Vor kurzem bin ich auf ein Video von Overly Sarcastic Productions gestoßen, in dem sie über Urban Fantasy und seine Sub-„Genres“ und Klischees redet. Gleich am Anfang sagt sie „Urban Fantasy is a setting […] in the same way Fantasy and Sci-Fi are settings for different stories.“ Auch wenn das restliche Video sehr informativ war, ist mir dieser Satz schlecht aufgestoßen, denn es ist nicht das erste Mal, dass ich ihn höre. Aber warum wehre ich mich gegen diese Aussage?
Was ist ein Genre? Was ist ein Setting?
Um diese Diskussion führen zu können, möchte ich zunächst mit ein paar Definitionen beginnen. Das Setting ist recht eindeutig die „Gesamtheit von Merkmalen der Umgebung, in deren Rahmen etwas stattfindet, erlebt wird“ (duden). Es ist also, um es noch ein wenig spezifischer auf Bücher zu beziehen, der Schauplatz der Geschichte, sowohl räumlich als auch zeitlich.
Das Genre ist laut Duden nichts anderes als eine „Gattung oder Art (besonders in der Kunst)“, aber diese Definition ist mir ein bisschen zu weitläufig. Deswegen möchte ich ein wenig präziser werden: Als ein Genre bezeichne ich, Arten von Geschichten, die man anhand bestimmter Gesichtspunkte wie z.B. typischem Plotverlauf und typischen Figuren erkennen kann. Einfacher gesagt, verrät das Genre dem Leser, worauf er sich grob bei einem Buch einzulassen hat.
Der Stand der Fantasy
(Bevor es mit dem Artikel weitergeht, muss ich an dieser Stelle sagen: Die Dinge, die ich hier beschreibe, entspringen meiner subjektiven Wahrnehmung. Es ist gut möglich, dass du die Situation anders wahrnimmst und anders erlebt hast. Das möchte ich dir auch nicht absprechen. Das hier soll nur der Hinweis sein, dass meine Erfahrung maßgeblich meine Meinungen geformt haben.)
Besonders in älteren Generationen ist die Fantasy noch nicht wirklich als Literatur akzeptiert. Sie wird oft abgetan als „Kinderkram“, „mindere Literatur“ oder sie wird noch nicht einmal als Literatur bezeichnet. Die Fantasy ist nicht ernst genug, sie ist zu abgedreht und kann sich nicht mit Themen beschäftigen, die „konvetionelle Literatur“ ansprechen kann. Dass ich diesen Aussagen nicht zustimme, muss ich wohl kaum erwähnen. Aber nicht nur bei den Lesern hält sich diese Meinung. Ich erinnere mich sehr deutlich daran, dass ich mich mit meinem Fantasy-Manuskript „Göttersterben“ bei einer Agentur beworben habe. Die Antwort hat mich geschockt. (Inhaltliche Wiedergabe der Antwort, kein Zitat.)
Vielen Dank für die Zusendung Ihres Manuskriptes.
Wir waren von Ihrer Einsendung begeistert, besonders Ihr Schreibstil hat uns überzeugt. Allerdings sehen wir in dem Genre Fantasy keine Zukunft. Wir bitten Sie, sich bei uns zu melden, wenn Sie sich einem richtigen Genre zuwenden, denn dann würden wir Sie gerne vertreten.
Herzliche Grüße
[…]
Einem „richtigen“ Genre?! Das stand tatsächlich wortwörtlich in der Antwort. Ich kann gar nicht sagen, wie wütend ich nach dieser Absage war.
Ist Fantasy ein Genre oder ein Setting?
Das ist die Frage. Ich würde sagen, das eine schließt das andere nicht unbedingt aus. Ein bestimmtes Genre kann durchaus ein typisches Setting haben. Man denke zum Beispiel an Krimis, die meistens in Großstädten spielen oder das New Adult Genre, das größtenteils in Colleges oder Universitäten spielt. Hier denkt niemand zweimal darüber nach, dass das Setting auch das Genre formt. Das Setting ist genauso Teil der Geschichte wie Plot und Figuren und es bei der Definition eines Genres außen vor zu lassen, diskreditiert die Arbeit, die in ein Setting gesteckt werden kann.
Anders herum kann man von einem Setting aber nicht unbedingt auf das Genre schließen. Besonders ein so vielseitiges und abwechslungsreiches Genre wie die Fantasy auf sein Setting zu reduzieren finde ich unsinnig. Die Geschichte spielt in einer Universität? Das könnte Rückschlüsse auf fast jedes Genre zulassen. New Adult, Romance, Krimi, Thriller, Fantasy oder eine Mischung aus einigen von ihnen. Um das Genre eindeutig festzustellen, braucht man mehr Informationen zu der Geschichte und die gehen weit über das Setting hinaus.
Ich gebe zu, dass gerade in der Fantasy (und in der Sci-Fi) besonders viel Arbeit in das Worldbuilding, also meist auch das Setting, gesteckt wird und ja, das macht es zu einem wichtigen beschreibenden Faktor des Genres. Aber zu behaupten die Fantasy wäre ein Setting, bedeutet, dass die Settings verschiedenster Fantasy-Geschichten ähnlich und austauschbar wären, und das ist einfach falsch.
Fazit
Viel zu oft muss ich die Fantasy vor Kritikern verteidigen und „beweisen“, dass sie genauso wertvoll sein kann wie „richtige“ Literatur. Dass sie nicht nur der Abfall von Autoren ist, die zu untalentiert sind für „normale“ Bücher. Zu behaupten, dass Fantasy ein Setting ist und kein Genre – auch wenn es nicht böse gemeint ist – spricht mir und allen anderen Autor:innen die Arbeit ab, die sie in ihre Geschichten stecken. Es bestätigt die Zweifler und Kritiker, dass man die Fantasy weiterhin nicht ernst nehmen muss, weil es ja „nur“ ein Setting ist.
Deswegen wehre ich mich vehement gegen diese Reduktion.
Also: Ja, das Genre der Fantasy beinhaltet oft typische Settings, die das Genre maßgeblich formen, aber die Fantasy allein darüber zu definieren, finde ich unbedacht und schädlich.
Was denkst du? Ist Fantasy ein Genre oder ein Setting?
Kein „richtiges Genre“? Dieser Teil der Zusammenfassung der Agenturantwort hat mich genauso empört wie dich! Ich liebe Fantasy gerade wegen ihrer unglaublichen Vielfalt, der Mannigfaltigkeit ihrer Einsatzmöglichkeiten, ihrer Intensitäten (von ein ganz klein wenig Magie bei Urban Fantasy bis hin zu High-Fantasy-Epen mit eigenen Geschichtsschreibungen und Sprachen), ihrer Wandelbarkeit. Wer das als „Setting“ bezeichnet … nein! Dein Beitrag hier spricht mir wahrlich aus der Seele.
Genau aus den Gründen mag ich die Fantasy eben auch so gerne. Sie ist so wandelbar und abwechslungsreich, viel mehr noch als jedes andere Genre (bis auf die Sci-Fi vielleicht).
Das Wort „Setting“ kommt da noch nicht einmal ansatzweise dran!
Ich finde Fantasy ist auch sehr viel komplexer als die anderen Genres. Damit will ich die anderen Genres nicht klein reden, aber bei Fantasy musst du sehr viel Zeit in das World Building und in die Logik dieser Welt reinstecken. Du musst ja eine ganze Welt erfinden – wie in Gott und musst aufpassen, dass du dich immer hübsch an deine eigenen Regeln hält oder in den meisten Fällen halt. Wenn du zu viele Regeln brichst, verliert die Geschichte an Struktur und Leser verzeihen das nicht.
Toller Artikel und ich finde es Schade, dass Fantasy als ein Setting degradiert wird >.<. Wenn ich das Setting von Harry Potter mit dem von Herr der Ringe austauschen würde, dann wäre Harry Potter kein Harry Potter mehr.
Viele Grüße!