[Worldbuilding] Flora und Fauna – Ein erster Überblick

Die Flora und Fauna in einer Geschichte sind meistens nicht mehr als ein Hintergrundgeräusch. Hin und wieder werden zwar bestimmte Tiere oder Pflanzen in den Vordergrund gerückt – man denke an fantastische Wesen wie Drachen oder Einhörner, oder Gifte- und Heilpflanzen – aber viel tiefer geht das Worldbuilding meistens nicht.  Auch fantastische Welten funktionieren mit unseren „realen“ Tieren und Pflanzen sehr gut. Ausbauen ist nicht notwendig. Aber „nicht notwendig“ hat mich noch nie davon abgehalten, sinnlos komplexe Systeme zu entwickeln.

Was bedeutet Flora und Fauna?

Laut Duden ist die Flora nichts anderes als die „[systematisch erfasste] Pflanzenwelt eines bestimmten Gebietes“ (Quelle). Für unsere Zwecke wird diese Pflanzenwelt auch Pilze einschließen, die zwar technisch gesehen keine Pflanzen sind, aber die ich ungern zu den Tieren dazuzählen würde. Pilze den Pflanzen zuzuordnen erscheint mir das geringere Übel.
Die Fauna ist nach der Definition der Flora ganz unüberraschend als „systematische Zusammenfassung der in einem bestimmten Gebiet vorkommenden Tierarten“ (Quelle) definiert.

Wie wichtig sind Flora und Fauna für deine Geschichte?

Das ist schwierig zu beantworten. Die Flora und Fauna ist eng mit dem Klima deiner Welt und auf der anderen Seite mit der Kultur der dort Lebenden verbunden. Allerdings liegt in beiden Betrachtungsrichtungen (einmal aus Klima-Richtung und einmal aus Kultur-Richtung) Flora und Fauna nicht im Fokus. Stattdessen ist die Flora und Fauna oft ein Mittel, um die anderen Worldbuilding-Aspekte vertiefend und bildlich darzustellen. Um ein heißes Klima zu beschreiben, würdest du dich z.B. nicht nur auf die Temperatur beschränken, sondern typische Pflanzen wie Kakteen und typische Tiere wie Schlangen erwähnen.
Die Flora und Fauna ist also ein Mittel, um die anderen Themen deines Worldbuildings besser darzustellen.

Heißt das, dass du dich weniger um die Entwicklung von Flora und Fauna kümmern musst?

Wie immer ist es Zeit für meine Lieblingsantwort: Jain. Wenn die Tier- und Pflanzenwelt deiner Geschichte keine handlungsentscheidenen Auswirkungen auf deinen Plot hat, dann ist es absolut ausreichend, mit Tieren und Pflanzen aus „unserer“ Welt zu arbeiten und es dabei zu belassen. ‚Unkompliziert‘ ist in den meisten Fällen besser und neue Tiere oder Pflanzen zu entwickeln, nur damit du sie ein- oder zweimal erwähnen kannst, ist wahrscheinlich überflüssig.
Andererseits können fremdartige und fantastische Tiere und Pflanzen viel für die Stimmung deiner Welt tun. Und dann – vor allem wenn sie plotentscheidende Auswirkungen haben – kann es sich durchaus lohnen Zeit in ihre Entwicklung zu stecken.

Ein Konzept: Gleiche Tiere, neue Namen

Um sich kompliziertes Worldbuilding und Energie beim Erschaffen neuer Tiere und Pflanzen zu sparen, greifen manche Autoren dazu, bekannte Lebewesen zu übernehmen und nur die Namen zu ändern. Aber das finde ich in zweierlei Hinsicht ungünstig.

  1. Wenn es sich um ein „real existierendes“ Tier handelt …
    … dann sehe ich den Sinn dahinter nicht. Angenommen es gäbe Löwen in der Welt, aber sie heißen nicht mehr Löwen sondern „Irzik“. Der Leser begegnet gemeinsam mit den Figuren das erste Mal einem Irzik und erwartet ein neues, unbekanntes Lebewesen, bis ihm durch eine Beschreibung klar wird, dass es sich nur um einen Löwen handelt. Ich kann mir nur vorstellen, welche Enttäuschung und auch Verwirrung folgen würde. Ein neuer Name weckt Erwartungen, die mit der Offenbarung, dass es ein „normales“ und schon bekanntes (!) Tier ist, nicht gestillt werden können. [Handelt es sich bei „Irzik“ nur um den Namen des Löwen in einer anderen Sprache ist die Situation offensichtlich sehr anders.]
  2. Wenn es sich um ein Wesen mythologischen Ursprungs handelt …
    … dann tun sich ganz neue Schwierigkeiten auf. Mythologische Wesen entstehen und existieren nicht in einem Vakuum. Wenn du sie also nimmst, dann wirst du unweigerlich auch immer einen Teil der Kultur nehmen, aus der sie stammen. Ich hoffe, du siehst jetzt schon, warum das problematisch sein kann. (Stichwort: Kulturelle Aneignung.) Außer du lehnst eine Kultur aus deinem Buch aktiv an eine in unserer Welt bestehenden Kultur an, vermeide es mythologische Wesen zu übernehmen. Erstelle lieber eigene Wesen mit eigener Mythologie und eigenen Geschichten, die speziell auf deine Geschichte zugeschnitten sind.

Neue Tiere und Pflanzen entwickeln; Was sind die Konsequenzen?

Weil die Frage ein wenig uneindeutig ist, formuliere ich sie hier noch einmal neu: Wann kannst du einfach nur ein Tier entwickeln, ohne dich um die ökologischen Konsequenzen zu kümmern, und wann ist ein Tier oder eine Pflanze so einschneidend, dass sie die Biosphäre wie wir sie kennen, verändern würde?

Auch keine einfache Frage.

Tatsächlich sogar eine sehr schwierige Frage. Historisch gesehen haben die Menschen schon immer den Einfluss bestimmter Tierarten auf die Umwelt unterschätzt. Denke nur an die Einführung europäischer Nutztiere nach Amerika. Oder den Einfluss invasiver Spezien. Denn für unsere Zwecke können wir unsere „neuen“ Tiere und Pflanzen als genau das betrachten: Invasive Spezien. Eine „einfache“ Einführung einer neuen Tier- oder Pflanzenart kann also ein ganzes Ökosystem verändern.
Die folgenden Artikel zu Flora und Fauna sollen dir die Fähigkeit geben, zumindest ansatzweise einschätzen zu können, welche Auswirkungen neue Spezien auf die Umwelt hätten. Ob die Einschätzungen am Ende stimmen würden, wird niemand wissen, aber deine Entscheidungen sollten logisch und nachvollziehbar sein.

In dieser Worldbuilding-Reihe werde ich zuerst einige Artikel über Pflanzen schreiben und mich im späteren Verlauf der Tierwelt zuwenden. Der nächste Artikel heißt Flora – Ein paar Erklärungen und Definitionen.


Was hältst du davon neue Tiere und Pflanzen zu entwickeln? Machst du das gerne oder bleibst du lieber bei den fantastischen Klassikern wie Drachen, die in dem Genre schon etabliert sind?

Teilen mit:

3 Replies to “[Worldbuilding] Flora und Fauna – Ein erster Überblick”

  1. Jessica Bradley says:

    Ich finde den Artikel sehr interessant, da ich für einige meiner Projekte tatsächlich neue Tiere und Pflanzen kreiere. Vielleicht, wenn du es möchtest, mache ich ein passendes Video zu deinen Artikeln, damit noch mehr Menschen Zugriff auf diese Interpretation haben.

    Antworten
    1. Sina Bennhardt says:

      Mach gerne auch ein Video zu dem Thema! Es kann nie genug Gedanken zum Worldbuilding geben!!

      Antworten
  2. Ally says:

    Ich habe total Lust, eigene Pflanzen und Tiere zu entwickeln, allerdings dann auch eher in Kombination mit real existierenden. Ich finde, dann kann man meist besser beschreiben, was man sich selbst ausgedacht hat, da ein greifbarer Vergleich da ist („So groß wie ein Pferd“ etc.) 🙂

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert