Im letzten Artikel – Nutzpflanzen und ihre Domestizierung – habe ich schon die verschiedenen Arten von Pflanzen vorgestellt und angerissen, wie und warum sie dem Menschen nützlich sind. Allerdings finde ich es wichtig, noch einmal ein bisschen mehr Zeit auf ihre Entstehung und Entwicklung zu verwenden. Schließlich entstehen Nutzpflanzen mit ihren Eigenschaften nicht aus dem Nichts.
Evolution und die Züchtung von Pflanzen
Wie immer beginne ich mit ein paar Definitionen. Denn auch wenn sicher bin, dass du diese Begriffe schon kennst, ist es doch wichtig, sich an ihre genaue Bedeutung zu erinnern. Evolution ist laut Duden die „stammesgeschichtliche Entwicklung von niederen zu höheren Formen des Lebendigen“ und zwar durch eine passive Anpassung an die Umwelt durch zufällige Mutationen des genetischen Materials und der natürlichen Auslese über einen sehr langen Zeitraum.
Die Züchtung ist das „Aufziehen [von Tieren und Pflanzen], besonders mit dem Ziel, durch Auswahl, Kreuzung, Paarung bestimmter Vertreter von Arten oder Rassen mit Vertretern, die andere, besondere, erwünschte Merkmale und Eigenschaften haben, eine Verbesserung zu erreichen“ (Duden).
Eine Züchtung ist also im Grunde nichts anderes als eine Evolution der – in diesem Fall – Pflanze, in der der Mensch die natürliche Auslese und die Umwelt kontrolliert. Allein auf die zufällige Mutation hat der Mensch keinen Einfluss. (Und für diesen Artikel werde ich auch so schreiben, als würde es keine zufällige Mutationen geben.)
Es ist wichtig immer im Hinterkopf zu haben, dass auch durch die Züchtung von Pflanzen, keine Eigenschaft entstehen kann, für die es vorher keine Anlagen gab. Eine Pflanze, die keine Früchte trägt, wird auch durch Zucht keine bekommen. Eine Pflanze, die keine Haftwurzeln hat, wird auch durch Zucht (erstmal) keine bekommen. Du verstehst, was ich meine.
Wenn du dir also eine neue Nutzpflanze überlegst und ihr ein wildes Äquivalent geben willst, muss eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden bestehen. Gleichzeitig musst du sicherstellen, dass es (in der wilden Form) einen Grund für die Eigenschaften gibt, die die Pflanze hat. Das möchte ich näher erläutern.
Warum entwickeln Pflanzen ihre spezifischen Eigenschaften?
Jede Eigenschaft eines jeden Lebewesens (auch bei Tieren) lässt sich auf eine Sache zurückführen:
Die Sicherung des Überlebens
Diese Sicherung des Überlebens kann man zwecks einfacherer Übersicht noch weiter aufteilen in das Überleben des Individuums und das Überleben der Art. Jede Eigenschaft einer Nutzpflanze hatte also ursprünglich den Zweck die Pflanze(n-Art) am Leben zu halten. Als nächstes werde ich auf einige Beispiele eingehen.
Warum werden Pflanzen giftig?
Pflanzen haben es schwer in der Welt. Sie können nicht weglaufen und auch Dornen, Stacheln und andere Abwehrmechanismen schützen nur bedingt vor Fressfeinden. Ein anderer Abwehrmechanismus sind Gifte. Hier hast du allerdings einige Sachen zu bedenken.
- Gifte sind „teuer“. Es kostet die Pflanzen viele Ressourcen sie aufzubauen und zu erhalten. Oft sind also nur bestimmte, besonders schützenswerte Teile der Pflanze giftig.
- Gifte sind spezifisch. Das heißt sie wirken oft nur bei bestimmten Tieren so wie sie es auch sollen. Gerade Menschen sind erstaunlich gut darin, Stoffe, die für andere Tiere giftig sind, zu essen und zu verarbeiten und manchmal sogar wegen ihres Geschmacks zu schätzen. Gifte sind also nur aus subjektiver Sicht verschiedener Arten tatsächlich Gifte.
- Gifte haben nicht den Sinn zu töten. Zwar wäre es für die Pflanzen gut und hilfreich, wenn die Fressfeinde einfach alle sterben würden, aber dafür müsste das Gift augenblicklich und heftig wirken, um den Verzehr der Pflanze aufzuhalten. Stattdessen ist es für Pflanzen sinnvoller, einfach nur abschreckend zu sein. Das tötet zwar nicht, ist aber augenblicklich hilfreich. Denke an Brennesseln oder z.B. Nicotin, ein Insektengift. Das bedeutet auch, dass die meisten Gifte – und natürlich gibt es Ausnahmen – in der Dosis, wie sie in der Pflanze existieren für den Menschen nicht giftig sind. Für die richtige Dosis müssten sie künstlich aufgearbeitet werden.
- Manche Pflanzen sind „aus Versehen“ giftig. Genau wie einige Gifte für manche Wesen einfach nicht giftig sind, können auch anders herum eigentlich ungefährliche Bestandteile einer Pflanze, für bestimmte Wesen unvorhergesehene Auswirkungen haben.
Warum haben manche Pflanzen eine heilende Wirkung?
Das ist hauptsächlich Zufall. Genauso wie einige Pflanzen Gifte zu ihrem Schutz entwickeln, können einige Stoffe auch Wirkungen haben, die nicht „geplant“ waren. Da ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch Wirkungen gibt, die z.B. die Heilung des menschlichen Körpers unterstützen.
Trotzdem können bestimmte Eigenschaften von Pflanzen durchaus von der Pflanze gewünscht sein – wie zum Beispiel eine antibakterielle Wirkung des Pflanzensaftes – , weil sie sich so auch selbst vor Infektionen und Krankheiten schützt. Dass diese Wirkung dann von den Menschen entdeckt wurde ist ein negativer Nebeneffekt für die Pflanze.
Warum sind manche Pflanzenteile absichtlich essbar?
Die Essbarkeit mancher Pflanzenteile ist durchaus erwünscht. Weil sich Pflanzen selbst nicht bewegen können, brauch sie z.B. Hilfe bei der Verteilung ihrer Samen. (Und ich benutze das Wort „Samen“ hier in seiner umgangssprachlichen und nicht in seiner botanisch korrekten Form.) Wenn die Samen in einer nährstoffhaltigen Frucht sind, dann können sie von Tieren gefressen, weit weggebracht und an anderer Stelle wieder ausgeschieden werden. Schwupps hat sich die Pflanzen in der Umwelt verteilt.
Die Pflanze entwickelt also nur einfach zugängliche Speicher wie Früchte, wenn sie davon einen signifikanten Vorteil bekommt der ihr Überleben (bzw. das Überleben der Art) sichert. Dass Dinge wie Blätter, Wurzeln und Blüten essbar sind, ist meistens von den Pflanzen nicht beabsichtigt.
Die Sicherung des Überlebens
Oben habe ich bereits angesprochen, dass jede Eigenschaft von Pflanzen im Grunde darauf ausgelegt ist, das Überleben der Pflanze oder der Art zu erhalten. Um das zu verdeutlichen, möchte ich einige dieser Strategien aufzählen und Beispiele geben. Wie immer muss ich dazu sagen, dass das hier natürlich keine vollständige Liste ist, sondern nur eine repräsentative Auswahl:
- Abschreckung von Fressfeinden durch Dornen oder Stacheln, Gifte oder Imitation von giftigen Pflanzen
- Wirkung von Fressfeinden minimieren durch schnelles Wachstum, einjährige oberirdische Strukturen oder „verstecken“
- Schutz vor Umwelteinwirkung durch Biegsamkeit oder Verholzung
- Sicherung der Nährstoff- und Wasserversorgung durch Speicher, Parasitismus oder Symbiose
- Fähigkeit sich mit vielen Pflanzen zu kreuzen für das Überleben der Art
- „Winter“schlaf der Samen, die nur durch richtige Umweltverhältnisse aufgeweckt werden
- usw.
Beim nächsten Mal wird es speziell um Holz, seine Wichtigkeit in der Kultur deiner Welt und seinen Anbau gehen.