Wenn es eine Person gibt, die durch hervorragenden Weltenbau – vor allem, was Magie angeht – bekannt geworden ist, dann ist es der Autor Brandon Sanderson. Im Mittelpunkt seiner Bücher stehen meist ausgefallene Magiesysteme, die vor Kreativität nur so strotzen. Da ist es kein Wunder, dass seine Regeln zum Bau eines Magiesystems gewisse Bekanntheit erlangt haben.
Die drei Gesetze der Magie von Brandon Sanderson
Um ein gutes Magiesystem zu entwickeln, arbeitet Brandon Sanderson mit drei Gesetzen, die er selbst aufgestellt hat und die ich dir im Folgenden vorstellen werde. Bitte wundere dich nicht über die „falsche“ Reihenfolge, aber ich finde die Originalreihenfolge der Gesetze nicht sinnvoll, wenn sie logisch aufeinander aufbauen sollen. Deswegen habe ich sie für diesen Artikel umsortiert.
Sanderson’s Second Law of Magic
„Limitations > Powers“
→ Es ist wichtiger, die Grenzen der Magie zu beschreiben, als ihre einzelnen Kräfte aufzuzählen.
Sobald eine Fähigkeit der Magie aufgezählt ist, wird sich der Leser fragen, wie weit man sie treiben kann. Angenommen du beschreibst in deinem Buch, dass sich Magier teleportieren können. Dann werden sofort sehr viele Fragen aufkommen: Kann der Magier nur sich selbst teleportieren? Was ist mit seiner Kleidung? Könnte er jemand anderen berühren und „mitnehmen“? Muss er den Ort kennen, wo er hinmöchte? Wie weit kann er sich teleportieren? und und und…
Was dir dieses Gesetz also sagt: Sei spezifisch und deutlich mit deiner Magie, damit deine Leser den Überblick behalten.
Sanderson’s Third Law of Magic
„Expand what you already have before you add something new.“
→ Anstatt Neues hinzuzufügen, solltest du Altes ausbauen.
Angenommen du hast etabliert, dass du Elementarmagier hast. Sie können Feuer, Luft, Wasser und Erde auf verschiedenste Arten und Weisen kontrollieren. Jetzt muss sich aber in deiner Geschichte ein Magier schnell von A nach B bewegen. Du könntest einfach Teleportationsmagier hinzufügen, aber wäre es nicht viel interessanter, wenn die Magier ihre Kontrolle über Feuer, Wasser, Luft und Erde nutzen würden, um sich schnell zu bewegen? Sie könnten fliegen oder ausgeklügelte und mittels Magie erstellte Tunnelsysteme nutzen. Es wird deinen Lesern mehr Spaß machen zu sehen, wie du deine Magie nutzt, als neue Arten von Magie hinzuzufügen.
Was dir dieses Gesetz also sagt: Überlade dein Magiesystem nicht mit unnötigen neuen Kräften. Versuche deine Probleme zu lösen, indem du die alten Kräfte kreativ innerhalb der erstellten Regeln einsetzt.
Sanderson’s First Law of Magic
„An author’s ability to solve conflict with magic is DIRECTLY PROPORTIONAL to how well the reader understands said magic.“
→ Je besser der Leser die Magie versteht, desto besser wird der Autor Konflikte mit Magie lösen können.
Was dir dieses Gesetz also sagt: Wenn deine Leser deine Magie verstehen, können sie aktiv mitfiebern und Lösungen für Probleme im Kopf selber lösen. Du umgehst die Gefahr, dass eine Lösung aus dem Nichts kommt und sich deine Leser fragen, wieso das funktioniert hat. Deine Geschichte wird insgesamt glaubwürdiger und konsquenter.
Hard Magic vs. Soft Magic
Aber Magie hat aber nicht immer Regeln. Bücher wie Herr der Ringe verwenden (erstaunlicherweise) keine einzige Seite damit die Magie zu erklären. Sie wird einfach benutzt oder nicht und der Leser weiß am Ende des Buches immer noch nicht, warum das funktioniert hat. Die Gesetze von Brandon Sanderson sind nur anwendbar, wenn du sogenannte „Hard Magic“ ( = harte Magie) entwickelst. Tolkien verwendet eine sogenannte „Soft Magic“ ( = weiche Magie).
Harte Magie
Harte Magie ist genau das, was ich oben bereits beschrieben habe. Es ist ein Magiesystem mit festen Regeln, in dem der Leser im Grunde „ausrechnen“ kann, was möglich ist und nicht. In diesem Sinne folgt es eher dem Grundsatz der SciFi, wie John Campbell treffend beschrieben hat:
„The major distinction between fantasy and science fiction is, simply, that science fiction uses one, or a very, very few new postulates, and develops the rigidly consistent logical consequences of these limited postulates.“
Harte Magie eignet sich gut dafür, wenn du möchtest, dass deine Magie ein großer Bestandteil deiner Geschichte ist und gleichzeitig dafür genutzt werden soll, Konflikte zu lösen. Denn Harte Magie fühlt sich niemals an, als hättest du die Lösung aus dem Ärmel geschüttelt. Durch ihre festen Regeln kann man sie verstehen und fast wie eine weitere Figur in deiner Geschichte betrachten.
Weiche Magie
Weiche Magie hingegen ist dafür da, deiner Geschichte eine fantastische Note zu verleihen, sollte aber nicht plotrelevant sein. Sogar Tolkien, der ein weiches Magiesystem benutzt hat, hat die Magie nur dann eingesetzt, wenn es zwar die Absicht der Figuren war, zu helfen, aber die Magie letztendlich nichts gebracht hat oder es sogar schlimmer gemacht hat. Nachdem Gandalf seine Magie gegen den Balrog eingesetzt hat, ist er danach für das restliche Buch verschwunden. Das weiche Magiesystem funktioniert besonders gut, wenn keine deiner Figuren Magie besitzt und/oder sie versteht. So sind nämlich Leser und Figuren im gleichen Boot.
Ein weiches Magiesystem kann frustrierend für den Leser sein, wenn die Magie „zufällig“ dann hilfreich ist, wenn es der Plot braucht. Sei also vorsichtig, wie du die Magie einsetzt.
Die Mischung aus harter und weicher Magie
Harte und weiche Magie existiert auf einem Spektrum und es ist fast unmöglich ein Buch pur mit harter Magie zu schreiben oder pur mit weicher Magie. Deswegen solltest du dir von Anfang an gut überlegen, welchen Stellenwert die Magie in deiner Geschichte haben wird, um eine richtige Mischung benutzen zu können.
Die Magie soll dem Leser zeigen, dass deine Welte größer ist, als das was du beschrieben hast, wird aber nur am Rande erwähnt? Dann reicht ein weiches Magiesystem. Vielleicht erwähnst du nebenbei, dass nur die Hexen von da-und-da Magie wirken können und deswegen niemand mit Magie in den Plot eingreifen kann/will, aber größere Regeln müssen nicht sein. Oder aber es gibt nur Illusionsmagie und sie kommt einmal auf einem Jahrmarkt als Unterhaltung vor.
(Gerade weil es zur weichen Magie nicht allzu viel zu sagen gibt, werde ich sie in den kommenden Artikeln kaum aufgreifen.)
Sobald eine deiner Figuren magisch ist, solltest du ein Magiesystem auf der harten Seite des Spektrums in Betracht ziehen. Aber auch hier musst du tatsächlich weniger etablieren als du meinst. Zeige deutlich die Grenzen der Magie bei deiner Figur und das reicht im Grunde schon.
Das war die Einführung in die verschiedenen Theorien zu der Entwicklung von Magie, die zur Zeit am populärsten sind. Das nächste Mal geht es weiter mit Technologie und ihre Interaktion mit der Magie deiner Welt.