[Worldbuilding] Götter selber bauen (Teil 2) – Menschenspezifische Götter

In Teil 1 meiner kleinen Reihe „Götter selber bauen“ habe ich dir eine Einleitung dazu gegeben, was für Arten von Naturgöttern es geben kann. In diesem Beitrag wenden wir uns den menschenspezifischen Göttern zu und ihren unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen. Auch hier verwende ich wieder viel Zeit auf das Erklären der einzelnen Kategorien, aber ich verspreche dir, dass es sich spätestens mit dem nächsten Artikel lohnen wird!

menschenspezifische Götter

Was meine ich genau mit menschenspezfisch? Anders als die Naturgötter, die auch ohne die Menschen entstanden sein könnten, konzentrieren sich die menschenspezifischen Götter auf Konzepte, die ohne die Menschen (oder andere vergleichbar intelligente Rassen, immerhin sind wir in der Fantasy) nicht existieren könnten. Da wären zum Beispiel:

1. Familie, Freunde und Gemeinschaft.

Diese Kategorie ist absichtlich weit gefasst und enthält zum einen die Rollen einer Familie, wie Vater und Mutter, aber auch Konzepte die im Weitesten Sinne damit zu tun haben, wie Zusammenhalt, Loyalität oder Gastfreundschaft. Auch so etwas wie Recht und Ordnung kann in diese Kategorie gezählt werden, eben alles was dazu beiträgt, dass die Strukturen von Familie, Freundschaft und Gemeinschaft aufrecht erhalten werden. Hier kannst du dir Gedanken darüber machen, ob du die Götter in einer Hierarchie anordnen möchtest, die diese Strukturen wiederspiegelt. Was würde ein Göttervater an der Spitze anderes aussagen als eine Göttermutter? Was wenn alle Götter egal ob „Vater“ oder „Mutter“ gleichgestellt sind?
Beispiele für diese Götter sind der altägyptische Gott der Geburt Bes, die nordische Göttin der Familie Frigg/Frija, die aztekischer Göttin der Großmütter Tzitzimitl und die griechische Göttin der Mutterschaft und Familie Hera.

2. Handwerk

Das Handwerk macht einen großen Teil des Charakters der Menschenvölker aus. Was für Gottheiten es hier gibt, hängt vor allem davon ab, welche handwerklichen Berufe existieren und welche hoch angesehen sind (das hat oft mit Geld zu tun). Schmiede haben oft einen eigenen Gott. Aber anders steht es zum Beispiel mit Gerbern. Wenn du „handwerkliche“ Götter erstellst, dann denke darüber nach, was die Berufe für eine Assoziation hervorrufen. Kein Sterblicher würde einen Gott beleidigen wollen, indem er ihm die Aufgabe der Reinigung Kanäle zuschreibt. Also, gehe die Berufe durch: Weber, Färber, Holzbearbeiter, Schreiber, Jäger, Holzfäller usw. Welche sind für deine Kultur so unabdingbar, dass sie einen eigenen Gott rechtfertigen würden?
Als Orientierung: Götter, die zu überlebenswichtigen Dingen zutragen wie Nahrungsbeschaffung sind verbreiteter als Götter der handwerklichen Luxusgüter.
Beispiele für diese Götter sind der griechische Gott der Schmiedekunst Hephaistos und der aztekische Gott der Fischer Amimitl.

3. Landwirtschaft und kultivierte Natur

Nah an den Göttern des Handwerks sind oft auch die Götter der Landwirtschaft und der kultivierten Natur. Mit „kultivierter Natur“ meine ich die Teile der Natur, die durch den Menschen verändert und zu seinem Vorteil genutzt werden. Man denke an Nutztiere, gezüchtete Pflanzen und Flüsse, die in ihrem Lauf verändert wurden. Tatsächlich sind die Götter der Landwirtschaft und des Handwerks nicht immer streng auseinanderzuhalten, weil sich ihre Zuständigkeitsbereiche oft überschneiden. Lediglich ihre Einstellung ist eine andere: Landwirtschaftsgottheiten haben meist den Erhalt und das Gleichgewicht von Natur und Mensch zum Ziel, während die Handwerksgötter ihr Handwerk ohne die Rücksicht auf die Konsequenzen ausgeführt sehen möchten.
Beispiele für Landwirtschaftsgötter sind die aztekische Göttin des Maises und der Nahrung Chicomecoatl, die griechische Fruchtbarkeits- und Erdgöttin Demeter und Ninigi aus dem japanischen Shinto, der veratwortlich ist für die Existenz des Reises.

4. Unterhaltung und Freude

Eine weitere wichtige Rolle übernehmen die Götter der Unterhaltung und Freude. Auch diese Kategorie ist absichtlich vage gehalten, zielt aber im Allgemeinen auf die „weltlichen Freuden“ wie Alkohol, Tanz, Feiern und Sex (ohne den Fruchtbarkeitsaspekt) ab. Es hat mich schon ein wenig überrascht, dass jede polytheistische Kultur, die mir untergekommen ist, einen spezifischen Partygott hatte. Diese Partygötter bieten meist einen scharfen Kontrast zu den ansonsten Recht ernst gehaltenen anderen Göttern. Sie haben schelmische Einschläge und machen sich häufig einen Spaß daraus, die Menschen hinter das Licht zu führen.
Die alten Griechen hatten den Gott des Weines und der Ekstase Dionysus, die Azteken haben mit Macuilcozcacuauhtli, Macuilcuetzpalin, Macuilmalinalli und Macuiltochtli gleich vier Götter des Überflusses und daneben noch Tlazolteotl die Göttin der Wollust und die Ägypter beteten zu der Göttin der Schönheit, der Musik und des Tanzes Hathor.

5. Schutz, Krieg und Tod

Diese Kategorie mag auf den ersten Blick etwas weit gefasst aussehen, aber ich hoffe du kannst ihre innere Logik nachvollziehen. Die Menschen sehnen sich danach geschützt zu sein, sowohl im Krieg als auch nach ihrem Tod. Somit kann man die Totengötter (und auch die Götter des Totenreiches) als eine Art Schutzgott betrachten. Auch wenn ich mir sicher bin, dass viele Kulturen nicht mit dieser Interpretation übereistimmen, halte ich sie dennoch für elegant.
Camaxtli (aztekisch), Ares (griechisch), Gunshin (Shinto), Month (ägyptisch) und Tyr (nordisch) sind alles Kriegsgötter. Die Götter des Todes bzw. des Totenreiches sind ebenso zahlreich, wenn nicht sogar noch zahlreicher vertreten. Allerdings möchte ich hier noch nicht darauf eingehen, denn um das Jenseitsbild deiner Religion soll es zu einem späteren Zeitpunkt gehen.

6. Das Böse

Götter sind nicht nur gut. Sie können grausam, ungerecht und tödlich sein. Auch das dürfen die menschenspezifischen Götter widerspiegeln. Egal ob Krankheit, Umweltkatastrophen (auch wenn man die zu den Naturgöttern zählen könnte), Lüge, Betrug oder Plagen. Wenn es keinen ausgeschriebenen „Teufel“ in deiner Religion gibt, dann müssen auch diese „Aufgaben“ von den Göttern übernommen werden.
Da gibt es Sachmet, die ägyptische Göttin der Krankheit (aber auch der Heilung), Apollo, der griechische Gott der Pest (unter anderem) und Chalchiuhtotolin, aztekischer Gott der Krankheiten und Plagen.

7. noch viel mehr

Wie auch bei den Naturgöttern kann ich nur sagen, dass diese Liste unvollständig ist. Sie dient eher dazu, dir einen Überblick zu verschaffen, welche Arten von Göttern häufig existieren. Dabei sollen sie dir in keinster Weise vorschreiben, welche Götter in deiner polytheistischen Religion vorhanden sein müssen. Du kannst so allgemein oder spezifisch werden, wie du möchtest. Die Azteken haben zum Beispiel einen Gott namens Chicomexochtli, der im speziellen dem Schutz der Maler dient.

Sei kreativ und mutig. Egal was für absurde Götter du dir überlegen kannst, die polytheistischen Religionen, die es bereits auf der Welt gab, können auf jeden Fall mithalten!

Ein Beispiel: Die Zwillingsgöttinen Enda und Hefst

Jetzt, wo ich dir gezeigt habe, wie viele verschiedene und vielfältige Götter es in deinen Religionen geben kann, möchte ich meine Methode hier (und in den folgenden Beiträgen) an einem Beispiel demonstrieren. Dazu werde ich in jedem Artikel ein wenig Worldbuilding betreiben und euch nach und nach eine eigene polytheistische Religion aus meinem Buch vorstellen.

Die Religion an sich hat (noch) keinen Namen, aber die Mitglieder stehen schon fest: Mit nur zwei Göttinnen zählt sie zwar technisch schon zu den polytheistischen Religionen, aber diese geringe Zahl an Göttern ist eher ungewöhnlich. Die Namen dieser Göttinen sind Enda (= das Ende) und Hefst (= der Anfang) und da sie stets zusammen auftreten, werden sie auch die Zwillingsgöttinnen der Hranafall Inseln genannt.
Die Hranafall Inseln sind mit der Antarktis unserer Welt zu vergleichen und der Ursprungsort dieser Religion.

Mehr möchte ich für den Anfang gar nicht zu ihnen sagen. Wie ich zu ihren Zuständigkeitsbereichen, ihren Symbolen und ihrer Ursprungsgeschichte gekommen bin, erkläre ich dir in späteren Artikeln.

 


Nächste Woche erkläre ich dir, wie du durch die Zuordnung verschiedener Aufgaben interessante Götter erstellen kannst.

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