Eines der schwierigsten Dinge, wenn es ans Schreiben geht, ist ein guter Plottwist. Schnell sind solche „unvorhersehbaren“ Wendungen doch relativ vorhersehbar oder funktionieren einfach nicht so gut, wie du es dir vorgestellt hast. Was kannst du also tun, wenn dein Plottwist vorhersehbar ist? Musst du wieder ganz von vorne anfangen oder kannst du deine Geschichte noch „retten“?
Wie vorhersehbar ist der Plottwist wirklich?
Bevor du damit anfängst deine Geschichte zu verändern, weil dir dein Plottwist nicht gefällt, solltest du dich ganz objektiv fragen: Wie vorhersehbar ist deine Geschichte wirklich? Denn offensichtlich wirst du sie selbst vorhersehbar finden, wenn du die letzten Wochen und Monate damit verbracht hast, sie zu schreiben. Aber vielleicht geht es einem frischen Leser anders. Deswegen solltest du deine Testleser fragen. Gib ihnen deine Geschichte, ohne auch nur Andeutungen zu machen, dass es einen Plottwist geben wird und schau wie die Reaktionen ausfallen.
Vielleicht verschwindet dein Problem an dieser Stelle schon, wenn deine Testleser den Plottwist nicht vorhergesehen haben und die Entwicklung trotzdem logisch fanden. Sollte das nicht der Fall sein …
Jeder Testleser hat den Plottwist vorhergesehen
Wenn (fast) jeder deiner Testleser deinen Plottwist vorhergesehen hat, dann hast du die Möglichkeit Fragen zu stellen. Wann haben sie das erste Mal den Plottwist erkannt? Welche Szene, welcher Dialogfetzen, welche Information war der Auslöser? Wie sicher waren sie sich in ihrer Vorhersage? Gab es Momente, in denen sie gezweifelt haben? Wann war das? usw.
Versuche so viel wie möglich herauszufinden, woran es lag, dass der Plottwist nicht gelandet ist. Denn wenn du dir sicher bist, dass du die Auslöser kennst, kannst du anfangen sie zu überarbeiten.
Arbeite an deinem Foreshadowing
Gehe deine Geschichte noch einmal durch und untersuche besonders genau die Stellen, bei denen du auf einen möglichen Plottwist hindeutest. Kannst du diese Stellen weniger offensichtlich machen? Aus einem expliziten Hinweis in einem Dialog könnte eine einfache Beobachtung in der Erzählstimme werden. Wie dicht stehen die Textstellen mit Forshadowing zusammen? Gibt es eine in jedem Kapitel? Das ist wahrscheinlich zu viel.
Wichtig ist aber, dass du dein Foreshadowing nicht streichst. Eines der besten Gefühle beim Lesen ist es, wenn man als Leser alle Informationen hatte, sie aber nicht zusammengefügt hat und dann von dem Plottwist von den Beinen gefegt wird. Kommt ein Plottwist allerdings ohne Ankündigung, ist die Reaktion kaum mehr als ein Schulterzucken.
Kannst du den Plottwist vereinfachen oder komplizierter machen?
In welche Richtung du gehst hängt davon ab, wie dein Plottwist am Anfang aussah und was für eine Geschichte du schreibst.
Ist dein Plottwist zu komplex, musst du ihn gut vorbereiten. Durch die pure Menge an Informationen, die du dem Leser übermittelst, kann er schon ahnen, dass da noch etwas auf ihn zukommt. Denn mit jeder zusätzlichen Information läufst du Gefahr, dass dein Leser die Puzzleteile richtig zusammenlegt. Wenn du deine Geschichte und damit den Plottwist ein wenig vereinfachst, musst du weniger vorbereiten und damit braucht der Leser auch insgesamt weniger Informationen und hat weniger Möglichkeit den Twist zu erraten.
Ist dein Plottwist zu einfach, kann es sich lohnen, die Geschichte darum herum etwas komplizierter zu machen. Lege falsche Spuren. Vergrabe deine Hinweise in Bergen aus Informationen. Oder gib den Hinweisen eine andere Gewichtung, als sie in der Lösung des Plottwistes bräuchten. Die Möglichkeiten sind endlos kombinierbar.
Du kannst die Geschichte nicht anpassen, was nun?
Manchmal lässt es die Geschichte aber einfach nicht zu, dass du allzu viel anpassen könntest. Die wichtigste Frage ist dann, warum brauchst du überhaupt den Plottwist? Denn von einem Plottwist sollte niemals die ganze Spannung deines Buches abhängen. Wenn das der Fall ist, dann hast du die Entwicklung der Geschichte vernachlässigt. Der Plottwist ist das Sahnehäubchen auf dem Eisbecher, nicht das Eis selber.
Aber vielleicht hilft dir an dieser Stelle eine Änderung der Perspektive: Versuche nicht deine Leser zu täuschen. Schreibe deine Geschichte so, dass sich die Leser sorgen, dass dein Protagonist getäuscht wird.
Es ist eine bittere Ironie, wenn der Leser den Plottwist kommen sieht und hilflos dabei zusehen muss, wie der Protagonist ins Verderben läuft. Natürlich musst du auch hier vorsichtig sein. Die Gefahr ist groß, dass deine Leser frustriert werden, vor allem wenn deine Hauptfigur deine Hauptfigur schlechte/“dumme“ Entscheidungen trifft. Aber wenn sich deine Hauptfigur nach allen Informationen, die du ihr gegeben hast, schlau verhält und trotzdem auf ihren Untergang zuläuft, kann das eine sehr emotionale Erfahrung für den Leser werden.
Fazit
Die wichtigste Erkenntnis sollte sein, dass du keinen Plottwist brauchst, um eine gute Geschichte zu schreiben. Aber selbst wenn du dich an einem Plottwist versuchst und es – aus welchem Grund auch immer – nicht funktioniert, hast du noch hunderte Möglichkeiten, deine Geschichte durch kleine Änderungen so anzupassen, dass sie trotzdem noch funktionieren kann. Lass dich von kleinen Rückschlägen nicht einschüchtern und wenn ein Weg für dich nicht passt, kannst du immer einen Weg darum herum finden. Tatsächlich entstehen dadurch in meiner Erfahrung die kreativeren Geschichten, weil sie nicht nach dem Schema F ablaufen.
Wie stehst du zu Plottwists? Schreibst du sie gerne oder liest du sie lieber?
Hallo^^.
Tatsächlich lese ich sehr gerne Plottwist und versuche sie deswegen immer in meinen Geschichten unterzubringen – da verkompliziert das Erzählen gefühlt immens x). Aber da ich sie gerne lese, möchte ich dieses Gefühl gerne weitergeben.
Ich finde den Tipp gut, zuerst die Geschichte zu schreiben und im nach hinein zu schauen, ob man den Plottwist einbauen kann.
Lg,
Desiree
Ich ziehe auch immer meinen Hut vor den Schreiberlingen, die ihre Plottwists gefühlt aus den Ärmeln schütteln können. Da steckt so viel Arbeit und Aufmerksamkeit hinter, es ist der Wahnsinn!