Bei seiner Eroberung der Welt hat sich der Mensch die Natur oft zu Nutzen gemacht. Etwas, das wohl nicht unwesentlich zu der Verbreitung und Erhaltung der Menschheit beigtragen hat, ist die Domestizierung von Pflanzen und die Entwicklung der Nutzpflanzen. Wie funktioniert das? Und welche Pflanzen eignen sich besonders gut für die Nutzung durch den Menschen?
Was ist Domestizierung?
Die Domestizierung (oder auch Domestikation) ist die „allmähliche Umwandlung von Wildtieren in Haustiere oder von wild wachsenden Pflanzen in Kulturpflanzen durch den Menschen“ (Duden). Viele Menschen denken bei dem Wort Domestizierung oft nicht an Pflanzen, sondern an Hunde, Katzen oder andere Nutz- und Haustiere. Dabei ist die Veränderung von Pflanzen deutlich weiter verbreitet und erfolgreicher gewesen. Es wurden vielleicht zwei bis drei dutzend Tierarten erfolgreich für den menschlichen Nutzen gezüchtet, aber hunderte, wenn nicht tausende Pflanzenarten.
Eine „Kulturpflanze“ (aus der Definition oben) ist übrigens nur eine Pflanze, die angebaut wird. Also sind Kulturpflanzen Nutzpflanzen. Mehr steckt da nicht hinter.
Weil aber die Pflanzen gemeinsam mit ihrem Nutzen – vor allem in unserer modernen Lebensweise – immer mehr in den Hintergrund rücken, ist es nicht verwunderlich, dass kaum jemand mehr an sie denkt.
Wofür wurden/werden Pflanzen genutzt?
Bei der Frage nach dem Nutzen, öffnet man bei Pflanzen ein Fass ohne Boden. Trotzdem möchte ich dir einen Einblick geben, der über die offensichtlichen Nutzen einer Pflanze hinausgeht.
Verzehrbar von Mensch und Tier
Das erste, was dir bei Nutzpflanzen in den Sinn kommen sollte, ist, dass viele von ihnen essbar sind. Egal ob Wurzel, Knollen, Rüben, Zwiebeln, Sprossen Blätter, Samen, Früchte, Nüsse oder Nebenprdukte der Pflanze wie Zucker und Öl. Mit der Domestizierung von Pflanzen hatten die Menschen verlässliche, ungefährliche und stationäre Nahrungsquellen geschaffen. Aber denke nicht nur an die offensichtlichen Verzehrmöglichkeiten. In diese Kategorie zählen auch Gewürze, Genussmittel wie Kaffee, Tee und Tabak und Rauschmittel pflanzlichen Ursprungs wie Cannabis, aber auch Alkohol.
Außerdem müssen nicht nur die Menschen essen sondern auch die ihre Haus- und Nutztiere. Dafür werden meist andere Pflanzen angebaut, die für den Menschen nicht immer essbar sind, nämlich explizite Futterpflanzen.
Heil- und Giftpflanzen
Thematisch verwandt mit der Verzehrbarkeit von Pflanzen, sind Nutzpflanzen, die heilend oder giftig auf den menschlichen Körper wirken. Warum Heilpflanzen gezüchtet werden, ist ziemlich offensichtlich. Bei den Giftstoffen sieht das schon anders aus. Warum können Gifte nützlich sein?
Oft springen die Gedanken bei dem Begriff „Gift“ direkt zu tödlichen Mengen, aber Gifte mit leichter Wirkung oder in geringen Dosen sind sehr wandelbar in ihrer Anwendung. Zum einen hindern leichte Gifte durch z.B. eine abführende Wirkung, andere Gifte am Wirken. Zum anderen lassen sie sich kosmetisch einsetzen. Ein bekanntes Beispiel ist die Tollkirsche, die – in der richtigen Dosis !!!! – wegen ihrer pupillenvergrößernden Wirkung beliebt war. Gerade bei Giften sieht man die Kreativität der Menschheit durchscheinen.
Holz, Kork, Fasern und Bast
Holz ist eines der vielfältigsten Materialien, die es auf der Welt gibt. Es ist stabil, aber (mit Werkzeugen) formbar und ist brennbar. (Und was man alles mit Feuer anstellen kann, muss ich wohl kaum beschreiben.) Unterschiedliche Hölzer haben unterschiedliche Eigenschaften und wachsen unterschiedlich schnell und das wusste der Mensch sich schon früh zu Nutze zu machen. Auch Kork, Bast und ähnliche Materialien wie Bambus können vielfältig verwendet werden.
Zuletzt bleiben noch die Pflanzenfasern, aus denen häufig Stoffe und damit Kleidung (und vieles mehr) hergestellt werden.
Wachse, Harze, Balsame und Lack
Nebenprodukte von Pflanzen wie Wachse und Harze sind nicht unbedingt notwendig für das Überleben der Menschheit, aber haben ihre Anwendungsgebiete. Ein sehr bekanntes Beispiel sind Kaugummi/Mastix, das früher komplett durch Eintrocknen und Aushärten des Harzbalsams hergestellt wurde.
Farbstoffe und und und
Farbstoffe färben. Ich glaube nicht, dass ich dazu mehr sagen muss.
Realistisch gesehen gibt es sehr viele weitere Nutzungsmöglichkeiten von Pflanzen, aber die Genannten waren die größten Gebiete (die mir eingefallen sind).
Welche Pflanzen können Nutzpflanzen werden?
Das Gute an Pflanzen ist, dass sie – anders als Tiere – wenig Möglichkeiten haben, wegzulaufen. Damit ist die größte Hürde für die Zucht schon genommen. Zusätzlich sind die folgenden Dinge hilfreich (wenn auch nicht immer notwendig):
- schnelles Wachstum
- genügsam (wenig Nährstoff/Wasseranforderung)
- vermehrungs- und mutationsfreudig
Im Grunde brauchen (zukünftige) Nutzpflanzen alle Eigenschaften eines guten Unkrauts. Nur, dass sie eben nützliche Eigenschaften hat.
Dabei ist es im ersten Moment unwichtig, wie groß z.B. die Früchte der Pflanze sind. Solange die Anlagen stimmen, kann die Pflanze trotzdem von großem Nutzen sein. Um ein Beispiel zu sehen, wie stark sich Pflanzen verändern können, schau dir den Wildkohl an, aus dem u.a. Grün-, Kopf-, Rosen-, Blumenkohl, Brokkoli und Kohlrabi entstanden sind.
Wie wird eine Pflanze domestiziert?
Eine Pflanze wird domestiziert/gezüchtet, indem der Mensch in das Vermehrungsverhalten eingreift oder es sogar vollkommen kontrolliert. Deswegen ist es nicht einfach zu sagen, wie Domestizierung genau funktioniert, einfach weil es viele verschiedene Fortpflanzungsmethoden bei Pflanzen gibt. Aber hier eine (sehr grobe) Anleitung für die Zucht von Pflanzen:
- Finde eine Pflanze mit Früchten, Wurzeln, Holz oder Ählichem, das du gerne in Menge haben würdest.
- Hole die Pflanze zu dir aufs Feld, ins Beet oder in den Garten. (Am besten einige von ihnen.)
- An diesem Punkt ist es schon wichtig, dass du dir besonders starke/große Pflanzen (oder Samen von diesen Pflanzen) mit den Eigenschaften aussuchst, die für dich relevant sind.
- Ziehe sie auf/Probiere aus unter welchen Bedingungen sie am besten Wachsen.
- Kontrolliere die Vermehrung und stelle sicher, dass du sie nur mit Pflanzen kreuzt, die ähnlich „gute“ Voraussetzungen mitbringen.
- Wiederhole Schritt 3 und 4 so oft wie möglich, auch über mehrere Generationen.
- Ernte die – metaphorischen oder wörtlichen – Früchte deiner Arbeit.
Aus der Sicht des Worldbuildings
Wenn du eine domestizierte Pflanze für deine Welt erstellen möchtest, die es in unserer Welt nicht gibt, dann solltest du – neben den normalen Gedanken zur Erstellung einer Pflanze – über einige Dinge nachdenken:
- Was wird von der Pflanze genutzt/weiterverarbeitet?
- Weshalb muss es diese Pflanze sein und keine andere? Welche Vorteile bringt sie?
- Wie lange existiert die Pflanze schon als Teil der Kultur des Settings? Welche Auswirkungen hätte das?
- Gibt es nur eine „Sorte“? (Denke Äpfel oder Getreide)
- Wo/wie wächst diese Pflanze? Gibt es spezialisierte „Aufzuchtstationen“ wie z.B. Weinhänge, die sich in das Bild deines Settings niederschlagen würden?
- Wann/Wie wird sie geerntet?
- Wie wird die Pflanze vor Insekten/Tieren geschützt?
- Wie viel ist die Pflanze wert?
- …
Auch wenn diese Fragen nur ein oberflächliches Bild liefern und es bestimmt noch einige mehr gibt, ist das ein guter Anfangspunkt, um die Nutzpflanze mit der Kultur deiner Welt zu verweben.
Im nächsten Artikel soll es speziell um einige Gift-, Heil- und Nutzpflanzen gehen. Was sie gemeinsam haben, warum sie überhaupt entstanden sind, etc.