Du hast deine Geschichte geplant und hast angefangen zu schreiben, aber du bist dir unsicher, wann und wo du deine Kapitel setzen solltest? Und dann ist da noch die Sache mit dem Cliffhanger. Manche Leser lieben ihn und manche legen die Bücher weg, wenn diese Technik zu ausartend benutzt wird.
Der Cliffhanger, eine Definition
Wortwörtlich übersetzt bezeichnet der Cliffhanger jemanden oder etwas, das von einer Klippe herunterhängt. Allerdings hat das Wort anderen Gebrauch gefunden: Der Cliffhanger – mittlerweile auch als Rechtschreibung akzeptiert: der Cliffhänger – ist ein „große Spannung hervorrufendes dramatisches Ereignis am Ende einer Folge einer Rundfunk-, Film- oder Fernsehserie oder eines Buchkapitels, das die Neugier auf die Fortsetzung wecken soll“ (duden).
Mir ist aufgefallen, dass gerade unerfahrene Autoren, denn Cliffhanger oft falsch verstehen. Und das liegt wahrscheinlich an der Formulierung der Definition. Dort wird von „großer Spannung“ und „dramatischem Ereignis“ gesprochen, das „die Neugier auf die Fortsetzung wecken soll“. Das klingt erstmal richtig und sinnvoll – ist es auch bis zu einem gewissen Punkt –, aber es unterschlägt, dass man nicht nur mit großer Spannung und dramatischen Ereignissen Neugier wecken und den Leser zum weiterlesen bewegen kann. Und so passiert es, dass der unerfahrene Schreiberling jedes Kapitel mit einem wortwörtlichen Cliffhanger zu beenden versucht. Doch das tut nichst weiter, als den Leser zu ermüden und darauf zu trainieren, dass die dramatischen Situationen gut ausgehen werden.
Stattdessen hier mein Tipp: Benutze Cliffhanger selten, um seine Effektivität sicherzustellen. Versuche stattdessen in jedem Kapitel Spannung zu erzeugen, die nicht unbedingt im selben Kapitel wieder aufgelöst wird.
Was ist Spannung?
Ich sehe Spannung als Skala, die von der einfachen Neugier bis zur Angst läuft. Das habe ich in einem Beitrag auf dem Blog Show don’t Tell schon einmal beschrieben:
„Die Neugier ist die unschuldigste und unaufdringlichste Art der Spannung. Sie ist ungefährlich und fördert das Gefühl für deine Welt. Sie lässt den Leser erforschen und ganz in deiner Geschichte aufgehen.
Am anderen Extrem sitzt die Angst. Sie ist der panische Höhepunkt, das Herzklopfen und die zitternden Hände, das Monster unter dem Bett und der Mörder, der einen in den Schatten verfolgt. Allerdings ist sie anstrengend und kann nicht lange aufrecht erhalten werden. Genau deswegen ist es so wichtig, dass du sie nur selten einsetzt, schließlich willst du deinen Leser nicht desensibilisieren.
Die Ungewissheit ist die bekannteste Form der Spanunng. Sie umfasst alles von einem aufkeimendem unguten Gefühl bis zu der einsetzenden Unsicherheit vor einer Gefahr.“– aus meinem Artikel „5 Tipps, um beim Schreiben Spannung zu erzeugen“
Viel Spannung, wenig Cliffhanger
Anstatt also auf Biegen und Brechen einen Cliffhanger aus deiner Geschichte pressen zu wollen, reicht es in den meisten Fällen Spannung aufzubauen. Das kann – wie oben beschrieben – Neugier, Ungewissheit oder Angst sein, in all ihren Facetten. Und Spannung entwickelt sich meistens ganz automatisch im Plot. Am Anfang wird der Leser meist von seiner Neugier ins nächste Kapitel getragen und je weiter die Geschichte vorangeht, desto mehr wechselt die Neugier zur Ungewissheit, wenn man beginnt, um Figuren zu bangen.
Schließlich findet auch die Angst – und damit der Cliffhanger – seinen Platz, aber das meist erst ab der Hälfte der Geschichte.
So. Wann solltest du jetzt aber einen Kapitelwechsel vollziehen, wenn nicht nach einem dramatischen Cliffhanger?
Der Kapitelwechsel nach inhaltlichen Entwicklungen
Ein Kapitel sollte eine Sinneinheit deines Buches sein. Was bedeutet das für dich? Du kannst das Kapitel ändern, wenn eine Plotentwicklung oder eine Figurenentwicklung stattgefunden hat. Das geschieht meistens intuitiv dadurch, dass Kapitel sich an den Szenen orientieren und mit einer neuen Szene beginnen und enden.
Und um es ganz deutlich zu machen: Diese Entwicklung muss (und sollte) nicht unbedingt in dem Kapitel beendet werden, sondern lediglich eine neue Facette sein, die dem Leser gezeigt wird. Aus dem Stehgreif fallen mir da ein: Der Bösewicht tritt das erste Mal auf oder der Protagonist erkennt, dass er sich echt doof verhalten hat und sich seine Freunde deshalb von ihm abgewandt haben. In beiden Beispielen ist es nur eine Entwicklung in einem größeren erzählerischen Konstrukt.
Zeit- und Ortswechsel
Falls es dir schwer fällt solche Entwicklungen in deiner Geschichte zu identifizieren – auch beim Schreiben kann man Betriebsblindheit entwickeln – hilft es oft, sich nach Zeit- und Ortswechseln umzuschauen. Denn das sind häufig die Stellen, an denen auch Szenen wechseln. Damit bieten sie sich auch hervorragend für einen Kapitel-Einschnitt an.
Der Kapitelwechsel nach äußeren Beschränkungen
Doch bei der Einteilung deiner Kapitel solltest du nicht nur auf innere Sinnabschnitte achten. Auch von außen können Beschränkungen in die Entscheidung deiner Kapitelsetzung fallen.
Jeder Schreiberling hat seine eigene Schreibweise und Ausdrucksweise. Da fällt auch die individuelle Länger der Kapitel unterschiedlich aus. Bei mir zum Beispiel hat ein Kapitel zwischen 2.300 und 3.300 Wörter. Ich kenne andere Autoren, bei denen ein Kapitel kaum fünf Seiten lang wird und wieder andere, die nicht unter 25 davonkommen. Was davon „besser“ ist, ist subjektive Wahrnehmung. Wichtig ist nur, dass deine Kapitel ungefähr dieselbe Länge haben, damit deine Leser sich auf deinen Rhythmus einlassen können.
Dabei ist es weniger schlimm, wenn ein Kapitel einmalig kürzer als die Norm ist. Was du allerdings unbedingt vermeiden möchtest, ist dass deine Leser ungeduldig vorblättern, weil sie sich fragen, wann das Kapitel vorbei ist. Deswegen: Im Zweifelsfall ein langes Kapitel eher in zwei kürzere teilen als es lang zu lassen.
Die optimale Mischung
Der perfekte Kapitelwechsel findet dann statt, wenn äußere Beschränkungen, inhaltliche Entwicklungen und Spannung zusammenfallen. Das tatsächlich zu planen, kann sehr schwierig sein. Deswegen empfehle ich, es – wie auch alles andere, das mit dem Schreiben zusammenhängt – zu üben und zu wiederholen, bis du ein Gefühl für deinen Schreibstil und -tempo entwickelt hast.
Zum Abschluss noch ein Wort zur Perfektion:
Du musst dich darauf einstellen, dass nicht jeder Satz, den du schreibst Gold ist. Und genauso musst du dir klarmachen, dass auch nicht jeder Kapitelwechsel zum perfekten Zeitpunkt kommen wird. Aber das ist in Ordnung. Deine Leser werden dein Buch nicht zur Seite legen, nur weil ein Kapitelübergang nicht funktioniert hat. Solange du die Kapitelwechsel nicht aktiv an unpassende Stellen legst, bezweifle ich, dass irgendeinem Leser die Einteilung überhaupt auffallen wird. Deswegen: Ruhig Blut. Selbst, wenn du „Fehler“ machst, werden sie kaum jemandem auffallen, der nicht aktiv danach sucht.
Wann wechselst du am liebsten von einem Kapitel ins nächste? Gibt es irgendetwas bei Kapitelwechseln, das dich besonders nervt?
One Reply to “Die Kunst der Cliffhanger – Wann sollte ein neues Kapitel beginnen?”