Der Tod und das (mögliche) Jenseits beschäftigt die Menschheit schon lange. Somit ist es kein Wunder, dass sich auch die Religion damit auseinandersetzt und versucht Antworten zu finden. Wie kann das Jenseitsbild deiner Religion aussehen? Sollte es überhaupt eins geben? Und wie stehen die Gläubigen zum Tod?
Warum sind Tod und Jenseitsbild so wichtig?
Bevor wir uns den Fragen von oben zuwenden, ist wichtig zu erklären, warum der Tod auch in deiner Religion eine wichtige Stellung einnehmen sollte. Wenn du vor der Frage stehst, warum sich Menschen der Religion zuwenden, ist eine Antwort häufig: Die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit. (Diesen und andere Gründe habe ich bereits in meinem Artikel Religion – Eine kompakte Einführung besprochen.) Eine Religion kann diese grundsätzliche Angst mit der Darstellung einer definitven Antwort auslöschen und gleichzeitig einen Anreiz bieten, der Religion zu folgen.
Deswegen halte ich den Tod und das Jenseitsbild neben den allgemeinen Werten oder den Göttern für einen hervorragenden Ansatzpunkt, um eine neue Religion zu entwickeln. So rollst du quasi die Religion von hinten auf und kommst vielleicht zu Neuen und Außergewöhnlichen Umsetzungsmöglichkeiten.
Der Tod
Für den Menschen ist der Tod etwas Umabänderliches, aber weil wir uns in dieser Worldbuilding-Reihe in der Phantastik bewegen, möchte ich andere intelligente Wesen nicht außer Acht lassen. Solltest du eine Religion für Wesen entwickeln, die extrem lange oder extrem kurze Lebensspannen haben, wird sich das signifikant auf die Wahrnehmung des Todes auswirken. In welche Richtung du damit gehst, ist aber offen. Macht eine kurze Lebensspanne den Tod normaler und damit einfacher? Oder ist das Wissen, dass man nur ein kurzes Leben im Vergleich zu anderen Wesen hat, so unfair, dass der Tod als schlimmer wahrgenommen wird? Beides wäre möglich.
Emotionale Wahrnehmung
Der Tod – egal wie er auf der gesellschaftlichen Ebene dargestellt wird – wird auf der persönlichen Ebene meist als etwas Trauriges, Tragisches und/oder Traumatisches wahrgenommen. Das heißt, dass die Gläubigen traurig sein werden, wenn jemand stirbt, auch wenn die Trauer gesellschaftlich anders verarbeitet wird.
Ich möchte deutlich betonen: Bitte geh mit dem Tod in deinen Geschichten verantwortungsvoll und vorsichtig um. Richtig eingesetzt (als Element in deiner Geschichte) kann er starke Szenen und einen emotionalen Höhepunkt in deiner Geschichte darstellen. Bitte vergiss nicht, dass – egal welchen Stellenwert der Tod in deiner Religion einnehmen wird – deine Leser ihre eigenen Erfahrungen mitbringen werden und diese Erfahrungen nicht immer von dem Gelesenen werden trennen können. Deswegen ist es deine Aufgabe mit diesem Thema respektvoll umzugehen.
Riten und Rituale
Um es objektiv auszudrücken: Die Riten und Rituale, die mit dem Tod zusammenhängen, sind oft hygienisch begründet. Das Vergraben, Verbrennen oder zu Wasser lassen (auf dem Meer) führt dazu, dass verwesende Körper nicht die Nahrungs- oder Wasservorräte kontaminieren. Den Ritualen sollte also zugrunde liegen, die Toten von „dem Leben“ zu entfernen und ihnen einen eigenen Platz zu verschaffen. Gleichzeitig ist es oft wichtig, dass die Toten nicht der Natur ausgesetzt sind, sondern außerhalb der Sicht der Menschen zur letzten Ruhe gesetzt werden. Niemand möchte sehen, wie jemand von Aasfressern „verwertet“ wird.
Wenn es um die spezifischen Riten und Rituale geht, sollten ihre Mechanismen aus dem Jenseitsbild begründet sein. Für ein einfaches Beispiel denke an das alte Griechenland, wo den Toten zwei Silberstücke auf die Augen gelegt wurde, damit sie den Fährmann bezahlen können, der sie über den Fluss Styx ins Totenreich bringt. Habe keine Angst davor, in den Riten ähnlich spezifisch zu werden. Überdenke besonders die „Beigaben“, die mit dem Toten vergraben oder verbrannt werden.
Das Jenseitsbild
Das Jenseits – außer natürlich in deiner Religion spielt Wiedergeburt eine Rolle – stellt häufig eine idealisierte Form des Lebens dar. Für die Religion eines Wüstenvolks mag sich das in einer Oase äußern, in der das Wasser niemals versiegt oder auch einfach mit der „Fähigkeit“, dass man nie wieder Hunger und Durst leiden kann.
Himmel und Hölle?
So explizit wie Himmel und Hölle muss das Jenseits gar nicht sein, aber gibt es im Jeseits eine „Abstufung“, je nachdem wie gut man sich in seinem Leben verhalten hat? Oder vielleicht ist das Jenseits auch abhängig davon, welchen Platz man in der Gesellschaft eingenommen hat? Oder davon, welchen Beruf man ausgeübt hat? Werden Sünder bestraft? Gibt es eine Art Gericht, dem sich die Gestorbenen stellen müssen? Was passiert mit Ungläubigen? Und im Polytheismus: Gibt es nur ein Totenreich oder hat jeder Gott sein eigenes Reich?
Die Fragen sind so vielfältig, dass es sich nicht lohnt Tipps in die eine oder andere Richtung zu geben. Lass deine Kreativität spielen. Außerdem möchte ich wieder betonen: Sei spezifisch.
Eine Anregung: Geister und Untote?
Wenn du schon über den Tod nachdenkst, solltest du auch ein wenig über den Un-Tod nachdenken. Glaubt man in deiner Religion an Geister? (Unabhängig davon, ob es sie wirklich gibt oder nicht.) Sind sie gutmütig oder bösartig? Gibt es Untote? Und welchen Stellenwert nehmen sie in der Religion ein? Gibt es Methoden, mit denen sich die Gläubigen vor bösartigen Geistern und Untoten schützen können? Wenn ja, dann ist es sinnvoll, dass diese Methoden von vornherein auf die Toten angewandt werden, damit sie nicht zurückkommen und die Lebenden heimsuchen.
Gibt es vielleicht (Feier)Tage, an denen die Geister leichter zurückkehren? Wie kann man sie beschwichtigen? Auch hier sind die Fragen und die Möglichkeiten endlos.
Am Beispiel: Enda und Hefst
Als Göttinnen von Ende und Anfang ist es bei Enda und Hefst nur natürlich, dass Tod und Geburt einen hohen Stellenwert in der Religion einnehmen. Aber trotzdem ist die Einordnung des Todes schwierig und – für mein Denken zumindest – recht paradox. Wie es schon die Reihenfolge ihrer Namen vermuten lässt, steht bei Enda und Hefst das Ende (und somit unter anderem auch der Tod) am Anfang jedes Ablaufes. Aber das ergibt für unser Verständnis des Todes keinen Sinn, denn schließlich endet das Leben mit dem Tod. Diesen also als Anfang zu betrachten ist schlicht unlogisch.
Diesen Knoten zu lösen, hat bei der Entwicklung ihrer Religion am längsten gedauert. Natürlich hätte ich den „einfachen“ Weg nehmen können. Die Gläubigen könnten wiedergeboren werden, oder der Tod wäre der Beginn des Lebens im Paradies. Das hat sich aber beides nicht richtig angefühlt.
Stattdessen habe ich mir Folgendes ausgedacht: Jeder Mensch hat in den Augen von Enda und Hefst die Aufgabe, etwas in der Welt zu verändern. Wenn man diese Aufgabe erfüllt – beendet – hat, beginnt mit dem Tod das Leben als göttliches Wesen als Teil von Enda und Hefst. Durch sein Leben als Mensch beweist man sich als würdig, den anderen Gläubigen als Teil der Göttinnen unter die Arme greifen zu können. Der Tod ist also das Ende des menschlichen Lebens und der Beginn des göttlichen. Ein wirkliches Jenseitsbild gibt es also nicht.
Gleichzeitig bedeutet das, dass Menschen, die ihre Aufgabe nicht erfüllen, als Geister wiederkehren werden. Diese Geister können erst ruhen, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt haben.
Beim nächsten Mal wird es um den Glauben als Beruf und die weltlichen Aufgaben der Götterdiener gehen.