Als Schreiberling ist ein großer Teil des Schreibens das Beschreiben. Eine Aufgabe, die ich notorisch nicht mag und das liegt vor allem daran, dass mein bildliches Gedächtnis extrem schlecht ist. Das wurde mir vor kurzem durch einen Tweet wieder ins Gedächtnis gerufen und weil mir mal wieder aufgefallen ist, dass die meisten Leute gar nicht wissen, wie man ohne Bilder im Kopf denken oder gar kreativ sein kann, wollte ich ein bisschen Licht ins Dunkel bringen.
Wie sehe ich Bilder im Kopf?
Naja, die einfache Antwort ist wohl: sehr wenig, aber da muss ich wohl ein bisschen weiter ausholen. Und zuerst noch ein Disclaimer: Menschen, auch die mit keinem oder einem schlechten bildlichen Gedächtnis, sind vielfältig. Das, was ich hier beschreibe, sind meine Erfahrungen und kann bei der nächsten Person wieder ganz anders aussehen.
Weiter im Text.
Wie sieht ein Apfel aus?
Wenn ich nun einen Apfel beschreiben sollte, dann ruft das kein Bild sondern eher ein Konzept in meinen Kopf hervor. Ich weiß, dass Äpfel rot bis grün und manchmal sogar gelblich sind. Sie sind rundlich. Können eine glatte oder raue Oberfläche haben. Manchmal haben sie einen Stiel, manchmal nicht. Ungefähr faustgroß oder kleiner. Manchmal mit „Makeln“ wie Hubbeln, Hagelschlag oder Wurmlöchern. Schmecken süß bis säuerlich (auch wenn das technisch gesehen nichts Visuelles ist).
Anstelle eines Bildes kenne ich eine Reihe von Eigenschaften, die aber zusammengesetzt kein Bild ergeben. Das klingt vielleicht ein wenig abstrus, aber später im Artikel habe ich versucht, meine unbildliche Wahrnehmung einmal bildlich darzustellen. Bevor ich dazu komme, möchte ich aber noch ein bisschen mehr erklären.
Beschreiben ohne bildliches Gedächtnis
Weil es sich bei meinem Blog um einen Schreibblog handelt, möchte ich die Kurve zu dem Beschreiben in Geschichten schlagen. Wenn man bedenkt, dass ich mir weder Orte noch Figuren oder Gegenstände bildlich vorstellen kann, kannst du dir bestimmt denken, dass ich beim Beschreiben meine Probleme habe.
Tatsächlich fehlen bei mir bei der Erstversion meiner Geschichten die (äußerlichen) Beschreibungen immer völlig. Natürlich beschreibe ich, wie sich die Figuren verhalten und und wie sie mit dem Raum interagieren, aber das Aussehen bleibt vollkommen unbeschrieben. Erst im Überarbeitungsdurchgang fange ich an Beschreibungen hinzuzufügen. Dabei fängt das bei mir im Kopf meistens mit einem Gefühl an.
Angenommen, meine Figuren befinden sich in einer Grabkammer unter einer Burg. Soll es gruselig sein? Oder mysteriös? Ganz alltäglich? Dann denke ich darüber nach, wie das Setting dieses Gefühl unterstützen könnte. Wenn es gruselig sein soll, dann sollten sich die Figuren unwohl fühlen. Ich würde es also kalt und still machen (wie dir hoffentlich auffällt, ist das noch keine visuelle Beschreibung). Erst wenn ich mir über das Gefühl der Szene vollkommen sicher bin, beginne ich mit der äußerlichen Beschreibung.
Keine Geduld
Weil ich eben nur wenig visuelle Vorstellungskraft habe, habe ich wenig Geduld, was meine Beschreibungen angeht. Das ist für das Fantasy-Genre, in dem ich mich bewege, recht ungewöhnlich, weil neue Welten ja eigentlich von ihrer lebendigen Beschreibung leben sollten. Da ich aber Beschreibungen auch beim Lesen notorisch überspringe, versuche ich, mich auf die wenigsten aber aussagekräftigsten Beschreibungen zu beschränken. Das soll gleichzeitig dafür sorgen, dass sich Leser wie ich sich nicht langweilen und visuelle Denker genug Material haben, um sich die Umgebung vorzustellen.
Stattdessen versuche ich die Beschreibungen meiner Umgebung in die Handlung der Figuren einfließen zu lassen. Sie lehnen sich gegen die „gemauerte Wand“. Ihre Stimmen hallen „unnatürlich laut durch den offenen Raum“. Oder so ähnlich.
Multitasking bei den Beschreibungen also, um meiner Ungeduld vorzubeugen.
Mit bekannten Bildern arbeiten
Außerdem ist die Wortwahl beim Beschreiben sehr wichtig, denn sie kann einem viel unnötiges Beschreiben abnehmen. Denke zum Besipiel an den Unterschied zwischen Topf und Kessel. Offensichtlich sind das unterschiedliche Gegenstände, aber wenn du von vornherein spezifisch benennst, dann musst du dich später in der Szene nicht wiederholen bzw. deutlicher werden.
Außerdem habe ich keine Angst davor, mit „Inspirationsbildern“ zu arbeiten. Dabei nutze ich Google und suche einfach nach Bildern von ähnlichen Orten, die ich beschreiben möchte und beschreibe dann, was ich sehe. Keine Sorge: Niemand wird merken, wenn du ein Hilfsbild hattest. Deine Beschreibungen werden höchstens spezifischer und detailreicher. Denn wie deine Geschichte im Kopf deiner Leser aussieht, ist sowieso immer unterschiedlich.
Listen mit Inspiration
Zusätzlich bin ich über den Lauf meiner Schreibkarriere zu einem aufmerksamen Beobachter geworden. Wenn ich etwas, das ich sehe, spannend finde, dann schreibe ich es sofort auf, denn wenn ich wegschaue, kann ich es wahrscheinlich nicht mehr beschreiben. Auf meinem Handy habe ich eine Liste, auf der – neben Dialogfetzen, die ich mir merken will – ich viele Umgebungsbeschreibungen festhalte, damit ich später quasi mein eigenes kleines Nachschlagwerk habe.
Hier ein paar Beispiele:
„Ihre Haare waren von einem hellen blond, das so viele Kinder verloren, wenn sie älter wurden.“
„Himmel und Meer verschmolzen am Horizont.“
„Graue Flocken tanzten im Wind.“ (für eine Beschreibung nach einem Feuer)
Testleser
Meine größte Rettung sind aber meine Testleser, denn sie sagen mir ohne wenn und aber, an welchen Stellen ich zu wenig beschrieben habe. Weil ich selbst nicht das Einschätzungsvermögen habe, vertraue ich da völlig auf sie. Dennoch bleiben meine Beschreibungen immer auf der kurzen Seite. Aber auch hier will ich mich nicht Lumpen lassen und zeige euch einen kleinen Ausschnitt aus meinem aktuellen Roman, der nur entstanden ist, weil meine Testleser gesagt haben, dass sie sich die Umgebung nicht vorstellen können.
„Eine Fliege summte träge von einem geöffneten Fenster zum Nächsten, doch sonst ließ sich niemand blicken. Die Musik und Menschen waren einer unheimlichen Stille gewichen. […]
Lange Stoffbahnen, die im Sommer die Sonne fernhielten, waren von Hausdach zu Hausdach gespannt. Jede neue Gasse leuchtete im Schatten einer anderen Farbe und die Löcher im Stoff ließen pures weißes Licht auf den Boden regnen. Tomo genoss das Farbenspiel. Es war die Essenz von Hedassimar.
Enge Gassen durchsetzt von hellen Strahlen.“
Wie stelle ich mir Dinge vor, wenn nicht in Bildern?
Kehren wir zurück zu dem Apfel vom Anfang dieses Beitrags. Ich sehe den Widerspruch darin meine unbildliche Wahrnehmung, bildlich darstellen zu wollen, aber trotzdem möchte ich es an dem Beispiel des Apfels versuchen. Also präsentiere ich dir hier, einen Apfel wie ich ihn in meinem Kopf „sehe“:
Wie gut funktioniert dein bildliches Gedächtnis und wie nimmst du damit Beschreibungen in Büchern wahr?
Ich werde mir jetzt nicht anmaßen, Phex behüte, einer Bardin Tipps zu geben. Doch blicke ich auf meine bescheidenen Pamphlete und Gedichte, dann fällt mir ein, dass ich vom Klischee des Autors in andere Bereiche gedriftet bin. Obwohl ich zustimme, dass man an seinen Schwächen arbeiten sollte, kann man sein Wirken auch verlagern. Nutzen Sie Hörspiel und Animationsfilm doch mal als Medium, statt nur zum Konsum. Wäre ja möglich, Ihre Notizen schreiben, aber dann eben in Wort und Bild an das Publikum weitergeben, gefällt Ihnen? Rhetorische Frage. Ihnen alles Gute!
Merke auch immer wieder bei mir, dass ich wenig die Umgebung beschreibe, oder auch das Aussehen meistens nur kurz, oft steht dann in da [Beschreibung Einfügen], was mein Zukunfts-Ich dann immer sehr erfreut 😀 Nutze auch gerne Pinterest, um mir Orte was besser und detailreicher vorzustellen.
Liebe Grüße
Nadine
Die eckigen Klammern mit [Beschreibung einfügen] benutze ich auch vieeeeeeeel zu oft. Deswegen wächst mein Manuskript beim Überarbeiten auch immer noch so viel^^