[Worldbuilding] Das Wachstum von Pflanzen – Licht

Der Lebensraum wirkt sich auf das Aussehen und die Entwicklung von Pflanzen aus. So weit so – weiterhin – unspektakulär. Letztes Mal habe ich dir gezeigt, wie Wasser und Nährstoffe das Wachstum von Pflanzen verändern (hier geht zu dem Artikel, falls du ihn nicht kennst). Dieses Mal bleibt also nur noch das Licht.

Die Pflanzen brauchen Licht

Wenn man als Kind eine Sache über Pflanzen lernt, dann ist es Folgendes: Sie brauchen Licht zum Wachsen. Ohne Licht gibt es keine Pflanzen. Egal ob Gras, Busch oder Baum, die Sonne ist es, was alles am Leben und Wachsen hält. Und wenn man dann ein wenig älter wird, lernt man mehr über die Photosynthese und Chlorophyll und wie das Ganze ineinandergreift. Das alles ist schön und gut und richtig, aber für das Worldbuilding meistens nicht von Belang.

Stattdessen halte ich es für wichtiger zu verstehen, wie die Pflanzen um das Licht kämpfen. Denn auch wenn man sich einige Strategien denken kann, passiert auch viel, das auf den ersten Blick gar nicht erkennbar ist. Für einen besseren Überblick habe ich die Strategien in aggressive und defensive Methoden aufgeteilt.

Der aggressive Kampf um Licht

Die erste und einfachste Strategie, um an das meiste Licht zu kommen ist ein schnelles Wachstum. Der Raum auf dem Boden ist begrenzt und Pflanzen die schnell in die Höhe schießen können oder sich schnell über eine Fläche ausbreiten können, haben einen gewaltigen Vorteil. Denn wenn sie erst einmal höher sind, als die Pflanzen um sie herum, dann werfen sie einen Schatten, was das Wachstum der kleineren Pflanzen weiter verlangsamt und somit weiter aus dem Rennen treibt.

Eine zweite Strategie ist das Ersticken der Konkurrenz. Und das sowohl im wörtlichen als auch im übertragenden Sinn. Durch ein schnelles Wachstum ist der übertragende Sinn schon abgehakt. Wörtlich gesehen gibt es Pflanzen, die sich gezielt z.B. um die Wurzeln der benachbarten Pflanzen ausbreiten und ihnen so aktiv Nährstoffe und Wasser streitig machen. Weniger Nährstoffe und Wasser bedeuten weniger Wachstum, bedeutet ein niedriger Platz, bedeutet weniger Licht.
Aber nicht nur die Wurzeln sind ein guter Ansatzpunkt. Auch am Stamm einer Pflanze hinaufzuwachsen und sie über die Zeit so eng zu umschlingen, dass sie wortwörtlich in der Umarmung zu Grunde geht, ist möglich.

Eine dritte Strategie ist Parasitismus. Warum sich selbst die Mühe machen, so hoch zu wachsen wie die höchsten Bäume? Warum nicht einfach Wurzeln in ihre Äste schlagen? Dort ist man direkt näher an der Sonne und muss sich noch nicht einmal darum kümmern, selbst an Wasser oder Nährstoffe zu kommen. Die Samen dieser Pflanzen, wie z.B. Misteln, werden von Vögeln gefressen und ausgeschieden, wenn sie auf Bäumen Rast machen. So kommen Misteln hoch hinaus ohne Energie in eingenes vertikales Wachstum stecken zu müssen.

Ausweichen und Vermeiden – Die defensiven Strategien

Wenn es an die defensiven Methoden der Pflanzen geht, sieht es ein bisschen freundlicher aus. Manche Arten haben sich darauf spezialisiert kooperativ nebeneinander zu wachsen. Anstatt mit den Pflanzen selber Art um einen Platz zu kämpfen, machen sie sich gegenseitig Platz und breiten sich aktiv in unterschiedliche Richtungen aus.

Besonders bei einjährigen oder generell kurzlebigen Pflanzen ist es gar nicht unbedingt notwendig, dass jede Pflanze einen perfekten Platz zum Wachsen findet. Stattdessen legt die Pflanze alle Energie in ihre Samen und die eigene Fortpflanzung. Hier zählt also der Fortbestand der Art über dem Überleben des Individuums.

Auch Symbiose ist eine gern gewählt Strategie. Flechten, als eine Gemeinschaft von Pilzen und Algen, sind ein Paradebeispiel dafür. Die Algen betreiben wenn es möglich ist Photosynthese und die Pilze können sich von organischem Material ernähren. So findet unter ihnen stets ein Austausch von Nährstoffen statt. Licht ist zwar hilfreich aber nicht zwingend notwendig.

Wenn die Pflanzen in der Umgebung zu aggressiv sind, bleibt immer noch das Ausweichen in eine angrenzende ökologische Nische. Zwar braucht diese Strategie seine Zeit und ist selten eine ideale Lösung für die ausweichende Pflanze, aber sie sichert das Überleben. (So sind beispielsweise fleischfressende Pflanzen entstanden, zu denen es bald einen eigenen Artikel geben wird.) Anstatt also mit schneller wachsenden Pflanzen um den besten Platz im Licht zu konkurrieren, tut es auch z.B. der Halbschatten, der das Überleben zwar schwieriger macht, aber immerhin lässt sich dort leben.

Welche Strategie ist die Beste?

Du kannst dir bestimmt schon denken, welche Antwort ich hier geben würde: Das kommt ganz darauf an. Es gibt per se keine beste Strategie. Zu sagen ist allerdings eines: Wenn die Vorgehensweise einer Pflanze zu aggressiv wird, dann schadet sie sich meistens letztendlich selber.
Zu schnelles Wachstum? Vielleicht hat die Pflanze nicht mehr genug Energie für die Herstellung von Pollen oder Samen. Oder sie wächst so viel in die Höhe, dass sie Tieren viel mehr ins Auge fällt und somit häufiger gefressen wird. Sie ersticken die Konkurrenz? Spätestens wenn alle anderen Pflanzen aus der Umgebung verschwunden sind, werden sie sich gegenseitig ersticken. Und was passiert, wenn Parasiten zu effektiv sind, muss ich wohl niemandem erklären.

Gleichzeitig wird eine Pflanze, die zu defensiv ist, auch letztendlich versagen, weil sie vollkommen aus ihren Nischen vertrieben werden wird.

Es ist wichtig, dass Pflanzen – und hier spreche ich schon von dem Blickwinkel des Worldbuildings – mehrere Möglichkeiten haben auf Situationen zu reagieren. Vielleicht kooperieren sie mit Artgenossen, wachsen aber dennoch schnell in die Höhe, besonders wenn sie „allein“ sind. Spezialisten sterben immer schneller als Generalisten. Je enger die Nische der Pflanze, je höher die spezfischen Anforderungen an ihren Lebensraum, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie langfristig überlebt.

Beim nächsten Mal zeige ich dir an ein paar Beispielen, wie ich einige Pflanzen entworfen habe.


Haben dich meine Artikel dazu inspiriert, eigene Pflanzen zu entwerfen? Ich freue mich, davon in den Kommentaren zu hören.

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