder fühlen sie sich für dich neu und einzigartig an?