In meinem Vesuch mich literarisch ein wenig zu bilden, habe ich mich in der letzten Zeit darangesetzt ein paar Klassiker zu lesen. Dabei fiel mir unter Anderem Papillon in die Hände. Papillon ist ein (umstritten) autobiografisches Buch des französischen Autors Henri Charrière, erstmalig veröffentlicht in 1969.
TW: Rassissmus, sexueller Missbrauch Minderjähriger
Worum geht es bei Papillon?
Henri Charrière – wegen einer Schmetterlingstätowierung am Hals Papillon oder Papi genannt – wird wegen Totschlags zu lebenslanger Zwangsarbeit in Frazösisch-Guyana verurteilt. Das Buch folgt seinem Weg dorthin und seinen zahlreichen Fluchtversuchen. Ich könnte das Buch noch genauer umreißen, aber ich muss zugeben: Ich habe es nicht fertig gelesen. Tatsächlich habe ich Papillon bereits nach etwa einem Drittel aufgehört. Dabei wird Papillon von vielen als Klassiker, wichtiges Buch und brilliant beschrieben. Warum habe ich also abgebrochen?
Naja, die Triggerwarnungen vor diesem Text dürften es bereits verraten haben.
Die Probleme des Buches
Wie viele Texte aus älteren Jahrzehnten ist die Ausdrucksweise, nett ausgedrückt, ungünstig und, realistisch ausgedrückt, verdammt rassistisch. Aber – und das soll keine Entschuldigung dafür sein – dieser Rassissmus ist in vielen älteren Büchern vorhanden und manchmal kann sich dahinter trotzdem eine lesenswerte Geschichte verbergen. Naja. Theoretisch zumindest. Ich möchte nicht wiederholen, was genau geschrieben wurde, aber von rassistischen Beschreibungen und Bezeichnungen war wirklich alles Erdenkliche dabei.
Trotzdem habe ich weitergelesen in der Hoffnung, dass sich diese Geschichte dennoch lohnt und … man mag es nicht glauben, aber es wurde schlimmer.
Auf einem seiner zahlreichen Fluchtversuche gelangt Papillon zu einem Stamm der indigenen Bevölkerung Südamerikas. Dort wird er natürlich sofort freudig aufgenommen und, weil er und seine weiße Haut so geil sind, wirft sich ihm direkt ein Mädchen an den Hals. Sie ist 16 und sie beziehen gemeinsam eine Hütte, sie als seine „Frau“. Und es wird sogar noch „besser“. Ihre 12-jährige Schwester ist neidisch auf was-auch-immer und sie zieht ebenfalls in dieselbe Hütte ein. Er beschreibt die Körper der Schwestern ständig in eklig-genauen Details und bekräftigt immer wieder: Ja, er hatte mit beiden Sex. Ja, mehrfach. Und ja, das wird auch beschrieben. Und nochmal ja, am Ende waren beide schwanger. Aber das ist okay, denn sie wollten es ja und haben ihn sogar dazu gedrängt. Fuck this guy.
So etwas will ich nicht lesen und das habe ich dann auch gemacht. Eine spätere Zusammenfassung auf Wikipedia hat mir dann verraten, dass er den Stamm verlässt und nie wieder zurückkehrt. Was ein Held.
Umstritten biografisch
Schon kurz nach Erscheinen des Buches wurden Stimmen laut, die den Wahrheitsgrad des Buches anzweifelten. Zuletzt wurde Henri Charrière 2005 von Brunier, einem Ex-Häftling in Französisch-Guyana, beschuldigt, die Geschichte aus den Gefängnisgerüchten und -erzählungen zusammengereimt haben. Er selbst trage sogar die Schmetterlingstätowierung am Unterarm, die Papillon im Buch am Hals hat. Weitere Recherchen ergaben, dass das Buch wohl eine Mischung aus Realität und Fiktion sei: „Auf dem Leben von Henri Charrière basierend“ trifft die Beschreibung wohl am besten. Ändert das etwas an meiner Wahrnehmung des dargestellten Rassissmus und dem Missbrauch minderjähriger Mädchen?
Nein, nicht wirklich.
Denn entweder ist Henri Charrière ein hochgradiges Arschloch oder er hat kein Problem damit, sich als Arschloch und Kinderschänder darzustellen, was ihn zu einem genausogroßen Arschloch macht.
Fazit
Papillon ist ein Produkt seiner Zeit – in der schlimmsten Art und Weise, wie es nur möglich ist. Die Geschichte der Fluchtversuche ist durchaus spannend und mitreißend, aber das entschuldigt den Rassissmus und den sexuellen Missbrauch auch nicht. Papillon liest sich für mich wie eine Power-Fantasie eines weißen Mannes, der seinen Gottkomplex ausleben möchte und trotzdem gleichzeitig will, dass ihn alle bemitleiden, weil es ihm in der Strafkolonie so schlecht ergeht und er ja unschuldig verurteilt wurde. Alle Menschen, die ihm begegnen, reißen sich Arme und Beine aus, um ihm zu helfen und in seiner Weisheit – Weißheit – zu baden. Bäh.
Meine Ablehnung gegen dieses Buch ist unmissverständlich spürbar.
Ich verstehe, warum das Buch Bekanntheit erlangt hat. Der Einblick in die verschiedenen Gefängnisse und Strafkolonien ist erschreckend und verstörend. Aber tatsächlich habe ich dem Protagonisten am Ende alles Schlechte, das ihm widerfahren ist, richtig gegönnt.
Hier kannst du noch mehr meiner Rezensionen lesen.
Ich kann absolut verstehen, wieso du das Buch abgebrochen hast. Kein Klassik-Titel rechtfertig solche Inhalte, unabhängig davon, ob diese Teile der Geschichte wahr sind oder nicht.
Mir ist sowieso echt schleierhaft, was einem so an Klassikern empfohlen wird und wieso manche Leute bestimme Klassiker „so wichtig“ finden.