Für dein Handwerk als Autor:in ist es wichtig, dass du viel liest. Am meisten Spaß machen da natürlich die Bücher, die dich vollkommen fesseln, die so meisterlich geschrieben sind, dass du gar nicht identifizieren kannst, warum sie eigentlich so wunderbar sind. Aber schlechte Bücher sind in meiner Erfahrung die deutlich besseren Lehrer. Woran liegt das?
Ich habe schon einen Artikel darüber geschrieben, was du beim Lesen von anderen Autoren lernen kannst. Dort habe ich dir ein paar allgemeine Tipps gegeben und hier möchte ich noch einmal mehr ins Detail gehen.
Warum ist es schwieriger von guten Büchern zu lernen?
Stell dir einen Tonkrug vor, getöpfert und gebrannt und ohne jeglichen Makel. Ein wahres Meisterstück. Und jetzt stell dir vor, jemand stellt diesen Tonkrug vor dir ab und sagt: „Mach mal nach!“. Du kannst zwar nicht Töpfern, aber du versuchst es trotzdem. Du weißt, was du erreichen willst – das Ergebnis steht immerhin direkt vor dir – und wagst deine ersten Versuche. Doch du kennst weder die grundlegende Technik, noch die Art des Tons noch die Brenntemperatur oder -dauer und so bist du prädestiniert zu versagen.
Versteh mich nicht falsch. Erfolg ist keineswegs ausgeschlossen, aber der Weg dahin ist langwierig und frustrierend.
Aber jetzt bekommst du einen zweiten, dritten und vierten Krug. Keiner von ihnen ist perfekt, aber an jedem von ihnen, kannst du einen eindeutigen Fehler entdecken. Einen Fehler, den du vielleicht sogar selber schon gemacht hast. Durch die Negativbeispiele bemerkst du auf einmal deutlich, wo deine eigenen Fehler liegen und das spart dir Zeit und Frustration. Du siehst nicht nur was falsch ist, sondern auch warum sich deine eigenen Fehler negativ auf das Gesamtkunstwerk ausüben.
Meisterlich geschriebene Bücher sind wunderbar, um dir ein Ziel zu geben, auf das du hinarbeiten kannst, aber schlechte Bücher geben dir die Möglichkeit aus zweiter Hand aus Fehlern zu lernen.
Der obligatorische Disclaimer
Bei der Bewertung von Büchern ist Vieles subjektiv und somit unterscheidet sich auch die empfundene Qualität eines Buches von Person zu Person. Wenn ich also von „schlechten Büchern“ oder „schlechten Bestandteilen eines Buches“ rede, ist das zuerst einmal eine subjektive Bewertung. Die meisten „schlechten“ Strategien können im richtigen Kontext funktionieren und sind deswegen nicht als objektiv falsch/schlecht anzusehen. Ob eine Schreibtechnik aber funktioniert, hängt auch oftmals damit zusammen wie und wie oft man sie einsetzt.
Woran erkennst du schlechte Bücher?
Genauso gut könnte ich fragen, woran erkennst du ein gutes Buch? Eine eindeutige Antwort ist schwierig, aber wenn man ein gutes oder schlechtes Buch in der Hand hat, merkt man meistens intuitiv. Und ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, dass ich mich oft ärgere, wenn ich merke, dass ein Buch nicht die Qualität hat, die ich erwartet habe. Doch anstatt es abzubrechen, kannst du die Gelegenheit nutzen, um an seinem Beispiel zu lernen.
Woran genau liegt es, dass dich die Geschichte nicht packt? Sind es die Figuren, der Spannungsbogen, das Setting, das Worldbuilding, die Schreibstimme oder hat es einfach deine Erwartungen an das Genre nicht getroffen? Die Gründe können vielzählig sein und meistens liegt es nicht nur an einer Sache. Dennoch solltest du dich hinsetzen und versuchen es so genau wie möglich zu benennen.
Figuren
Nachvollziehbar, logisch und greifbar, das sind für mich die wichtigsten Eigenschaften einer guten Figur. Ich muss sie noch nicht einmal sympathisch finden, sondern mich in sie und ihre Entscheidungen hineinversetzen können. Solche Figuren zu schreiben, ist schwierig und es passiert im Laufe einer Geschichte schnell, dass die Figuren zu Karrikaturen ihres ehemaligen Selbst werden.
Wenn du damit Schwierigkeiten hast, habe ich hier ein Modell gebaut, mit dem man die Handlungsweisen seiner Figuren planen und vorhersehen kann.
Spannungsbogen und Plot
Wenn die Probleme des Buches beim Spannungsbogen oder beim Plot liegen, dann wird es wahrscheinlich eine Weile dauern, ehe du bemerkst, dass etwas nicht passt. Diese „Fehler“ sind am schwierigsten zu greifen, weil es einfach die Geschichte ist, die nicht richtig aufgebaut ist. Das Problem ist aber, dass man das schlecht einschätzen kann, wenn man noch nicht die ganze (oder einen Großteil der) Geschichte kennt. Das heißt, bis du nicht mit dem Tempo und dem Ablauf der Geschichte vertraut bist, kannst du das oft gar nicht einschätzen. Und bis es so weit ist, kann schon mal ein halbes Buch vergangen sein.
Worldbuilding
Zugegebenermaßen ist das Worldbuilding eher ein Problem von Genres, die sich gründlich damit auseinandersetzen wie zum Beispiel Fantasy oder Sci-Fi. Doch gerade schlecht durchdachtes Worldbuilding kann das Lesevergnügen schnell beenden. In meiner Erfahrung gibt es zwei große Gründe, warum das Worldbuilding nicht funktioniert.
- Aufgestellte Regeln werden nicht befolgt.
Wenn der Autor seine selbst aufgestellten Regeln nicht befolgt, kann das frustrierend sein, weil es dem Leser die Möglichkeit nimmt, sich in der Welt zurechtzufinden. Wenn die Magie Lebensenergie kostet, aber der Protagonist ständig vollkommen konsequenzlos zaubert, stellt sich schnell die Frage, warum diese „Regel“ überhaupt aufgestellt wurde, wenn sie doch offensichtlich nicht stimmt. - Konsequenzen wurden nicht (genug) durchdacht.
Manchmal treffen Autoren Entscheidungen in ihrem Worldbuilding, die riesige Auswirkungen auf die Welt haben sollten, aber es nicht haben. Nur als Beispiel: Stellt euch vor, es wäre ganz normal das Kriege auf fliegenden Drachen ausgefochten werden. Dann würden Burgen so wie wir sie kennen keinen Zweck mehr erfüllen. Denn die Mauern dienen dem Schutz und wenn man einfach darüber fliegen kann, dann kann man sich die Mühe auch sparen. Solche „Fehler“ haben meistens keine so große Auswirkung auf die Geschichte wie das Nicht-Einhalten der eigenen Regeln, aber können vor allem Worldbuilding-Liebhabern den Spaß versauern.
Beim Worldbuilding ist es besonders frustrierend, wenn sich alle Regeln so zu drehen scheinen, dass der Plot funktionieren kann. Wenn Regeln aus dem Nichts entstehen und wieder verschwinden, nur damit Plotpunkte abgearbeitet werden können, dann wandert das Buch bei mir schneller in einen Bücherschrank als bei irgendeinem anderen Fauxpas.
Schreibstimme und Wortwahl
Gerade bei der Schreibstimme und Wortwahl kommt es sehr stark auf den persönlichen Geschmack an. Ich mag es zum Beispiel nicht, wenn es lange Beschreibungen oder viele Flüche gibt. Ersteres finde ich schnell langweilig, weil ich kein bildliches Gedächtnis habe und letzteres verliert schnell seine Wirkung und ist dann nur noch ermüdend. So hat jeder seine Vorlieben und Abneigungen. Aber sich dieser Auslöser bewusst zu werden, ist unglaublich hilfreich und viel einfacher an einem Negativbeispiel zu bemerken.
Solltest du „schlechte“ Bücher lesen?
Als Autor:in solltest du dich so vielen verschiedenen Genres und Arten von Büchern aussetzen wie möglich. Da kommst du nicht umhin, dir auch ein paar schlechte Bücher durchzulesen, ob es nun beabsichtigt war oder nicht. Besonders wenn du dich von deinem bevorzugten Genre entfernst, kannst du viel lernen und deine persönliche Schreibstimme überarbeiten.
Das Lesen sollte vor allem anderen Spaß machen, aber wenn du es schaffst auch aus Büchern mit kleinen oder großen Mängeln zu lernen, dann bist du auf dem Besten Weg, deine eigenen Werke zu verbessern.
Was machst du, wenn du einem schlechten Buch begegnest? Brichst du es ab? Was ist die wertvollste Lektion, die du aus einem schlechten Buch gelernt hast?
„Was machst du, wenn du einem schlechten Buch begegnest?“
Ich lese es mit dir zusammen. 😀
😀 Und wir haben schon viel dabei gelernt!
So habe ich das nie gesehen. Eigentlich müsste man ja dann mehr schlechte Bücher lesen, als gute.
Die meisten schlechten Bücher habe ich abgebrochen. Durch einige habe ich mich gequält, aber ich muss zugeben, ich habe mich wenn dann nur oberflächlich mit ihnen befasst. Also kurz in meinem Kopf zusammengefasst, was ich schlecht fand und fertig. Ich wollte halt schnell dieses Buch loswerden.
Aber so gesehen müsste man sich mehr mit ihnen auseinandersetzen^^.
Vielen Dank für den Artikel! Das ESM-Modell werde ich mir auch nochmal durchlesen.
Die Sache mit den schlechten Büchern ist halt (wenn ich mir schaue, wie und warum ich sie lese), dass man sie selten zum Spaß liest. Denn Spaß machen richtig schlechte Bücher nicht, außer sie sind so schlecht, dass sie schon wieder komisch sind.
Für mich heißt das, dass ich schlechte Bücher zur Seite lege und mir erst dann erneut anschaue, wenn ich sie wirklich analysieren will. Sie abzubrechen, weil man da gerade keine Lust darauf hat, ist also völlig legitim!
Dass man aus guten Büchern nicht lernt und die Begründungen dazu, kann ich so nicht unterstreichen. Es gibt viele Menschen und somit auch Autoren, die nur anhand vom korrekten Beispiel lernen können. Einmal richtig erklärt und perfekt gesehen, dann ist das für sie der einzige Weg. An schlechten Beispielen würden sie oft die Fehler nicht entdecken bzw. sie würden sich fehlerhaftes Wissen aneignen. Wenn ich „schlechte“ Bücher lese, habe ich danach echt Probleme diesen Unsinn im Kopf wieder loszuwerden. Mich motivieren und befähigen die guten Bücher, die in meinem Kopf und meinen tippenden Händen einen Lauf vernünftiger und faszinierender Sätze bewirken können. Und dabei gehöre ich noch nicht mal zu den besonderen Menschen, die anders lernen als der Durchschnitt.
Ich denke wir reden hier von zwei unterschiedlichen Dingen. (Ich nehme an, du beziehst dich auf den Absatz „Warum ist es schwieriger von guten Büchern zu lernen?“)
Zuerst einmal habe ich nicht geschrieben, dass man aus guten Büchern nicht lernen kann. Das würde ich auch niemals behaupten, weil es einfach nicht stimmt, wie du ebenfalls angemerkt hast. Das steht auch so im Text:
und ich habe dazu auch einen Artikel geschrieben, der auch schon oben im Beitrag verlinkt war: Wie du beim Lesen von anderen Autoren lernen kannst
Der Absatz oben („Warum ist es schwieriger von guten Büchern zu lernen?“) zielte vor allem auf das selbstständige Lernen ab. Dort sind gute Beispiele wichtig und hilfreich, aber – um beim Töpfer-Beispiel zu bleiben – Tonkrüge mit offensichtlichen Fehlern zu sehen, kann einem helfen dieselben Fehler zu umgehen. Besonders wenn man niemanden hat, der einen anleitet.
Idealerweise hätte man natürlich einen Lehrer an der Seite, der einen führt und zeigt wie man Tonkrüge anfertigt, Techniken demonstriert und dann den Schüler korrigiert. Dann stimme ich dir vollkommen zu, dass korrekte Beispiele unglaublich hilfreich sein können. Aber so ein Lehrer ist für die meisten Schreiberlinge keine Realität. Die meisten Menschen, mit denen ich zu tun habe und die schreiben, haben und hatten keinen Schreiblehrer und mussten sich all die Techniken selbst beibringen. Dabei beschränken sie sich beim Lernen oft auf extrem gute Beispiele, die so viel richtig machen, dass es schwierig wird die einzelnen Techniken zu identifizieren.
Bei Büchern mit offensichtlichen Fehlern ist das anders. Deswegen finde ich es so wichtig, dass man sich nicht von „schlechten“ Büchern abwendet, weil man aus diesen Fehlern vor allem im Selbststudium unglaublich viel lernen kann.
Aber auch hier gilt, wie bei jeder Schreib- und Lerntechnik: Jede:r muss die Methode finden, die für sie/ihn selbst am besten funktioniert. Es gibt kein Allheilmittel und das soll es auch nicht geben. Denn ansonsten würde bald jedes Buch gleich klingen.
Hallo, Sina,
wir reden von unterschiedlichen Dingen, das vermute ich auch. Die Menschen, die ich erwähnte, die würden den offensichtlichen Fehler beim Tonkrug nicht erkennen. Sie würden etwas ungewöhnlich finden, aber sich nicht sagen, dass da ein Fehler ist. Also kopieren sie den Fehler, weil sie ihn als richtig ansehen. Aber wie gesagt, dass sind nur wenige Autoren, bei denen das so ist. Das ist angeboren und einfach ein anderer Blick auf die Welt. Und für uns andere: wenn man keine Schreibkurse belegt hat und nur durch Versuch und Irrtum lernen möchte, ist es wahrlich schwierig. Man muss ja auch wissen, warum etwas falsch ist. Und mein Problem mit vielen „schlechten“ Manuskripten ist einfach, dass manch einer noch nicht einmal weiß, was er da alles falsch macht, denn ihm fehlen grundlegende Kenntnisse, die sich leider auch durch das Studium von Fachbüchern übers Schreiben allein nicht beheben lassen. Manch einer kommt halt ohne Lehrer oder Erläuterungen nicht weiter, doch das muss man auch selbst einsehen und wollen. Vermutlich reden wir aneinander vorbei, weil für mich ein „schlechtes“ Manuskript etwas anderes ist, als für dich.