Wie verhinderst du, dass der Mittelteil deiner Geschichte durchhängt?

Die „Mitte“ wird allgemein als der schwierigste Teil einer Geschichte angesehen, wenn es an das Schreiben geht. Das hat einen einfachen Grund: Wenn Geschichten im Kopf entstehen, dann kommen sie meist mit einem Anfangs- und einem Endpunkt, aber ohne festen Plan für den Mittelteil. Zumindest geht es mir immer so. Ich musste mich lange herumplagen, bis ich einige Strategien gefunden habe, damit meine Geschichte nicht durchhängt.

Warum hängt der Mittelteil deiner Geschichte durch?

Der Mittelteil deiner Geschichte hängt durch, weil ihm etwas fehlt – revolutionär, ich weiß. Und auch wenn es an vielen Dingen liegen kann, kommen doch zwei Dinge am häufigsten vor: Es fehlt an Substanz und/oder es fehlt an Richtung. Was meine ich damit?

Die Substanz

Mit der Substanz meine ich den Inhalt aber auch die Themen deiner Geschichte. Es ist nur natürlich, dass es im Mittelteil an Geschehen fehlt, wenn man sich nur Anfang und Ende ausgedacht hat. Gerade aus diesem Grund solltest du aufpassen, dass dein Mittelteil dieselbe inhaltliche und thematische Dichte hat, wie dein Anfang und Ende, denn sonst kommt es deinem Leser schnell so vor, als würde der Mittelteil zu einer anderen Geschichte gehören. Zum Glück ist es nicht allzu schwer die Lücken aufzufüllen, aber dazu später mehr.

Die Richtung

Es ist oft zu spüren, ob der Schreiberling eine Absicht mit seinen Szenen hatte oder nicht. Diese Richtung, diese Absicht hinter deinem Geschriebenen sollte im Mittelteil deutlich hervortreten. Auch wenn ich den Tipp nicht mag, dass jede Szene plotrelevant sein muss, finde ich dennoch, dass jede Szene eine Berechtigung haben und auf ein größeres Ziel hinarbeiten sollte. Dieses „Ziel“ muss nicht gleichzeitig das Ziel deiner Geschichte sein, sondern kann die Charakterisierung deiner Figuren oder das Worldbuilding sein. Aber ein klares Ziel vor deinen eigenen Augen hilft dir, im Mittelteil nicht abzuschweifen und den Fokus zu verlieren.

Um deine Geschichte also mit Substanz und Richtung zu befüllen, solltest du mindestens drei Punkte bedenken: Den Hauptstrang, die Nebenstränge und das Worldbuilding (oder das Setting).

Was tut der Hauptstrang der Geschichte?

Als erstes suche ich die logischen Zwischenschritte zwischen meinem Anfangspunkt und meinem Endpunkt. Das mag ein wenig offensichtlich klingen, aber gerade dieser Schritt wird schnell unterschätzt. Schreibe dir auf, was du brauchst. Was müssen deine Hauptfiguren bis zum Ende getan haben? Was müssen sie erfahren haben? Wo müssen sie sich befinden? Mit wem müssen sie reden? Was dürfen sie nicht erfahren? Es lohnt sich durchaus diese und andere geschichtsrelevante Fragen für jede Figur aufzuschreiben. Konzentriere dich in diesem Schritt nur auf den Hauptstrang der Geschichte. Zu den Nebensträngen kommen wir später.

Versuche außerdem deine Fragen von „groß nach klein“ durchzuarbeiten und dementsprechend zu sortieren. Dann – und dieser Tipp ist nur relevant, wenn du noch nichts über den Mittelteil deiner Geschichte weißt – sortiere die großen und wichtigsten Punkte so an, dass sie den interessantesten Spannungsbogen formen. Als Beispiel: Dein Kommissar könnte direkt am Anfang ein Indiz finden, das seinen Freund entlastet, aber es macht für eine spannendere Geschichte und größeren Konflikt, wenn er das Indiz erst im späteren Verlauf findet.

Wenn du mit der Reihenfolge der wichtigsten Punkte zufrieden bist, lohnt es sich an dieser Stelle die Geschichte für ein paar Tage ruhen zu lassen. Oft kommen einem in Moment der Ruhe noch weitere gute Ideen oder einem fallen Plotholes auf, die man ansonsten übersehen hätte. Wenn du also deine grobe Struktur überarbeitet hast, kannst du anfangen, die kleineren plotrelevanten Details aus deinen Fragen zwischen die wichtigeren Punkte zu sortieren. Sollten dabei noch Lücken bleiben (und das werden sie wahrscheinlich) kannst du dich den Nebensträngen deiner Geschichte zuwenden.

Die Nebenstränge deiner Geschichte

Es wird dir wahrscheinlich – ob bewusst oder unbewusst – passiert sein, dass nicht 100%ig relevante Punkte in den bisherigen Aufbau des Mittelteils gefallen sind. Diese kannst du für deine Nebenstränge verwerten. Ein Nebenstrang sollte deinen Hauptkonflikt spiegeln, im Gegensatz dazu stehen oder unterstützen.

Wenn dein Nebenstrang den Hauptkonflikt spiegelt, dann sind dieselben Figuren in ähnlichen Positionen vertreten wie in dem Hauptplot, nur auf kleinerer Skala. Steht dein Nebenstrang im Gegensatz zum Hauptkonflikt, kann er das thematisch oder inhaltlich tun. In einer ernsten Geschichte könnte der Nebenstrang eine spielerische Note annehmen. Oder – wenn es die Geschichte davon handelt, ein großes Turnier zu gewinnen – könnten deine Figuren im Nebenstrang aktiv zusammenarbeiten, anstatt sich gegeneinander zu messen. Schreibst du einen unterstützenden Nebenstrang zu deinem Hauptstrang, dann bleibst du thematisch und inhaltlich bei denselben Themen, aber änderst zum Beispiel Figuren und/oder Perspektive und damit leicht den Fokus auf den Hauptkonflikt. Alle drei Arten der Nebenstränge haben ihre Berechtigung und können miteinander vermischt werden.

Solltest du dir inhaltlich nicht sicher sein, was in einen Nebenstrang gehören kann, habe ich hier eine kurze Liste mit (nicht-romatischen) Vorschlägen.

Das Worldbuilding (oder das Setting)

Auch wenn das Worldbuilding an sich eher ein Fokus der Fantasy und der SciFi ist, so finde ich es trotzdem wichtig, dass jedes Genre sich mit dem Setting seiner Geschichte aber auch der einzelnen Szenen auseinandersetzt. Genau wie die Art der Nebenstränge kann auch das Setting den Hauptkonflikt spiegeln, gegensätzlich zu ihm sein oder es unterstützen.

In einem gespiegelten Setting spiegeln – wer hätte es gedacht – sich die Entscheidungen des Plots im Setting wieder. Deine Figuren werden vernichtend geschlagen? Vielleicht müssen sie sich unterirdisch zurückziehen. Zu erwähnen ist nur: Das spiegelnde Setting gibt der Geschichte keinen zusätzlichen Kontext, sondern gibt nur die aktuelle Situation wieder.
Das unterstützende Setting ist sehr ähnlich zu dem spiegelnden Setting, erlaubt aber mehr Freiraum, was Anspielungen auf vergangene oder zukünftige Zeiten angeht.
Auch das gegensätzliche Setting ist selbsterklärend. Es geht aktiv gegen die Erwartungen an das Setting, ob thematisch oder was die Stimmung betrifft. Vielleicht findet eine Beerdigung in wunderschönem Sommerwetter mit singenden Vögeln statt.

Du solltest beim Setting nicht immer zur selben Strategie greifen, auch wenn es interessant sein kann, die Art des Settings an den Perspektivträger zu binden. Wenn eine Figur stets in einem spiegelnden Setting und sich die andere in einem gegensätzlichen Setting befindet, sie aber ansonsten einen vergleichbaren Konflikt durchlaufen, kann das sehr schöne Parallelen ergeben.

 


Ich hoffe, ich konnte dir einige Anstöße geben, den Mittelteil deiner Geschichte auszubauen.

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