In diesem Artikel soll es explizit nicht darum gehen, neue Technologien zu entwerfen, sondern wie du sie lebendig und realistisch darstellen kannst. Denn auch die beste und ausgefallenste Technologie kann fehl am Platze sein, wenn du sie nicht richtig eingearbeitet hast.
Wie wird ein Erlebnis realistisch?
Bevor ich mehr über die Lebendigkeit von Technologien rede, möchte ich zuerst erklären, was ich damit meine, wenn ich etwas als „realistisch“ beschreibe. Laut Duden bedeutet realistisch „der Wirklichkeit entsprechend; lebensecht und wirklichkeitsnah“. Das sagt sich so einfach, aber was bedeutet das für das Schreiben? Ich habe 3 wichtige Aspekte identifiziert:
1. Es ist spezifisch
Ein realistisches Erlebnis wird durch die Personen, die es erleben, verändert. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Sachlagen und Situationen und damit höchst spezifisch. Eine alltägliche (realistische) Situation, wie z.B. das Einkaufen gehen, wird von tausenden Menschen täglich durchgeführt und unterscheidet sich in ihren Grundzügen kaum. Man geht zum Supermarkt, läuft durch den Laden, bezahlt und geht zurück nach Hause.
Der Realismus liegt im Detail: Wie kommt die Person zum Supermarkt? Zu Fuß, Fahrrad, öffentliche Verkehrsmittel, mit dem Auto? Hat sie eine Einkaufsliste oder entscheidet sie aus dem Bauch heraus? Für wen wird eingekauft? Die Fragen können unendlich ins Detail gehen und je spezifischer du bist, desto realistischer wird das Erlebnis für den Leser – bis zu einem gewissen Grad. Besteht deine Szene nur aus einer Auflistung von Informationen hast du es wahrscheinlich übertrieben.
2. Es ist emotional
Um etwas realistisch und damit auch verständlich zu gestalten, solltest du es mit einer Emotion verbinden. Diese wird dem Leser helfen sich in der Situation zurechtzufinden. Denn auch wenn die spezifische Situation vielleicht fremd ist, so kennt doch jeder Gefühle wie Frustration, Freude oder Trauer. Folgt deine Geschichte beispielsweise einem Physiker, der mit Lasern arbeitet, kann deine Situation extrem spezifisch und realistisch sein, aber deine Leser würden es nicht wissen.
Stattdessen musst du sie auf der emotionalen Ebene abholen. Vielleicht wissen deine Leser nicht wie man mit Lasern umgeht, aber jeder von ihnen wird verstehen wie frustrierend es ist, wenn die Technologie nicht das tut, was man von ihr will. Und so wird der Physiker, der genervt auf einen nicht funktionierenden Laser klopft, auf einmal sehr glaubwürdig auch wenn man die Fakten darum herum nicht verifizieren kann.
3. Es ist logisch
Einem realistischen Erlebnis liegt zugrunde, dass es in sich logisch ist. Darauf poche ich in dieser Worldbuilding Reihe immer wieder und ich werde es auch weiter tun. Die Konsequenzen von jeder Entscheidung wollen ausreichend durchdacht und vorgestellt sein. Das heißt aber gleichzeitig nicht, dass sich z.B. subjektive Wahrnehmungen von Personen nicht widersprechen können. In diesem Fall solltest du dir als Autor:in nur sicher sein, was die „Wahrheit“ ist..
Stau, leere Druckerpatronen und Laufmaschen
Die besten Beispiele für realitische Erlebnisse vereinen die Spezifität, Emotionalität und Logik miteinander. Der US-Amerikanische Science Fiction Autor Frederik Pohl hat es sehr treffend formuliert:
A good science fiction story should not be able to predict the automobile but the traffic jam.
– Frederik Pohl
Ein Stau ist eine logische Konsequenz des Autos, sie ist sehr spezifisch und kann gleichzeitig hochemotional werden. Genau dasselbe ist es mit leeren Druckerpatronen und Laufmaschen.
Aber in diesem Artikel soll es um realistische Technologien und nicht Erlebnisse gehen. Wie lässt sich das also übertragen? Das ist eigentlich ganz einfach: Technologien stehen nicht im luftleeren Raum. Sobald sie in deiner Geschichte vorkommen, werden sie fest mit deinen Szenen verwoben sein. Und genau an diesen Stellen solltest du ansetzen. Rücke nicht die Technologie in den Vordergrund, sondern das Erlebnis mit der Technologie.
Die Umsetzung
Wie rückt man das Erlebnis in den Vordergrund und nicht die Technologie? Das sagt sich sehr einfach, kann aber im tatsächlichen Schreiben herausfordernd sein: Konzentriere dich auf eine fortlaufende Handlung, die nicht oder nur wenig von Erklärungen unterbrochen wird. Das Schwierige ist, dass du deine Technologie immer noch erklären musst, damit deine Leser:innen wissen, wozu sie da ist. Wie du die richtige Balance findest, musst du selbst ausprobieren. Am Anfang kann es aber helfen, die Erklärungen über mehrere Absätze (oder auch Kapitel) in kleinen Häppchen zu verteilen. So verhinderst du Infodump und kannst dich gut auf die Erlebnisse konzentrieren.
Am Beispiel
Wie auch die Informationen zur Erklärung der Technologie wird es dir auch passieren, das die Erlebnisse mit der Technologie über deine Geschichte verteilt werden. Besonders wenn deine Technolgie komplexer ist, wird es schwierig sein, sie in ihrer Gänze in einem Erlebnis zu verpacken und damit ist es legitim und sinnvoll mehrere Erlebnisse mit einer spezifischen Technologie in seiner Geschichte zu haben.
In diesem Beispiel erlebt Tonia, ein vierzehn Jahre altes Mädchen, das erste Mal wie eine Schusswaffe („Gonne“) abgefeuert wird. Dabei geht es sehr spezfisch um das Geräusch, das beim Abfeuern entsteht. Wichtig zu wissen dabei ist: Die Geschichte spielt in einer fantastischen und magischen Version unseren Mittelalters. Schusswaffen existieren (noch) nicht und was sie erlebt ist im Grunde ein erster Prototyp.
Hätte Tonia das Geräusch beschreiben müssen, dann hätte sie es Donner genannt auch wenn es nicht im Ansatz danach klang. Donner rollte aus der Entfernung heran, bis er über einem Zusammenbrach wie die Brandung eines ungezähmten Ozeans. Das Geräusch aus der Gonne hingegen war scharf und zerriss die Luft mit einem einzigen kurzen und tödlichen Knall. Lauter noch als der Schlag von Eisen auf Amboss, lauter noch als alles was sie jemals gehört hatte.
Beim nächsten Mal beginnen wir mit einem neuen großen Themenblock: Die Flora und Fauna deiner Welt.