[Worldbuilding] Technologie ganz ohne Magie

Weil ich ein großer Worldbuilding-Nerd bin, freue ich mich über jegliche Art des Worldbuildings. Doch gerade in der Fantasy kommt das Worldbuilding, was die Technologie betrifft, oft zu kurz. Zugegebenermaßen ist das Technologie-Worldbuilding auch eher ein Fokus der SciFi, aber gerade bei der Fantasy sehe ich viel verschenktes Potetial. Denn oft sind die magischen Welten einfach nur vage mittelalterlich mit dem Zusatz der Magie ohne relevante technologische Fortschritte auch nur am Rande zu erzählen.

Vage mittelalterliche „Technologien“

Wenn ich jetzt versuche mich an bestimmte Technologien aus Fantasy-Büchern (vor allem die im mittelalterlichen Setting) zu erinnern, die besondere Erwähnung gefunden haben, fällt mir kaum etwas ein. Die verbreitetsten Werkzeuge – denn Technologie kann man es kaum nennen – sind Feder und Tinte. Vielleicht ein Pferdekarren. Vielleicht ein Pflug. Und wenn man Glück hat, wird eine Schmiede samt Esse und Amboss erwähnt. Ach ja, Fackeln auch noch. Aber weiter? Waffen finden oftmals Erwähnung, aber weiter geht es dann nicht. Und das finde ich sehr schade. Denn gerade eine fantastische Welt hat die Möglichkeit allerlei außergewöhnliche (und reale) Technologien zu präsentieren, die der Leser wahrscheinlich noch gar nicht kennt. Oftmals würde der Leser sogar dich – den Autor – für die Erfindung dieser realen Technologien verantwortlich machen und deine Kreativität preisen, denn schließlich legt die Fantasy als kreatives Genre nah, dass es deine Idee gewesen sein könnte. Du kannst also kaum verlieren, wenn deine Welt auch noch Technologien bereit hält.

Warum also nicht mehr Technolgie?

Eine dem durchschnittlichen Leser unbekannte Technologie kann genauso spannend – und ungewöhnlich – sein wie die Magie. Das Problem des vage mittelalterlichen Settings ist, dass die Leser schon glauben zu wissen, was es damals alles gab. Und somit rutscht man schnell in den Tiffany-Effekt rein, den ich hier ausführlich erkläre. Und wenn der durchschnittliche Leser eines sicher weiß, dann ist es, dass das Mittelalter dunkel, dreckig und technologisch zurückgeblieben war. Eine ausgefallene Technologie einzuführen und zu erklären, nur um sie im Hintergrund zu haben, lohnt sich für viele Schreiberlinge oft nicht.

Im Grunde dient das vage mittelalterliche Setting also nur dem Zweck, dass die Figuren mit „coolen“ Waffen durch die Gegend laufen können, Magie haben und niemand ein Handy benutzt. Ja, das ist eine sehr vereinfachte und leicht zynische Sichtweise, aber so lesen sich viele fantastische Geschichten leider.

Wie bindest du Technologie in deine Geschichte ein?

Genauso wie du auch alles andere in deine Geschichten einbindest: Da gibt es tausend Möglichkeiten. Trotzdem möchte ich dir hier ein paar Anregungen geben: Einmal die einfachste Variante und einmal meine Lieblingsvariante.

Durch die Augen einer unwissenden Figur

Worldbuilding allgemein lässt sich häufig am deutlichsten zeigen, indem man eine Figur in der Geschichte hat, die – genau wie der Leser – keine Ahnung von (diesem) Teil der Welt hat. So können andere Figuren der einen Figur die Welt erklären, ohne dass sich der Leser wundert, warum sie gerade darüber reden. So lassen sich auch fremde Technologien erklären. Einfach, ohne Umschweife und auf den Punkt.

Allerdings kann diese Methode, gerade weil sie so einfach und damit weit verbreitet ist, manchmal ein wenig faul wirken. Achte also darauf, dass deine Figuren wirklich einen Grund hätten, die Welt/Technologien zu erklären, und du diese Ausführungen gut in die Szene einbettest.

Als Teil eines Prozesses

Viel lieber stelle ich mein Worldbuilding aber als Teil eines Prozesses dar. Ich lasse meine Figuren beobachten und beschreiben, wie sie die Welt wahrnehmen. Auch wenn ihnen fremde Technologien begegnen lasse ich sie selbst beschreiben, was sie sehen, denn es ist oftmals nicht wirklich wichtig, wie eine Technologie funktioniert, sondern was sie bewirkt.

An einem Beispiel: Angenommen Schussfeuerwaffen wären eine Technologie, die deine Leser nicht kennen würden, aber sie würden in deinem Buch vorkommen. Dann muss dein Leser nicht unbedingt wissen, wie genau diese Schusswaffe funktioniert. Eigentlich reichen zwei Dinge: (Was ist eine Schussfeuerwaffe?) Es ist eine Waffe. (Und wie funktioniert sie grob?) Es macht einen lauten Knall, eine Kugel fliegt mit unglaublicher Geschwindigkeit vorne heraus und durchschlägt alles, was ihr in den Weg kommt.

Würde es nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, neben der Magie noch die Technologie zu erklären?

Zeit für eine Variation meiner Lieblingsantwort: Es kommt darauf an. Jede Information, die nach der groben Beschreibung des Zwecks kommt, ist abhängig davon wie plotentscheidend die Technologie ist. Ist sie eine Hintergrund-Aufhübschung? Dann kannst du hier aufhören. Wird mithilfe von Schusswaffen der Konflikt entschieden? Dann sollten deine Leser mehr über sie wissen. Allerdings muss der Leser weiterhin nicht wissen, wie eine Schusswaffe genau funktioniert. Wichtiger zu wissen ist, wie weit sie verbreitet sind, wie einfach sie herzustellen sind, was für Ressourcen man braucht, um sie benutzen zu können (Schießpulver …) usw.

Technologie in einer fantastischen Welt

In meinem Beitrag Die Interaktion von Magie und Technologie habe ich eines schon deutlich gesagt:

Je verbreiteter, einfacher und nützlicher die Magie ist, desto mehr wird sie den technologischen Fortschritt – wie wir ihn kennen – aufhalten.

Da finde ich es nur konsequent, genau diesen Umstand in deinem Worldbuilding auch anzusprechen. Die Technologien müssen nicht prominent im Vordergrund stehen, können aber als eine Art „Hintergrundgeräusch“ in deinen Geschichten viele interessante Aha!-Momente für deine Leser kreieren. Indem du zeigst, dass dein Worldbuilding konsequent und durchdacht ist, wird sich deine Welt lebendiger und echter anfühlen. Sind ausgefallene Technologien in deiner fantastischen Welt notwendig? Absolut nicht. Können sie deine Geschichte bereichern? Absolut.

Außerdem – und um nochmal auf die Wahrnehmung von vage mittelalterlichen Settings zurückzukommen – ist es allgemeines „Wissen“, dass die Menschen im Mittelalter dümmer waren als der moderne Mensch. Und das ist einfach nur falsch. Tatsächlich bin ich davon überzeugt, dass ein Unterschied zwischen den Menschen damals und heute im Grunde nicht vorhanden ist, sondern ihnen einfach nur die Möglichkeiten gefehlt haben, die wir jetzt haben (z.B. geregelter Schulunterricht, globale Vernetzung und Informationsaustausch etc.). Die Menschen im Mittelalter haben vielleicht nicht die wissenschaftlichen Gründe hinter bestimmten Mechanismen verstanden, aber aus simpler Beobachtung der Realität lässt sich einiges lernen und ableiten. Die Menschen waren zu handwerklichen Meisterleistungen fähig und haben Probleme auf Arten und Weisen gelöst, die längst in Vergessenheit geraten sind. Und ich finde es wichtig, das auch in Büchern zu zeigen.

 


Wie hältst du es mit Technologien in deinen fantastischen Geschichten? Im nächsten Artikel gehe ich mehr ins Detail, wie du Technologien darstellen kannst.

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