[Worldbuilding] Religion – Gebetsstätten ausführlich

Als ich über Gebete und Riten geschrieben habe, hatte ich vor, die Gebetsstätten einfach gemeinsam damit abzuhaken. Schließlich sind sie thematisch verwandt. Das stimmt auch, aber ich hatte mal wieder unterschätzt, wie viel ich eigentlich zu Gebetsstätten zu sagen hatte. Hier also eine Ergänzung zu meinem kleinen Anriss aus dem letzten Artikel.

Eine Definition

Auch der Ausblick von einer Gebetsstätte kann für ihren Standpunkt ausschlaggebend sein.

Der Duden definiert eine Gebetsstätte sehr hilfreich als „Stätte des Gebets“ und deswegen möchte ich ein bisschen genauer werden. Eine Gebetsstätte ist ein Ort, der von Gläubigern einer Religion genutzt wird, um zu beten. Diese Gebete finden häufig zu bestimmten Tages- oder Wochenzeiten formalisiert und in großen Gruppen statt. Außerhalb dieser Zeiten ist die Gebetsstätte für ihre Gläubiger (oft auch für „Besucher“ oder Religionsfremde) für private Ansprachen zu ihrem Gott geöffnet.

Ort deiner Gebetsstätten

Wo deine Gebetsstätten stehen und wie viel Platz sie einnehmen, ist auch eine Frage, über die du dir Gedanken machen solltest. Von privaten Ecken im Wohnraum, zu speziellen Räumen im Wohnhaus, kleinen Gebetshäusern für einzelne Familien und/oder angrenzende Nachbarschaft bis zu großen öffentlichen Gebetshäusern für ganze Stadtviertel ist alles möglich.

Übrigens: Du musst dich nicht nur für eine Art der Gebetsstätten entscheiden. Öffentliche Gebetshäuser schließen private Schreine nicht aus. Spiele also ruhig mit der Nebeneinanderstellung mehrer Gebetsstätten.

Wann braucht deine Religion öffentliche Gebetsstätten?

Im letzten Artikel habe ich schon erwähnt: Je größer und verbreiteter die Religion desto wahrscheinlicher ist es, dass sie formalisiert ist. Je formalisierter die Religion ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es regelmäßige und vorgeschriebene Zeiten für Gebete und Riten gibt. Dann bietet es sich auch an, dass es offizielle Gebetshäuser und Tempel gibt. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass es – nur weil eine Religion weit verbreitet und bekannt ist – einen vorgeschriebenen und öffentlichen Ort zum Gebet gibt.

Für den Bau eines öffentlichen Gebetshauses braucht die Kultur genug Wohlstand und Ressourcen, um ein solche  bauen und finanzieren zu können. Außerdem ist es wichtig, dass es genug Gläubiger in naher Umgebung gibt, dass sich ein solcher Bau lohnt. Ansonsten werden leerstehende Gebäude schnell einem anderen Zweck zugeführt. Letztens ist noch zu bedenken, ob die vorherrschende Art und Weise der Gebete überhaupt eine Gebetsstätte verlangt. Wenn die meisten Gebete alleine oder im Rahmen der Familie abgehalten werden, kann eine Gebetsstätte überflüssig sein.

Die Antwort also: Keine Religion braucht ein öffentliches Gebetshaus, aber grundsätzlich kann jede Religion eines haben.

Größe deiner Gebetsstätten

Die Größe der Gebetsstätte ist im Grunde nur von zwei Dingen abhängig:

  1. Wie viele Menschen nutzen die Gebetsstätte?
    Diese Einschränkung ist ziemlich offensichtlich. Wenn die Gebetsstätte nur von einer Familie benutzt wird, dann braucht man nicht den Platz verschwenden und sie so konstruieren, dass über hundert Leute Platz finden könnten.
  2. Wie viel Platz benötigt das formalisierte Gebet?
    Bleiben die Gläubiger beim Gebet sitzen? Oder ist es nötig, dass sie sich durch den Raum bewegen? Gibt es vielleicht heilige Objekte, die durch den Raum bewegt werden müssen? Braucht die Gebetsstätte Lagerraum für Dinge wie Kerzen, Räucherstäbchen, Essen oder andere Opfergaben? Gibt es einen „Priester“/Geweihten, der das Gebetshaus bewohnt und deswegen Wohnraum benötigt? All das und noch vieles mehr kann sich auf die Größe der Gebetsstätte auswirken.

Räumlicher Aufbau

Der Aufbau einer Gebetsstätte kann viel über die Religion selbst aussagen. Das wichtigste „Stück“ deiner Gebetsstätte sollte direkt vor Kopf sein, wenn man die Gebetsstätte betritt. Ob es eine Statue des Gottes ist, ein Symbol, das ihn oder sie repräsentiert oder auch einfach nur ein Platz für einen Redner oder Gebetsführenden. Dabei solltest du vor allem die Anzahl und die Platzierung der Eingänge überdenken. Bei einem Schrein, der nur von einer Seite „offen“ ist, ist es Recht offensichtlich, wo vor Kopf ist. Ist dein Gebetshaus allerdings von allen Seiten begehbar, dann kann es sein, dass es am sinnvollsten ist, das wichtigste Stück in der Mitte des Raumes zu platzieren und die Betenden darum herum.

Ich rate dir an dieser Stelle dazu einen Raumplan zu zeichnen, damit du dir genau vorstellen kannst, wie deine Gebetsstätte aufgebaut wäre.

Worauf du beim Raumplan achten solltest

Sollte deine Gebetsstätte nicht nur ein Element – im Sinne von Statue, Göttersymbol, Altar oder ähnlichem – besitzen, solltest du bei ihrer Anordnung im Raum auf 4 Dinge achten.

  1. „Leserichtung“
    Wenn wir die Wichtigkeit verschiedener Elemente darstellen wollen, dann tun wir das meist unbewusst in „Leserichtung“. Für uns würde das bedeuten, dass wir von links nach rechts anordnen, aber das kann für andere Kulturen, in denen die Leserichtung umgekehrt oder vielleicht sogar von oben nach unten ist, unterschiedlich sein.
  2. Sichtbarkeit
    Natürlich sollen die Betenden möglichst viele der Elemente in der Gebetsstätte sehen können. Denke dabei an Konstruktionen, die den Blick aus verschiedenen Standpunkten im Raum unterbrechen könnten. Wichtig ist aber auch die Position, in der gebetet wird und dementsprechend sollte die Höhe der wichtigen Elemente angepasst werden.
  3. Symmetrie
    Symmetrie kann viele Bedeutungen mit sich tragen, die ich gar nicht alle erklären kann. Der einfachste Grund ist aber: Es ist angenehm für das Auge. Da sind sich fast alle Kulturen in unserer Welt einig. Trotzdem hast du hier ein bisschen Spielraum, denn es muss nicht immer die Spiegelsymmetrie sein. auch die Punktsymmetire kann zu faszinierenden Design-Möglichkeiten führen. Wichtig ist aber vor allem, dass die Wahl zum Gott passt. Ein Gott des Chaos würde wohl keine Gebetsstätte haben, die symmetrisch ist.
  4. Brauch
    Zuletzt solltest du noch einmal die Bräuche überdenken, die du für deine Religion geschrieben hast. Ist es vielleicht notwendig, dass sich deine Gläubigen vor dem betreten des Gebetshauses – symbolisch oder tatsächlich – reinigen? Dann sollten am oder vor dem Eingang entsprechende Möglichkeiten geboten werden. Gerade solche kleine Rituale in deine Geschichte einfließen zu lassen, kann deine Religion lebendig erscheinen lassen.

Natürlich können sich bestimmte Anordnungsmuster gegenseitig ausschließen, hier hilft dir wieder dein Raumplan, mit dem du aus einer Vogelperspektive planen kannst.

Ein Wort zum Abschluss

Weil Bücher kein visuelles Medium sind, formt sich in den Köpfen der Leser immer ein eigenes Bild. Ganz egal wie präzise du etwas beschrieben hast. Dagegen kannst du mit gezielten Beschreibung und der Hervorhebung besonderer Merkmale vorgehen, aber letztendlich kann sich der Lesende vorstellen, was er/sie will.

Deswegen: Wenn du dir nicht über alle Dinge, die ich dir hier genannt habe, einen Kopf machen kannst oder möchtest, dann wird der Leser schlau genug sein, die Lücken mit etwas Bekanntem zu füllen. Dann mag die Gebetsstätte zwar nicht bei jedem so aussehen, wie du sie dir vorgestellt hast, aber es ist besser, dass sich das Bild von Lesendem zu Lesendem unterscheidet, als dass du bei deiner Geschichte hängen bleibst, nur weil eine Beschreibung fehlt.


Beim nächsten Mal geht es mit den Werten und Lebensgrundsätzen deiner Religion weiter.

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