Der Lebensraum – und damit auch Wasser, Licht und Nährstoffe – wirkt sich auf das Wachstum der Pflanzen aus. Eine revolutionäre Entdeckung, ich weiß. Trotzdem möchte ich hier einmal kurz zusammenfassen, welche Arten von Pflanzen du in welchen klimatischen Bedingungen erwarten kannst und vor allem, wie sie sich an das jeweilige Klima angepasst haben.
Die Schwierigkeiten des Lebensraums
Ich habe lange überlegt, wie ich an dieses Thema herangehe und wie sehr ich ins Detail gehe. Ich untertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich diesen Artikel mindestens zwanzig Mal angefangen und wieder verworfen habe. Zuerst wollte ich mich an den Vegetationszonen (auch Florenzonen) aus der Geobotanik orientieren, aber ich habe schnell gemerkt, dass es wohl den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Trotzdem kann ich dir – wenn Interesse besteht – diesen Artikel von Wikipedia empfehlen, der ein wunderbarer Absprungpunkt für eigene Recherche ist: Vegetationszone (wikipedia)
Auch meine gefühlt hundert Ansätze danach waren nicht vielversprechender. Aber endlich habe ich eine Herangehensweise gefunden, mit der ich relativ zufrieden bin:
Mithilfe der drei Voraussetzungen für pflanzliches Leben – die ich im nächsten Abschnitt erläutere – kannst du einfache Grundregeln ableiten, wie Pflanzen aussehen können. Und ich möchte an dieser Stelle schon betonen, dass genau wie die Tierwelt auch die Pflanzenwelt 1001 Methoden hat, sich an dieselben Umstände anzupassen. Die Beispiele, die ich nennen werde, sind nicht die ultimativen Antworten. Sie sind nur verbreitete Anpassungsmethoden und für dich Punkte, an denen du weiterspinnen kannst.
Was braucht eine Pflanze zum Leben?
Das klingt im ersten Moment sehr banal, kann dir aber helfen zu verstehen, wie Pflanzen funktionieren. Im Grunde brauchen Pflanzen nur zwei Dinge: Nährstoffe und Licht. Das Licht benötigen sie um Photosynthese zu betreiben, also um Energie aufzubauen, und die Nährstoffe als Baumaterial. Um die Nährstoffe aufnehmen zu können, müssen sie meist in Wasser gelöst sein.
Also steht Wasser eigentlich auch auf der Liste, der unbedingt benötigten Dinge. Außerdem ist das Wasser in Pflanzen ohne Verholzung wichtig für die Struktur der Pflanze (Stichwort: Welken). Das Wasser begrenzt auch wie nah Pflanzen an den polaren Kreisen leben können: Wenn es kein flüssiges Wasser gibt, können auch keine Pflanzen existieren. Aber schauen wir uns das Wasser doch direkt genauer an.
Wasser – Das Zeichen für Leben
Die komplexesten Auswirkungen auf das Aussehen von Pflanzen hat, ein Übermaß oder das Fehlen von Wasser. Beginnen wir also direkt dort. (Falls du irgendwelche Begriffe in diesem Artikel nicht verstehst, dann schau in dem letzten Artikel Flora – Ein paar Erklärungen und Definitionen nach. Dort habe ich alles, was du hier wissen musst, erklärt.)
Zu wenig Wasser
Ich möchte gleich am Anfang betonen, dass fehlendes Wasser erst einmal nichts Hitze zu tun hat. Es ist zwar einfach, bei „zu wenig Wasser“ direkt an Wüsten und heiße Temperaturen zu denken, aber davon möchte ich mich gedanklich direkt entfernen. „Zu wenig Wasser“ bedeutet erst einmal nur zu wenig (flüssiger!) Niederschlag und das kann in allen Breitengraden passieren.
Um also mit wenig Wasser auszukommen, haben Pflanzen verschiedene Strategien entwickelnt, die gleichzeitig oder unabhängig voneinander eingesetzt werden können:
- Wasserspeicherung
Wasser kann in den Blättern, dem Stamm (wenn es denn einen gibt) oder den Wurzeln gespeichert werden. Je nachdem wie extrem die Speicherfähigkeit der Gewebe ist, kann die Pflanze sogar komplett ihre Form verändern, wenn sie Wasser aufgenommen hat. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Afrikanische Baobab, auch Affenbrotbaum genannt, dessen Stamm angeblich bis zu 150 000 Liter Wasser speichern kann. Ganz so extrem gehen die meisten Pflanzen allerdings nicht vor. Verbreiteter sind beispielsweise fleischige Blätter wie bei Sukkulenten. - Verhinderung von Wasserverlust
Um dem Wassermangel vorzubeugen, muss auch der Verlust von Wasser durch Verdunstung/Transpiration minimiert werden. Viele Pflanzen produzieren deshalb dicke Cuticulas, die man sogar mit dem bloßen Auge sehen kann. Zusätzlich wird die Oberfläche der Pflanzen minimiert. Das bedeutet wenige fleischige (oder sogar gar keine) Blätter – denke an Kakteen, denn Kakteen haben botanisch gesehen keine Blätter, nur Dornen – oder in nicht ganz so extremen Fällen nadelartige Blätter mit dicker Cuticula wie bei Nadelbäumen. - Alternative Wasserquellen finden
Manchmal werden Pflanzen auch versuchen alternative Wasserquellen zu finden als das Wasser durch Niederschlag. Tiefe Wurzeln bis zum Grundwasser oder fächerartige Blätter, die den Morgentau sammeln und sich über den Tag hinweg zusammenziehen, um die Oberfläche zu verkleinern, sind nur zwei der vielfältigen Methoden.
Zu viel Wasser
Wenn eine Pflanze regelmäßig zu viel Wasser bekommt, wird sie versuchen die Wasseraufnahme zu minimieren und den eigenen Wasserverlust zu maximieren. Im Grunde wird sie also das Gegenteil von den oben beschriebenen Pflanzen tun: Viele, dünne Blätter mit großer Oberfläche und wenig Cuticula für möglichst hohe Transpiration und keine (oder nur wenig) Speicherungsmöglichkeiten von Wasser. Außerdem können Stelz- oder Brettwurzeln helfen, die Aufnahme von Wasser aus dem Boden zu minimieren. Auch Atemwurzeln sind verbreitet, wenn der Boden dauerhaft mit Wasser gesättigt ist.
Nährstoffe – Die Begrenzung der Größe
Eine Pflanze braucht Nährstoffe, um zu wachsen und – naja – letztendlich am Leben zu bleiben. Genau wie es bei Tieren auch ist. Der Unterschied ist allerdings, dass die meisten Pflanzen sich nicht einen Ort aussuchen können, der unbedingt die Nährstoffe bereit hält, die sie braucht. Was also tun, wenn Nährstoffe fehlen?
Zu wenig Nährstoffe
- Nährstoffspeicherung
Nährstoffe können, wenn auch oft nicht ganz so effizient wie Wasser, in Blättern, Wurzeln und Stengeln/Stamm gespeichert werden. Diese Art der Nährstoffspeicherung wird allerdings häufiger bei der Samenentwicklung genutzt und hilft somit dabei, die nachfolgenden Generationen der Pflanze am Leben zu halten.
- Symbiose
Fehlt es in einem Lebensraum nur an bestimmten Nährstoffen, sind Symbiosen – also das Zusammenleben zweier Arten zu gegenseitigem Nutzen – sehr verbreitet. (Wie das genau aussehen kann beschreibe ich im nächsten Artikel.) - Verringerung der Größe
Die einfachste und verbreitetste Methode von Pflanzen, sich auf wenige Nährstoffe einzustellen, ist ein langsames Wachstum – weil wachsen viele Nährstoffe verbraucht – und eine geringe Größe – kleine Organismen benötigen weniger Nährstoffe als Große. Die Pflanze hört also irgendwann einfach auf zu wachsen. Das bedeutet auch, dass ab einem bestimmten niedrigen Nährstoffgehalt große Pflanzen wie z.B. Bäume einfach gar nicht mehr wachsen.
Zu viele Nährstoffe
So etwas wie „zu viele“ Nährstoffe gibt es in der Natur nicht. Sie würden verwertet werden, bevor es ein „zu viel“ würde. Erst durch die künstliche Einführung von Düngern und damit einer Übersättigung – effektiv einer Vergiftung – des Bodens lässt sich das System aus dem Gleichgewicht bringen. Die Pflanzen sind nicht darauf ausgelegt, dass – meistens nur ein einzelner – Nährstoff in viel zu hoher Konzentration verhanden ist und haben keine Möglichkeit den überschüssigen Nährstoff auszuscheiden.
Ein natürlich nährstoffreicher Boden wird zu schnellem Wachstum und großen Pflanzen führen. Als „zu viel“ würde ich einen Nährstoffreichen Boden allerdings nicht beschreiben.
Ein Wort zu Dornen und Stacheln
Sind Nährstoffe und Wasser knapp, werden Pflanzen alles tun, um ihre Ressourcen – also ihre Speicher – zu schützen. Gleichzeitig sind gerade diese Speicher unglaublich verlockende Nahrungsquellen für die umliegende Tierwelt.
Deswegen haben Pflanzen in trockenen und nährstoffarmen Lebensräumen sehr häufig Stacheln oder Dornen. Kakteen, Akazien und aber auch Kastanien (zum Schutz der Frucht) sind nur einige wenige Beispiele davon. Und weil dieser kleine Exkurs unvollständig wäre, ohne zu erwähnen, dass die meisten Menschen Stacheln und Dornen verwechseln, hier einmal die Definitionen:
Ein Stachel ist eine „(bei bestimmten Pflanzen) spitze, harte Bildung der äußeren Zellschicht (die im Unterschied zum Dorn kein umgewandeltes Blatt, Blattteil o. Ä. ist)“ (Duden). Um es bildlich zu erklären: Stacheln sehen meistens „aufgesetzt“ aus und brechen leicht ab. Eine Rose ist dafür ein perfektes Beispiel, auch wenn ihr im Volksmund der Dorn zugeschrieben wird.
Ein Dorn ist im Gegensatz dazu ein „zu einem spitzen, starren Gebilde umgewandelter Pflanzenteil (im Unterschied zum Stachel)“ (Duden). Und – anders als die allgemeine Verwendung es vermuten lassen würde – Kakteen haben beispielsweise Dornen, auch wenn sie oft als stachelig beschrieben werden.
Fortsetzung folgt …
Weil dieser Artikel schon eine gewisse Länge erreicht hat und ich noch viel zu sagen habe, unterbreche ich hier. Im nächsten Artikel werde ich dir zeigen, wie sich das Licht auf Pflanzen auswirkt. Ich hoffe, dir macht diese Serie bisher genauso viel Spaß wie mir.
Übrigens würde ich mich wahnsinnig über einen Kommentar von dir freuen. Nachdem ich hier 50+ Stunden in die Entwicklung dieses und der nächsten Artikel gesteckt habe, brauche ich ein bisschen positiven Zuspruch.
„Kakteen haben beispielsweise Dornen, auch wenn sie oft als stachelig beschrieben werden“
Wieso failen Menschen sooft dabei, Dinge einfach richtig zu benennen? 😀
Ich finde es total spannend, dass ich beim Lesen der Artikel dann solche „Aha-Momente“ haben. Ich meine, im Grunde genommen ergibt das alles total Sinn, aber über die meisten Sachen habe ich einfach bisher noch nie so wirklich nachgedacht.
Tja, Menschen sind halt nicht immer die schlausten beim Benennen von Sachen 😀
Das mit den Aha-Momenten ist eben das Schwierige am Worldbuilding. Man muss sich all die Dinge, die man unbewusst weiß, sehr deutlich bewusst machen und dann davon Regeln ableiten. Aber ich verspreche dir: Mit ein wenig Übung ist das gar nicht so schwer!