Zwischen Kritik und Anerkennung

In erschreckend regelmäßigen Abständen stelle ich mir die Frage, warum ich mich eigentlich künstlerisch betätige. Mit diesem Blog und mit meinen Geschichten verdiene ich kein Geld, das ist alles Hobby, und dennoch verwende ich Stunden um Stunden jede Woche, um zu schreiben. Warum eigentlich? Kritik kommt schnell und viel, Annerkennung gibt es selten.

Wie man eine neue Fähigkeit lernt

Wenn es darum geht, eine neue Fähigkeit zu erlernen – sei sie nun künstlerisch oder nicht –, dann durchläuft man immer dieselben Stadien:

  1. Einem ist gar nicht klar, wie viel man nicht weiß.
  2. Voller Motivation eignet man sich die Grundlagen an.
  3. Dann beginnt man, die Ausmaße seines Unwissens zu verstehen.
  4. Um dieses Unwissen einzudämmen, versucht man so viel zu dem Thema zu lernen, wie es nur geht.
  5. Langsam bekommt man ein Gefühl für gute Form und kann auch fremde Werke kritisieren, aber diese Kritik noch nicht bei sich selbst anwenden oder umsetzen.
  6. Schließlich verinnerlicht man die gute Form und kann sie anwenden.
  7. Man wiederholt Schritt 3 bis 6 beliebig oft.
  8. Und schließlich hat man die Fähigkeit gemeistert, obwohl es fraglich ist, ob man diesen Schritt jemals erreicht.

Warum ist das wichtig?

Kritik kommt schnell und Lob nur selten

Wenn du selber künstlerisch tätig bist, dann wirst du es wissen und wahrscheinlich auch schon erlebt haben. Sobald du dich und etwas, das du geschaffen hast, dem ominösen Internet präsentierst, kommen die Kritiker. Viele von ihnen meinen es gut und haben hilfreiche Tipps. Ja, auch wenn sie es vielleicht selbst nicht besser können – weil sie bei Schritt 5 sitzen –, können sie doch wertvolle Kritik liefern und dir helfen. Doch nicht jeder will (oder kann) helfen. Dem durchschnittlichen Leser fällt nicht unbedingt auf, wenn er etwas wirklich Gutes liest. Aber (vermeintliche) Fehler werden nur allzuschnell herausgehoben und kritisiert. Und ein einziges „Ich mag dein Buch/deinen Artikel.“ macht die fünf bis zehn „Warum machst du dir eigentlich den Aufwand, dich liest ja eh niemand.“ und „Da ist ein Rechtschreibfehler auf Seite 273!“ auch nicht wieder wett.

Dass einem schon seit der Schule eingebläut wird, vor jeder Kritik etwas Gutes zu sagen, hilft einem dann auch nicht dabei, Lob zu glauben. Es ist ja immerhin gut möglich, dass es nur kam, um die Kritik danach weniger heftig klingen zu lassen.

Dann redet man sich ein, dass man die Kunst für sich selber schafft und nicht für die Kritiker, aber trotzdem gehen die Worte ans Fleisch. Lohnt es sich wirklich, so viel Aufwand in eine Kunst zu stecken, die möglicherweise niemals weitergetragen wird?

Der Wunsch nach Anerkennung

Für viele – und da schließe ich mich selbst ein – ist die Veröffentlichung der öffentliche Stempel, dass man „es“ geschafft hat, was auch immer „es“ ist. Die Veröffentlichung als ultimative Anerkennung und als Beweis, dass die langen Stunden und all die Arbeit es wert waren. Und dann was? Die meisten deutschen Autoren können von dem Geld, das ihre Bücher abwerfen nicht leben und haben nebenbei noch Brotjobs. Eigentlich kann man da nur noch lachen.

Kunst zu schaffen, ist ein Privileg. Man muss es sich leisten können, all die Zeit und das Geld zu investieren.

Arbeiten ohne Ziel

Aber dann schreibe ich halt nur „für mich“? Das ist ja nicht schlimm. Nein, wahrscheinlich sogar gut. Denn dann können mir die Kritiker auch nicht mehr so nah gehen, denn es ist ja für mich. Und wenn es meinen Ansprüchen genügt, dann hat es seinen Zweck erfüllt.

Aber in unserer Gesellschaft muss man immer einen Zweck erfüllen. Sport? Für die physische Gesundheit. Lesen? Für die mentale Gesundheit. Hobbies? Um das Geschaffene auszustellen, zu benutzen oder Geld damit zu verdienen.
Der Gedanke, dass man einer Beschäftigung ohne Ziel nachgehen kann ist den meisten fremd. Denn für irgendetwas muss es ja gut sein, oder nicht? Und wenn man es nur auf seine Bewerbungsunterlagen schreiben kann. Irgendeinen Zweck braucht es, sonst ist man wieder Kritik ausgesetzt, auch wenn sie diesmal andere Formen annimmt.

Und jetzt in meinem Fall: Das Schreiben macht mir Spaß, egal ob Geschichten oder Artikel wie diese hier. Aber es ist schwierig sich zu motivieren, wenn man die Ergebnisse stundenlanger Arbeit ins Internet stellt und dann die meisten Kommentare lauten „Das Beispiel ist aber schlecht. Bist du dir sicher, dass Schreiben das Richtige für dich ist?“ (Sinnzitat, das ich schon häufiger auf meinem Blog begrüßen durfte). Wofür sind wir dann überhaupt künstlerisch tätig, wenn (gefühlt) nur nach unserer Arbeit getreten wird?

Welches Fazit kann man da schon ziehen?

„You just gotta take a deep breath and then give up. The system is rigged against you. Your hard work and talent will not pay off.“ Bo Burnham

Das ist zumindest nicht das Fazit, das ich ziehen möchte. Dafür bin ich noch nicht bereit.

Folge deinen Träumen, aber stell dich darauf ein, dass es vielleicht nicht so läuft, wie du es dir erträumt hast. Die Statistik ist gegen dich. Und wenn du deine Träume erreichst, dann erwarte nicht, dass du dann glücklich und erfüllt sein wirst. Du veränderst dich mit deinen Erfahrungen und so können und dürfen sich auch deine Ziele verändern. Du musst nicht deine unerreichbaren Träumen erfüllen, um glücklich zu sein.

 


Das lag mir schon eine Weile auf dem Herzen. Danke fürs Lesen.

Teilen mit:

10 Replies to “Zwischen Kritik und Anerkennung”

  1. Annie says:

    Zitat: „Das Beispiel ist aber schlecht. Bist du dir sicher, dass Schreiben das Richtige für dich ist?“
    Dass du das zu hören bekommst, wundert mich ehrlich gesagt. Ich finde deine Beiträge klasse und lese sie immer wieder gern, auch wenn ich nicht alles kommentiere. Du hast mir schon in vielen Punkten die Augen geöffnet, z.B. was das Thema Worldbuilding angeht.

    Mach unbedingt weiter mit dem, was du tust! Dass wir Schreiber an uns zweifeln, ist völlig normal. Das sehe ich allein schon in meiner privaten Facebook-Schreib-Gruppe wöchentlich. Ich bin auch nicht vor Zweifeln gefeit. Wie oft denke ich mir: „Oh Gott! Wofür steckst du eigentlich Stunde um Stunde in deinen Roman? Am Ende kommt doch eh nichts bei rum!“ Und doch mache ich weiter. Weil ich liebe, was ich tue. Genau wie du. 🙂

    Deshalb kann ich deinen Schlussatz „Du musst nicht deine unerreichbaren Träumen erfüllen, um glücklich zu sein.“ nur unterstreichen. Genau so ist es doch! Wenn man sein Buch nicht veröffentlicht oder nicht reich vom Schreiben wird (was sowieso nur selten passiert), dann hast du immerhin ein Buch geschrieben. Man hat eine Leistung erbracht und darauf darf man stolz sein. Egal, wie viele den Roman am Ende lesen.

    So, hab meinen Senf dazu gegeben. 🙂

    Lass dich nicht unterkriegen, liebe Sina! Du machst das klasse!

    LG, Annie

    Antworten
    1. Sina Bennhardt says:

      Danke für deine lieben Worte 🙂

      Noch bin ich auch nicht untergekriegt, aber ich merke doch, dass diese Gedanken – vor allem in den letzten Wochen – immer wieder an meinen Nerven nagen. Auf meine Worldbuilding-Artikel bin ich immer am meisten stolz, bin also doppelt froh, dass sie dir geholfen haben. Das bestärkt mich auch in meinem Beschluss, diesen Blog hier noch eine ganze Weile (soll heißen: keine Ende in Sicht 😉 ) weiterzuführen.
      Manchmal reicht es auch schon zu sehen, dass ich nicht die einzige bin, die mit solchem Frust zu kämpfen hat, und dann fühle ich mich schon nicht mehr so allein.

      Antworten
    2. Uta says:

      Ich möchte mich Annie anschließen! Du machst das Klasse. Ich finde deine Beharrlichkeit echt super und dass du nicht aufgibst! Kritik konstruktiv zu formulieren ist nicht jedermanns oder -frau Sache. Ein Ziel zu haben ist genau das Richtige.

      Liebe Grüße Uta

      Antworten
  2. FredZiege says:

    Siehs doch mal so, bitte:Schreiben , sagt auch Papa Hem. , ist ne Krankheit. Gibt keinen Impfstoff. Keine Medizin dagegen. Musst Du durch.Kann ewig dauern, das ganze Leben. Immer wieder reinknien, besser werden, mit kleinen Schreibgruppen arbeiten, Kritik dankend annehmen, sie kann dich weiterbringen- und Vorsicht bei LOB! Deine besten Momente sind im Schreiben selbst, ist besser als Dope und Alk zusammen.Hat nicht jeder. Hat Kaum einer! Kannste froh sein drüber. Und: Hilft auch im Alter, gibs nicht auf, bleib dran!
    Gruß!!

    Antworten
  3. schreibfaehe says:

    Ich mag deine Artikel und lese sie, wenn ich das Gefühl habe, sie sprechen mich an bzw., wenn ich etwas nachschlagen muss. Deswegen lese ich bisher nicht jeden Artikel^^“. Aber ich finde deinen Schreibstil echt super und er spricht mich wirklich an. Deswegen danke nochmal für die Artikel. Vor allem diejenigen, die Schreibwerkzeuge vermitteln. Ich lese sie mir immer wieder durch und versuche sie so gut es geht anzuwenden^^.
    Was die Frage: „Für was schreibe ich überhaupt?“ angeht. So würde ich tatsächlich jetzt sagen für mich. Vorher hatte ich auch immer diese Einstellung: Uff, vielleicht ist es doch nichts für mich. Wenn dann Kritik kam: Oh je, ich bin zu schlecht.
    Vor 9 Jahren habe ich sogar so eine zerstörerische Kritik bekommen, dass ich das Schreiben ganz aufgab^^“. Die Kritikerin schrieb mir: meine Geschichte wäre zu unkreativ. Und dann dachte ich mir: Dann bin ich wohl zu unkreativ und sollte es lassen.
    Ich habe dann tatsächlich aufgehört zu schreiben. Es hat mich unglücklich gemacht all die Jahre. Ungelogen. Ich bin erst wieder aufgeblüht, als ich mir dann wieder einen Ruck gegeben habe. Seither hat sich meine Einstellung auch geändert.
    Auch wenn ich für das Schreiben gar nichts bekomme. Also auch wenn ich keine Ausschreibung gewinnen werde oder kein Buch verkaufen werde. Ich habe da keine Erwartungen in diesem Bezug. Momentan bin ich an dem Punkt an dem ich mir selbst sage: Ich liebe das Schreiben, diesen Prozess des Erschaffens an sich. Also bin ich aktiv und schleife an mir so lange, bis ich zufrieden bin (und das werde ich hoffentlich nie sein :D, sonst müsste ich mir was anderes suchen x)). Wenn ich in dreißig Jahren nur einen Preis gewonnen habe oder gar nichts – ich habe halt trotzdem Spaß daran, Geschichten zu erschaffen x).
    Ich denke da gerne an die Mönche, die meditieren. Die tun das ja auch nicht damit andere darüber Staunen, dass sie so gut und so lange Still sitzen können x). Das ist das Schreiben jetzt für mich.
    Ich hoffe, du kommst irgendwann an diesen Punkt an dem die Selbstzweifel nicht mehr nagen und du selbstbewusst weiter schreiben kannst^^. Jedenfalls würde ich deine Artikel missen, wenn du aufhören würdest.
    Liebe Grüße,
    Desiree

    Antworten
    1. Sina Bennhardt says:

      Liebe Desiree,

      ich danke dir wirklich von Herzen für deine aufmunternden Worte. Es ist sehr ermutigend für mich zu hören, wenn meine Artikel gerne gelesen werden und vielleicht sogar helfen können.
      Deine Einstellung zum Schreiben ist wahrscheinlich die Beste, die man haben kann. Nur für sich, ohne Druck von außen. Da möchte ich auch einmal hinkommen, auch wenn ich das Gefühl habe, dass da noch ein langer Weg vor mir liegt. Ich hoffe es klingt nicht gemein, wenn ich sage, dass mich deine Erfahrung ein wenig beruhigt. Dass auch andere vor dem Gedanken stehen/standen, mit dem Schreiben aufzuhören und dann trotzdem dahin zurückgefunden haben, ist ermutigend.

      Danke für deinen langen Kommentar <3

      Antworten
  4. Lentje says:

    Liebe Sina,
    als du geschrieben hast „Lob kommt selten“, hab ich mir mal an die Nase gefasst … bin sonst bei Blogs tatsächlich eine stille Mitleserin, die so gut wie nie etwas kommentiert. Nun möchte ich aber die Gelegenheit nutzen, dir zu sagen, dass ich deine Artikel über das Schreiben sehr gerne lese. Ich freue mich immer, wenn ich auf Twitter sehe, dass du einen neuen Blogbeitrag gepostet hast und ich nehme aus jedem einen guten neuen Gedanken oder Impuls für mich und meine Geschichten mit. Und – ich schwöre, das ist die Wahrheit – gerade deine Beispiele finde ich oft besonders gelungen. 🙂 Mein liebstes bisher sind die Zwillingsgöttinen Enda und Hefst, die du für die Worldbuilding-Reihe entworfen hast (die Reihe finde ich im Übrigen insgesamt spitze).
    Ich kann deine Zweifel gut verstehen und ich denke, fast jeder Kunstschaffende kennt sie. Ich hoffe sehr, dass du dich davon nicht unterkriegen und uns weiterhin an deinen Gedanken und Geschichten teilhaben lässt! 🙂
    Liebe Grüße
    Lentje

    Antworten
    1. Sina Bennhardt says:

      Hallo Lentje!

      Danke für deine lieben und aufmunternden Worte <3 Ich freue mich sehr, dass ich dir so viele neue Anregungen geben kann und auch, dass dir Enda und Hefst gefallen, freut mich sehr (Ich habe sie nämlich auch sehr lieb gewonnen und mir fest vorgenommen, sie in meinen Geschichten vorkommen zu lassen). Es ist schön und vor allem ermutigend zu hören, dass man auch stille Mitleser hat, die sich für die Artikel begeistern 🙂
      Auch wenn ich gerade - Corona-bedingt - einen kleinen kreativen Durchhänger habe, werde ich bald weiterschreiben und dir hoffentlich noch viele weitere Anregungen geben können 🙂

      LG Sina

      Antworten
      1. Lentje says:

        Liebe Sina,
        gerade ist mir beim Tabs sortieren aufgefallen, dass ich dir gar nicht mehr geantwortet habe – entschuldige! 🙈 War aber zwischendrin immer wieder auf deinem Blog unterwegs und bin es noch immer gerne. Bin froh, dass du dich von kreativen Durchhängern nicht entmutigen lässt und freue mich auf alles, was du noch angehst! 😊
        Alles Liebe
        Lentje

        Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert