Fackeln und Kerzen sind in mittelalterlicher Fantasy zu Hauf anzutreffen. Es scheint auch logisch. Öllampen waren teuer in der Herstellung und deswegen nicht für alle Menschen erschwinglich, da bleiben doch nur Fackeln und Kerzen als (tragbares und) günstiges Licht. Also werden Abenteurer, Helden, aber auch Burgen und Häuser großzügig mit ihnen ausgestattet, um sie Tag und Nacht zu erleuchten. Aber Fackeln und Kerzen funktionieren nicht so wie die meisten Menschen sich das vorstellen und vor allem nicht so, wie sie in vielen Geschichten verwendet werden.
(Ein kleiner Hinweis: Dieser Artikel ist ziemlich lang, aber ich wollte ihn nicht aufteilen, weil er ein einmaliger Ausflug in dieses Thema sein sollte. Hoffentlich hast du beim Lesen trotzdem Spaß.)
Elektrisches Licht
Mit der Verbreitung von Elektrizität und von elektrischem Licht hat sich der Alltag der Menschen verändert. Im Speziellen ist es den Menschen heutzutage wortwörtlich möglich, die Nacht zum Tag zu machen. Alles, was man tagsüber machen kann, lässt sich genausogut nachts erledigen – zumindest wenn es um die Lichtverhältnisse geht. Und weil dieser Fakt so in unserem Denken verankert ist, ist es nur natürlich, dass wir versuchen, diese Einstellung auf die Zeiten anzuwenden, zu denen Licht ein wertvolles Gut war.
Deswegen möchte ich gleich zu Anfang betonen: Es ist ein sehr moderner Gedanke, dass man nicht von Licht eingeschränkt ist. Früher war es ganz normal, dass manche Aktivitäten nach Sonnenuntergang einfach nicht mehr möglich waren und bis zum nächsten Tag warten mussten. Trotzdem war es nicht grundsätzlich dunkel. Die Menschen haben nur deutlich mehr darüber nachgedacht, welche Orte sie mit wie viel Licht beleuchten und wie viele Ressourcen sie dafür verwenden wollten.
Licht ohne Elektrizität
Wenn es darum geht, potentielle Lichtquellen zu benennen, tun sich die meisten Menschen nicht allzu schwer. Die offensichtliche (und oft korrekte) Antwort ist Feuer. Wo sich das Feuer genau befindet, unterscheidet sich je nach Situation. In diesem Artikel möchte ich mich hauptsächlich auf tragbares Licht konzentrieren. Zum einen, weil diese Art von Licht in meiner Erfahrung öfter in Geschichten vorkommt, aber auch, weil es bis zu der Einführung des elektrischen Licht kein fest installiertes Licht gab. Es gab Halterungen, in denen man sein tragbares Licht verstauen konnte, aber bis auf den Kamin konnte man fast jede Lichtquelle mit sich herumtragen.
Kerzen
Dass Kerzen nur oder hauptsächlich aus Bienenwachs hergestellt werden, ist ein Gedanke aus dem Mittelalter. Die christliche Kirche stellte den Anspruch, dass alle Kerzen, die innerhalb der Kirchen verwendet wurden, aus Bienenwachs sein mussten. Da Bienenwachs allerdings vergleichsweise schwierig zu beschaffen und teuer aufzubereiten ist, waren auch diese Kerzen von entsprechendem Gegenwert und für den normalen Bedarf eines arbeitenden Menschen kaum zu bezahlen.
Stattdessen gab es schon tausende Jahre vorher Methoden, kostengünstige Kerzen herzustellen. Trotzdem war ihr Aufbau immer ähnlich. Es gab einen Docht aus dünnem Holz, Binsen, Ried oder vergleichbarem Material, das in ein Fett oder anderes brennbares Material wie Pech, Talg oder Öl getaucht wurde.
Der Vorteil der Bienenwachskerzen ist, dass sie eine relativ lange Brennzeit im Vergleich zu den anderen Kerzen haben, weniger Dreck machen und kaum Eigengeruch haben. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum sie in der Kirche so beliebt waren.
Was heißt das für dein Worldbuilding?
Versuche die Art der Kerzen an den Stand deiner Figuren anzupassen. Jemand aus einem ärmlichen Elternhaus wird sich keine Bienenwachskerzen leisten können und z.B. auf günstigere Binsenlichter zurückgreifen, die schneller ausbrennen, rußen und wegen des minderwertigen und ungereinigten Fettes, das für sie verwendet wurde, stark riechen. Eine andere Figur mit adeligem Hintergrund wird sich allerdings sehr wohl teurere Kerzen leisten können, die vielleicht sogar parfümiert sind.
Ein kleiner Fun Fact: Indem man einzelne Körner Schwarzpulver in regelmäßigen Abständen in den Docht einarbeitet, lässt sich rudimentär die Zeit einteilen. Das Schwarzpulver ist nicht stark genug, um die Kerze zu zerstören, erzeugt aber einen leisen Knall – eher ein Knacken – der das Verstreichen eines gewissen Zeitraumes ankündigt. Auch das kann den Preis einer Kerze in die Höhe treiben.
Fackeln
Fackeln sind wohl die häufigste Lichtquelle in Geschichten. Und sie sind die Lichtquelle, die meistens sehr falsch dargestellt wird. Wurden sie benutzt? Bestimmt. Aber eben nicht so, wie sie in Geschichten gerne dargestellt werden.
1. Ressourcen
Eine Fackel ist in Geschichten meist nur ein Holzstab, der an einem Ende brennt. Dieses Ende ist vielleicht in Leinen oder ein vergleichbares Material gewickelt, das in Öl, Pech oder vergleichbarem getränkt ist. Aber das ist auch schon das höchste der Gefühle. Ich möchte nicht sagen, dass Fackeln zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte so aussahen, aber oft waren sie ein wenig ausgearbeiteter.
Zuerst einmal: Fackeln waren wiederverwendbar! Gebrannt hat der Leinen (o.ä.), in dem die Spitze eingewickelt war, aber wenn die Fackel aus hochwertigem Holz bestand, konnte sie oftmals wiedervendet werden, weil das Holz nur ein wenig verrußte, aber nicht selbst Feuer fing. Sobald man den Leinen austauschte hatte man im Grunde eine neue Fackel.
Außerdem hatten Fackeln oft einen „Handschutz“ ähnlich dem (Voll)Korb eines Degens oder ein „Auffangbecken“, das die Hand vor herunterfallender Asche oder tropfendem Pech/Öl schützen sollte.
2. Brennzeit
Die Brennzeit einer Fackel variiert je nach der Fackel, dem verwendeten Material und den Wetterverhältnissen. Allerdings lässt sich sagen, dass eine Fackel eher kurz brannte. Denke in der Größenordnung von 20 – 40 Minuten. Das heißt auch, sie als „Lampen“ zur Erhellung von Räumen zu benutzen, ist nicht sehr sinnvoll, weil man sie ständig austauschen müsste.
Zwar gibt es spezielle Fackeln, die für z.B. große Festlichkeiten hergestellt wurden, die über Stunden brannten. Aber diese hatten eher die Länge von Lanzen und dort war auch vorgesehen, dass das Holz (ver)brannte. Sie waren also nicht wiederverwertbar.
3. Rauch, Dreck und Geruch
Fackeln produzieren Rauch. Sie also in geschlossenen Räumen als Lichtquelle zu benutzen, ist eine schlechte Idee. Sie produzieren außerdem nicht wenig Dreck in Form von Asche und Ruß, was man auch beides am besten nicht ständig wegputzen möchte. Und je nach Herstellungsmaterial wie z.B. Teer ist der Geruch – sagen wir – gewöhnungsbedürftig. Es spricht also für ihre Nutzung alles dafür, sie ausschließlich draußen zu verwenden. (Oder nur für einen sehr kurzen Zeitraum.)
Außerdem können Fackeln überraschend laut sein. Vor allem wenn man sie schnell bewegt.
4. Effektivität als Lichtquelle
Fackeln bieten deutlich mehr Licht als Kerzen, ihr Lichtschein hat vielleicht einen Durchmesser von ein paar Metern. Denke außerdem daran, dass deine eigene Sicht ins Dunkle deutlich vermindert wird, wenn du im Licht stehst, dich aber alle anderen Menschen von weitem sehen können. Übrigens: Wenn du mit einer Fackel in der Hand möglichst viel sehen möchtest, hältst du sie möglichst hoch hinter dich/deinen Kopf. Denn die Flamme direkt vor deinem Gesicht blendet dich nur. Das wird in Filmen sehr gerne falsch gemacht.
Wenn eine Fackel aber so viele Nachteile hat, wie oben beschrieben, warum und wann wurde sie dann überhaupt benutzt? Zu dem warum: Eine Fackel kann – je nach Material – relativ ressourcenarm und kostengünstig hergestellt werden. Das genügt oft schon, um ihre Benutzung zu rechtfertigen. Zu dem wann: Wahrscheinlich wurde sie für kleine Gänge nach draußen benutzt, wenn es nachts schon dunkel war. Haben die Hühner angefangen zu gackern und du weißt nicht warum? Eben eine Fackel anzünden und nachschauen gehen. Oder möchtest du zu Kriegszeiten einen Feind in der Ferne verängstigen? Zünde Fackeln an, um deine Stärke zu demostrieren. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, aber nicht universell.
Lampen
Zuletzt bleiben noch Lampen als lichtbringendes Werkzeug. Sie können mit Öl oder auch mit Kerzen Licht bringen und zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie das Feuer in ihrem Inneren vor Wind schützen. Oft bieten sie zwar weniger Licht als Fackeln, aber sie machen weniger Dreck, brennen länger und sind mit ihrem Materialiengewicht leichter auf eine Reise mitzunehmen.
Allerdings kann ihre Erstanschaffung – je nach Material und „Design“ – relativ teuer sein.
Exkurs: Glas als Windschutz
Glas war zwar nicht unbedingt eine Seltenheit (je nachdem wo und wann man sich genau befindet) aber bis zur industriellen Revolution war (hochqualitatives) Glas eine sehr teure Ressource und somit für den einfachen arbeitenden Menschen nicht unbedingt erschwinglich. Trotzdem ist Glas oft das erste Material, an das man denkt, wenn es an den Windschutz einer Flamme im Zusammenhang von Licht geht. Glas ist zwar ein guter und naheliegender Windschutz, weil es so viel Licht durchlässt, aber es war für den durchschnittlichen Menschen oft zu teuer.
Stattdessen wurden bei Laternen Materialien wie Horn, Papier, andere Pflanzenfasern oder dünner aber stabiler Stoff genutzt, um den Wind fernzuhalten. Zwar dimmen diese Materialien das Licht ein wenig, sind aber bezahlbar. Außerdem konnte man diese Materialien bemalen oder hineinschnitzen, damit das Licht schöne Muster an die Wände warf.
Was wird beleuchtet? Wo gibt es viel Licht?
Das ist schwierig zu sagen und hängt ganz davon ab, in was für einem Haushalt man sich befindet. Die Küche ist ein natürlicher Ort, in dem oft ein wenig Licht herrscht, weil auch mit Feuer gekocht wird – auch wenn dieses Feuer oft relativ klein gehalten und offensichtlich unter Töpfen und Pfannen war. (Die Hauptaufgabe dieses Feuers war die Hitze, nicht sein Licht.)
In Wohnräumen beim Essen gab es oft Licht. Ansonsten kann ich dir nur raten, deine Kreativität spielen zu lassen. Schreibst du über einen Mönch der unbedingt ein Manuskript fertigstellen will/muss? Dann wird er dafür sorgen, dass er ausreichend (Kerzen)Licht hat. Vielleicht stickt dein Protagonist als Zeitvertreib. Wenn die Stoffe ausreichend kontrastreich sind, ist gar nicht so viel Licht nötig. Eine einzelne Kerze könnte reichen.
Denke nur daran, dass die Häuser und Räume selbst kein Licht hatten. In ausreichend reichen Haushalten, hatten die Menschen ihre eigenen Lichter, die sie mit sich genommen haben, um den Weg zu erleuchten. Das Haus selbst blieb dunkel.
Sehen ohne künstliches Licht
Etwas, das wir uns in unserer dauererhellten Welt gar nicht mehr vorstellen können, ist, dass künstliches Licht oft gar nicht notwendig war. Je nach Jahreszeit (denke z.B. Schnee), dem Stand des Mondes, den Sternen, Wolkenbehang und Pflanzen in der Umgebung sind nachts gar keine zusätzlichen Lichter nötig, um sich bewegen und orientieren zu können. Die Sicht ist ausreichend.
Zwei Fun Facts über das Sehen im Dunkeln
Menschen können im Dunkeln nur noch schwarz weiß sehen, weil unsere Farbrezeptoren (= Zäpfchen) in den Augen mehr Licht benötigen, um Farben einordnen zu können. Stattdessen findet das Sehen in der Dunkelheit nur noch über die Stäbchen statt, die zwar Helligkeit aber keine Farben einordnen können. Und ein weiterer Fun Fact: Weil die Zäpfchen im „Mittelpunkt“ der Netzhaut dichter liegen und die Stäbchen am Rand häufiger vorkommen, kann es passieren, dass das periphäre Sehen in der Nacht besser ist als am Tag. Daran kann es auch liegen, dass man am Rand seines Sichtfelds sich auf einmal etwas bewegen sieht. Man hat einfach ein (geringfügig) weiteres Sichtfeld und das Gehirn ist nicht daran gewöhnt. Aber angsteinflößend ist es dennoch.
Natürlich lassen sich im Dunkeln nicht unbedingt Details ausmachen, aber wenn es darum geht von Punkt A nach Punkt B zu kommen, ist es absolut möglich.
Die magische Erleuchtung deiner Welt
In einer fantastischen Welt hast du natürlich die einzigartige Möglichkeit, dir magische Lichtquellen auszudenken. Weil Magie aber so vielfältig sein kann, möchte ich dir keine allgemeinen Tipps mitgeben, sondern einen kleinen Fragenkatalog mit Dingen, die du dir überlegen solltest, bevor du magisches Licht in deine Welt einbaust:
- Wie teuer ist magisches Licht? Wer kann es sich leisten?
- Wie lange hält es? Gibt es ein Äquivalent zu ausgebrannten Glühbirnen? Gibt es (gefährliche) Fehlfunktionen? Muss man etwas bei der Entsorgung beachten?
- Wer ist für die Herstellung verantwortlich? Welche Materialien werden für die Herstellung benötigt?
- Gibt es Licht „nur“ privat als Licht in den Häusern oder gibt es auch „öffentliches“ Licht wie Straßenlaternen?
- Gibt es einen Unterschied zwischen festem Licht (wie Deckenlampen) und tragbarem Licht (wie Taschenlampen)?
- usw.
Ich bin mir sicher, dass du beim Licht noch deutlich tiefer in das Worldbuilding gehen kannst, aber diese Fragen genügen für die erste Entwicklung.
Ich hoffe, dieser zugegebenermaßen sehr lange Artikel hat dir einen kleinen Einblick in das Licht deiner Welt gegeben. Hast du etwas Neues gelernt? Was hat dich am Meisten überrascht?
Richtig cooler Artikel, vielen Dank. Damit hast du mir noch ein paar Ideen gegeben.
Immer wieder gerne! 🙂
Ein sehr schöner Beitrag, danke dafür. Das Thema in diesem breiten Spektrum habe ich noch gar nicht wahrgenommen (speziell die Fakeln und Lampen mit Stoffbezug und dergleichen).
Ich freue mich jedes Mal über einen deiner Beiträge 🙂
🙂 Wie schön, dass ich dir einen Anstoß geben konnte!