Wie schreibst du einen „natürlichen“ Konflikt?

In den meisten, wenn nicht sogar allen, Geschichten kommt es früher oder später zu einem verbalen Konflikt zwischen den Figuren, einer Konfrontation. Doch Dialoge sind an sich schon eine schwierige Angelegenheit und wenn dann auch noch so viel Emotion, Frust und Wut aufeinandertreffen, wird es noch viel schwieriger. Schnell werden die Dialoge holzig und verlieren ihre Glaubwürdigkeit.

Der Kern von einem Konflikt

Die Schwierigkeit ist, dass Konflikte (und damit auch eine Konfrontation in dieser Art) emotionsgeleitet sind. Die Logik scheint erst einmal zweitranging. Aber wenn man einfach nur drauf losschreibt und einen Streit ohne Regeln und Verbindung schafft, funktioniert er nicht. Es gibt tatsächlich einige Richtlinien in einem Streit, die jeder von uns kennt, aber oft nicht benennen kann. Ich versuche, es auf kleine Schritte herunterzubrechen.

Vielleicht zu Beginn ein kleines Wort der Warnung: Wenn du diesen Ablauf einmal weißt, dann wirst du merken, dass fast jeder Streit nach demselben Muser abläuft. Auch im echten Leben, eigentlich besonders im echten Leben. Vielleicht wird mal ein Schritt übersprungen oder kommt in leicht abgewandelter Form vor, aber letztendlich bleibt es dasselbe. Das kann eine gute Sache sein – wenn jemand einen Streit beginnen will, aber man zu umgehen weiß, wie er eskaliert – kann aber auch schaden, weil Menschen in emotionalen Zuständen es generell nicht so toll finden, wenn man sie analysiert. Aber das nur am Rande.

Der Auslöser

Der beste Tipp, den ich in diesem Zusammenhang jemals gehört habe, ist Folgender: „Es geht nie um die Milch“. Was bedeutet das? Das zeige ich am Besten an einem Beispiel: Ein Mann kommt vom Einkaufen zurück und merkt beim Einräumen, dass die Milch alle ist. Wütend läuft er mit dem leeren Karton zu seinem Partner. Jetzt war er schon einkaufen, da hätte er ihm auch sagen können, dass die Milch alle ist! Verdammt nochmal, jetzt hat er nichts für seinen Kaffee morgen, und er muss noch einmal einkaufen fahren! Wütend stürmt er davon und kanllt die Tür hinter sich zu.
Seine Reaktion, sein Wutausbruch, ist erschreckend heftig für so eine Kleinigkeit wie eine vergessene Milch. Das ist, weil es ihm in dem Streit wahrscheinlich nicht um die Milch geht.

Der Auslöser für einen Streit und der Grund für einen Streit sind oft grundverschiedene Dinge. Stelle dir also für den Anfang des Konflikts immer zwei Fragen:

  • Was ist der Auslöser für den Konflikt?
  • Worum geht es in dem Konflikt wirklich?

Die Eskalation

Wenn nun – um die kleine Geschichte von oben fortzuspinnen – der einkaufende Mann aber nicht sofort wegläuft, sondern seinem Partner Zeit zu antworten gibt, ist es nur wahrscheinlich, dass der Streit eskaliert. Ein Vorwurf führt zu einer Verteidigung („Ich wusste nicht, dass die Milch alle ist …“) und oft zu einer Gegenanschuldigung („… du stellst doch immer den leeren Karton zurück!“) Dieses Vorwurf-Verteidgung Spiel kann ein paar Mal hin und her gehen, bis zu einer (falschen/übertriebenen) Verallgemeinerung. „Es ist immer dasselbe mit dir. Immer muss ich hinter dir herräumen. Nie kannst du was selbstständig machen.“ Worte, die Absolute beschreiben wie „immer“ und „nie“ fallen in dieser Phase besonders häufig. Auch diese Verallgemeinerungen können hin und her geschoben werden und jede davon bringt uns näher an den Kern und eigentlichen Ursprung des Streits.
Außerdem fallen in dieser Phase des Streits gerne Beleidigungen und Schimpfwörter, die allerdings oft nur zur Unterstreichung des Vorwurfes dienen und nicht (unbedingt) verletzen soll. („Nie kannst du was selbstständig machen. Ich hab das Gefühl, ich lebe mit einem Kleinkind!“)

Hier befinden wir uns in einer kritischen Situation. Entweder gibt eine der Figuren nach – häufig mit einem Grummeln – oder der Streit eskaliert weiter.

Wenn man keine Zeit hat nachzudenken, sagt man die Wahrheit

Ein Konflikt/Streit an sich dauert normalerweise nicht besonders lange. Der Aufbau dahin und die Nachwirkungen sind oft lange spürbar – und sollten es auch in deiner Geschichte sein – aber der Streit an sich, ist kurz, sehr emotional und hochexplosiv. Die Beteiligten reden/schreien über einander hinweg und es kommt die letzte Phase des Streits, die ihn normalerweise auch ziemlich schnell beendet:

Jemand sagt etwas, das nicht so gemeint war. Aber das stimmt nicht ganz. In meiner Erfahrung hat man das, was man sagt, schon gemeint, aber normalerweise wollte man den Gegenüber nicht verletzen. Und in einem Streit, bei dem man keine Zeit hat nachzudenken, rutschen einem keine Lügen heraus, sondern schlecht und verletzend formulierte Wahrheiten. Und sobald der Streit von Vorwürfen zu einer tatsächlich verletzenden Aussage kommt, ist der Ausbruch oft vorbei. Oft kommt es zu einer Pause, in der der Sprechende realisiert wie verletzend das war, was gesagt wurde, die Wut verpufft, und der Verletzte entfernt sich von der Situation und dem Gegenüber – emotional und physisch.

Manchmal versucht der Sprechende noch sich zu entschuldigen, aber die Wunde ist frisch und oft fällt die Entschuldigung auf taube Ohren.

Die unterschiedlichen Ausdrucksweisen der Emotionalität

Zuletzt lohnt es sich, darüber nachzudenken, wie sich starke Emotionalität bei deinen Figuren äußert, denn das kann viel für die Stimme tun, in der sie sich streiten. Die Möglichkeiten sind vielfältig und ich rate dir dazu, gut darüber nachzudenken, wie sich Wut bei deinen Figuren äußert. Versuche vielleicht einen Grund dafür zu finden, warum sich die Wut so ausdrückt. Mussten sie in ihrem Leben viel Wut von anderen aushalten und konnten sich nicht dagegen wehren und nicht wiedersprechen? Dann ziehen sie vielleicht emotionale Mauern hoch und lassen Vorwurf, Wut und Beleidigung über sich ergehen, in der Hoffnung, dass es dann schnell vorbei ist.

Menschen mit anderem Hintergrund kommen Tränen der Wut, die sie oft noch wütender machen, weil sie wegen der Tränen nie ernst genommen werden.
Andere versuchen den Streit um jeden Fall zu vermeiden. Viele Entschuldigungen in der Anfangsphase, Versprechen es besser zu machen und Schuld-auf-sich-laden.
Wieder andere versuchen ihre Wut-Energie zum kompensieren und laufen bei dem Streit die ganze Zeit auf und ab oder gestikulieren wild.

Wut ist schwierig, aber ich hoffe, dass ich dir mit diesem Artikel ein paar gute Ansätze geben konnte.


Schreibst du gerne Konflikte?

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5 Replies to “Wie schreibst du einen „natürlichen“ Konflikt?”

  1. Jürgen Albers says:

    Hallo Sina,
    wieder einmal ein schöner Beitrag und ein wichtiges Thema. Leider liest man zu häufig Konfliktbeschreibungen, die einfach schlicht so nie stattfinden würden in der Realität. In meinen Vorlesungen benutze ich immer die Konflikttreppe nach Glasl, an der man sich auch beim Schreiben gut entlanghangeln kann. Auf Wikipedia steht eine ganz gute Einführung, wenn man/frau sich einlesen möchte.
    LG, Jürgen

    Antworten
    1. Sina Bennhardt says:

      Die Konflikttreppe kenne ich noch gar nicht! Da werde ich mal nachschauen, was da so drinsteht.
      Danke für den Tipp! 🙂

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  2. schreibfaehe says:

    Hallo, Sina,
    ich kenne zum Schreiben des Konflikts das psychologische Modell das „Dramadreieck“ – tatsächlich beschreibt es ein ähnliches Vorgehen, wie du es schreibst.
    Wie der Konflikt aber enden kann – nämlich mit der Wahrheit – dieses Detail ist mir entfallen. Das hilft mir jetzt bei meiner Kurzgeschichte weiter!
    Vielen Dank!

    Antworten
    1. Sina Bennhardt says:

      Freut mich, dass ich dir einen neuen Anstoß geben konnte!
      Ich habe hier in den Kommentaren schon den Hinweis auf die Konflikteskalation nach Friedrich Glasl bekommen und habe das Gefühl, dass ich einen Nachfolgeartikel mit Hinweise zu dem Dramadreieck und dieser Konflikteskalation zu schreiben 😀 Denn das beides scheinen beliebte Methoden zu sein und ich kannte beide noch nicht!

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  3. schreibfaehe says:

    Ach wie cool! Konflikteskalation nach Friedrich Glasl kenne ich auch nicht. Freue mich auf den Nachfolgeartikel :).

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