Als Schreiberling merkst du wahrscheinlich relativ schnell, welche Arten von Geschichten dir liegen und welche nicht. Und – dabei sind sich die meisten einig – Kurzgeschichten sind die inoffizielle Königsdisziplin, denn sie sind außerordentlich schwierig gut zu schreiben. Und genau deswegen finde ich, sollte sich jeder Schreiberling an ihnen versuchen, denn man kann unglaublich viel von ihnen lernen.
Was ist eine Kurzgeschichte?
Die Kurzgeschichte ist eine literarische Gattung. Sie ist eine Prosaform mit kurzem Text. Knapp und schmucklos im Stil, leuchtet die Kurzgeschichte eine einzelne Alltagssituation aus, die auf allgemeingültige Wahrheiten verweist.
– Definition von Inhaltsangabe.de
Wie der Name schon erraten lässt, definiert sich die Kurzgeschichte sehr stark über ihre Länge: Der Einstieg in die Geschichte passiert abrupt und ohne Einleitung, das Erzähltempo ist beschleunigt, die Sprache knapp aber präzise, manchmal sogar Umgangssprache, und die Settings werden nur minimal beschrieben.
Inhaltlich gibt es meist nur einen einzigen Handlungsstrang mit wenigen Figuren und einem einzigen zentralen Konflikt, der meist nicht vollständig aufgelöst wird und somit zum Nachdenken anregt.
Irgendwie steht die Kurzgeschichte also von ihrem Stil und Aufbau in einem starken Gegensatz zu einer „normalen“ Geschichte. Aber gerade deswegen kannst du wahnsinnig viel von ihr lernen.
1. Schreiben ohne (oder mit minimalen) Subplots
Subplots sind in einer „normalen“ Geschichte dazu da, um den Hauptplot zu unterstützen, zu spiegeln oder im Gegensatz dazu zu stehen. (Eine ausführliche Erklärung, findest du in dem Artikel Wie verhinderst du, dass der Mittelteil deiner Geschichte durchhängt?) In einer Kurzgeschichte ist dafür oft keine Zeit. Deswegen musst du dich auf den Hauptkonflikt konzentrieren und der muss stark sein und überzeugen. Indem du deine Nebenstränge komplett von deiner Geschichte trennst, werden die die Schwächen des Hauptstranges deutlicher ins Auge fallen.
Wenn dein Hauptstrang ohne Subplots überzeugt, dann hast du eine starke Geschichte geschrieben.
2. Einfaches und verständliches Setting
Besonders in der Fantastik wird das Setting gerne außergewöhnlich und komplex. Aber in einer Kurzgeschichte fehlt die die Möglichkeit, allzu viele Beschreibungen oder Erklärungen unterzubringen. Stattdessen musst du dich zurücknehmen und nachdenken, welche Aspekte deines Settings die wichtigsten sind, und diese präzise und deutlich anreißen. Was kannst du weglassen, damit die Geschichte immer noch funktioniert? Was ist nur „Hintergrundgeräusch“ (= nett und interessant, aber nicht notwendig für die Geschichte)?
Indem du lernst, den Kern deiner Settings von zwar interessanten, aber ultimativ unnötigen, Beschreibungen zu trennen, wirst du die Welt deiner Geschichte effektiver und verständlicher einführen können. Die Komplexität, die für eine längere Geschichte notwendig ist, kannst du an späteren Stellen ergänzen.
3. Kein Infodumping
Vielleicht mag es im ersten Moment so scheinen, dass Kurzgeschichten Infodumping begünstigen würden, weil es – auch wenn es allgemein als schlechte Form verpönt ist – schneller geht, die Informationen einfach zu sagen als sie zu zeigen. Aber weil du in einer Kurzgeschichte schon im Vorfeld so viel vereinfachen und kürzen musst, wird Infodumping schlichtweg überflüssig. Das auf eine Nicht-Kurzgeschichte zu übertragen, kann allerdings ein wenig schwierig sein, denn mit größerer Länge, steigt auch die Komplexität und damit das Verlangen zu infodumpen.
Versuche, deine Geschichte stattdessen so aufzubauen, dass auch hier das infodumpen überflüssig wird. Frage dich immer, welche Informationen für diese Szene benötigt werden, und beschränke dich auf sie. Vertraue deinen Leser:innen, dass sie sich die Lücken selbst erschließen.
4. Präzise Charakterisierung von Figuren
In einer Kurzgeschichte hast du generell wenig Zeit und damit auch wenig Zeit für die Charakterisierung von Figuren. Deswegen ist es unerlässlich, dass deine Figuren präzise charakterisiert sind und eine eigene Stimme haben, damit sich der Leser zurechtfindet. Beides ist auch für eine „normale“ Geschichte sehr von Vorteil. Wenn du es schaffst deine Figuren von ihrem ersten Auftreten zu charakterisieren und ihnen eine individuelle Stimme zu geben, wird sich dein Leser besser zurechtfinden. Nuancen im Verhalten und in der Stimme lassen sich im Laufe der Geschichte immer noch weiter herausarbeiten.
5. Wortwahl
In einer Kurzgeschichte ist es unglaublich wichtig, viel Zeit in starke Wortwahl zu investieren. Um in einer Kurzgeschichte glänzen zu können, müssen Rhythmus, Wort und Emotion eine Einheit bilden, um den Leser zu fesseln und zu berühren. Auch wenn das in einem Buch nicht so sehr notwendig ist – weil du mehr Zeit hast –, kann es nie schaden, an der eigene Schreibstimme zu arbeiten. Gleichzeitig ermöglicht es dir eine gewähltere Ausdrucksweise, emotionaler und direkter zu schreiben, und so deine Leser gleich mit dem ersten Wort abzuholen. Zwar ist so eine hohe Qualität der Schreibstimme nur schwer für ein ganzes Buch haltbar, aber eine ausgearbeitere Schreibstimme wird deine Geschichte nur verbessern.
Fazit
Kurzgeschichten erlauben weniger Schwächen in deinem Schreiben. Du hast weniger Zeit, um deine Leser:innen von der Geschichte, der Welt, deinen Figuren und den Emotionen deiner Geschichte zu überzeugen. Indem du dich zwingst, deine Geschichte auf ihren Kern zu reduzieren, kannst du lernen die schwachen Stellen deiner Geschichte herauszuschneiden. Außerdem lernst du, deinen Lesern zu vertrauen. Denn du musst sie nicht immer an der Hand halten, damit sie die Geschichte verstehen.
Probiere es doch einfach mal aus und schaue, wie sich deine Schreibstimme und Erzählweise verändert!
Schreibst du gerne Kurzgeschichten?
witzig, ich habe gestern beschlossen, für den NaNoWriMo jeden Tag eine Kurzgeschichte zu schreiben. Irgendwie habe ich festgestellt, dass ich momentan besser damit zurecht komme, als krampfhaft zu versuchen, einen kompletten Roman zu schreiben.
Das ist wirklich lustig 😀
Dann drücke ich dir mal die Daumen, dass das beim Nano gut funktioniert!