Rezension – Ich bin Linus von Linus Giese

Es ist für mich komisch ein Buch zu rezensieren, das im Grunde eine Autobiographie ist. Die „normalen“ Regeln eines Buches greifen einfach nicht. Was soll ich schon kritisieren oder positiv hervorheben? Die „Figuren“, den „Plot“? Es ist alles passiert, also bleibt da auch nichts zu analysieren. Dennoch wollte ich über dieses Buch schreiben, denn ich finde den Inhalt von Ich bin Linus unglaublich wichtig.
Aber zunächst zu den Daten: Ich bin Linus ist im August 2020 im Rowohlt Verlag erschienen. Linus Giese ist ein trans Mann und erzählt von seinem Leben, seinem Aktivismus und dem Hass, den seine bloße Existenz hervorruft.

Der Tag, an dem ich zum ersten Mal Linus sagte, war der Tag, an dem sich mein Leben in ein Davor und ein Danach teilte. […] Mit meinem Coming-out verlor ich das Privileg zu den „Normalen“ zu gehören — ich war plötzlich anders und davon abhängig, ob ich von anderen immer noch akzeptiert oder gemocht wurde.
– Seite 11-12

Inhalt

Linus Giese erzählt in einfacher aber emotionaler Sprache von seinem Leben. Von seinem Coming Out, den vielen Umzügen, von der Arbeit in verschiedenen Buchläden, von Freunden und von seinem Aktivismus für die trans Community.

Ich möchte und kann gar nicht viel mehr zu dem Inhalt sagen, weil das Buch so viele Themen anspricht, die ich gar nicht akkurat wiedergeben könnte, selbst wenn ich es versuchen würde. Deswegen noch ein paar Worte zum Schreibstil: Auch wenn das Buch nach Themen gegliedert ist, liest es sich mehr wie ein Gedankenfluss oder ein Gespräch mit einem Freund. Alles geschieht auf Augenhöhe und Linus Giese spricht nie zu dem Lesenden herab. Ich habe mich in diesem Schreibstil sehr wohl gefühlt.
Besonders dankbar bin ich für das Kapitel über Sprache und die Hinweise wie Worte wie „trans“, „cis“ und auch der Deadname benutzt oder explizit nicht benutzt werden sollten.

Etwas, das ich außerdem amüsant fand: Linus Giese erwähnt das Buch Sprache und Sein von Kübra Gümüşay, das bei auf dem Nachttisch liegt und ich eigentlich vor seinem Buch lesen wollte. Allerdings kam Sprache und Sein wegen Auslieferungsverzögerungen erst später an und so nahm ich sein Buch zuerst in die Hand. Zufälle gibts.

Ein paar kleine Kritiken

Das Buch hat ein paar Rechtschreibfehler. Das ist erstmal nicht schlimm und passiert in fast jedem Buch, das ich bisher gelesen habe. Stören tut es mich trotzdem ein wenig.

CN für den nächsten Absatz: Stalking, Sex und Rape

Auch wenn durch Titel, Cover und Klappentext die Thematiken des Buches schnell klar sind, hätte ich mir dennoch einige explizite Triggerwarnungen gewünscht. Die Hasskommentare und die Beschreibungen von Stalking fand ich – als jemand, der Letzteres selbst erlebt hat – sehr heftig und ich war nicht darauf vorbereitet. Auch spricht Linus sehr offen über Dysphorie, Nacktheit und Sex (und auch über zwei Erfahrungen, die ich durch das Lesen als Vergewaltigungen verstanden habe) und besonders beim letzten Punkt hätte ich mir einen expliziten Hinweis oder eine Warnung gewünscht.

Fazit

Auch wenn Ich bin Linus einfach geschrieben ist, ist es keine leichte Lektüre. Beim Lesen habe ich immer wieder Pausen eingelegt, um das Gelesene zu verarbeiten und über mich und meine eigene Weltansicht nachzudenken. Das ist eine der größten Stärken des Buches: Es regt zum Nachdenken und Hinterfragen an.

Wem würde dieses Buch gefallen?

Ich bin Linus ist keine leichte Unterhaltungslektüre, ich glaube, das habe ich bereits deutlich betont. Das Buch ist ein guter und sehr persönlicher Einstieg in Themen, die in unserer Gesellschaft kaum angesprochen werden. Wenn du dich also darüber informieren möchtest, wie es ist, in Deutschland offen trans zu sein und welche Folgen diese Öffentlichkeit mit sich bringen kann, dann wird dir dieses Buch einen Einblick geben.
Gerade weil trans Menschen in unserer Gesellschaft fast unsichtbar sind, würde ich dir raten dieses Buch in die Hand zu nehmen, um deine eigene Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit zu stärken.

Ich wünsche mir, dass wir […] großzügig und wohlwollend bleiben, denn Unwissenheit bedeutet nicht immer gleich Feindlichkeit.
– Seite 169


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2 Replies to “Rezension – Ich bin Linus von Linus Giese”

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