Die meisten meiner Beiträge entstehen, weil ich eine Schwäche in meinem Schreiben entdecke. Dann ist der Arbeitsablauf immer derselbe: Ich recherchiere, wie man diese Schwäche ausbügeln kann, wende es an, finde eigene Wege, wie ich die Tipps anwende und dann schreibe ich einen Artikel darüber, damit auch andere von meiner Recherche profitieren können. Heute also die Frage: Wie kann ich Emotionen beschreiben, ohne mich immer auf dieselben zwei Gestiken und Mimiken zu berufen?
Wie ich Emotionen beschreibe, wenn ich mich nicht zurückhalte
Meine Figuren zucken viel mit den Schultern, lächeln und nicken. Manchmal wird eine Augenbraue gehoben, aber das ist schon das Höchste der Gefühle. Und sie nicken. Habe ich das schon erwähnt? Alle nicken. Ständig. Es laufen alle rum wie die Wackel-Dackel vom Dienst und das irritiert nicht nur den Leser.
Dieses Problem haben in meiner Erfahrung viele Schreiberlinge. Nicht unbedingt das Wackel-Dackel-Problem, aber jeder hat so seine drei, vier, fünf Gestiken oder Mimiken, auf die zurückgegriffen wird. Quasi der Default. Und es braucht eine Menge Mühe und Anstrengung, um von diesem Default abzulassen.
Dabei ist es eigentlich gar nicht schwierig. Jeder weiß, dass Figuren nicht nur nicken und lächeln können. Und wie sich Emotionen ausdrücken, weiß man auch. Woran liegt es dann, dass man doch immer auf dieselben Ausdrücke zurückgreift?
Meine Behauptung und Erfahrung: Es ist hauptsächlich Gewohnheit.
Emotionen identifizieren und anwenden
Ich denke an dieser Stelle muss ich ein wenig einlenken, damit du verstehst, was mein Ausgangspunkt ist. Ich bin ein Mensch mit einer niedrigen sozialen Intelligenz. Mir fällt es schwer in anderen Menschen Emotionen zu lesen und zu identifizieren. Weil ich es oft einfach nicht mitbekomme, wie sich jemand fühlt, fällt es mir auch schwer darüber zu schreiben.
Aber auch, wenn du wahrscheinlich besser mit Emotionen umgehen kannst als ich, kannst du vielleicht doch wertvolle Tipps aus diesem Beitrag ziehen. Wundere dich also bitte nicht, wenn ich möglicherweise „offensichtliche“ Methoden Emotionen zu identifizieren beschreibe.
Die 7 Basisemotionen
Paul Ekman, US-Amerikanischer Anthropologe und Psychologe, hat in seinen Theorien 7 Basisemotionen identifiziert, die jeder Mensch unabhängig von Kultur und Hintergrund erkennen und ausdrücken kann. Zwar sind seine verschiedenen Theorien aus vielen Gründen kritisiert und in Frage gestellt worden, aber für unsere Zwecke und der Einfachheit halber, wollen wir uns für diesen Artikel auf die 7 Basisemotionen beschränken.
Diese Basemotionen sind Wut, Ekel, Verachtung, Freude, Trauer, Angst und Überraschung.
Aber bevor wir damit anfangen:
- Der gleiche Mensch kann die gleiche Emotion auf verschiedene Arten ausdrücken.
- Unterschiedliche Menschen können die gleiche Emotion unterschiedlich ausdrücken.
- Manche Menschen drücken eine Emotion intensiv aus, andere nur schwach oder auch gar nicht.
Das heißt für dich als Schreiberling: Gestik, Mimik und Körpersprache sind immer im Kontext der Szene zu verstehen und nicht immer ein Allheilmittel.
Bei mir haben diese Überlegungen in einer Tabelle geendet, in der ich emotionstypisches Verhalten aufgeschrieben habe und die ich zu Rate ziehen kann, wenn ich in einer Szene unsicher bin.
Merkblätter für Emotionen
Ich bin auf eine wissenschaftliche Arbeit von 2014 gestoßen namens Bodily maps of emotions von
Das obere Ende der Skala (weiß bis rot) zeigt dabei an, wie sehr der Körperteil bei den verschiedenen Emotionen „aktiviert“ wird und der untere Teil der Skala (hellblau bis dunkelblau), welche Körperteile „deaktiviert“ werden.
so ist es zum Beispiel aufällig, dass die meisten Menschen Wut im Oberkörper, besonders Gesicht, Brust und Händen spüren. Trauer z.B. beansprucht zwar ebenfalls die Brust, aber in geringerem Maße und die Beine werden deaktiviert.
Tabellen
Ich habe mir Tabellen für emotionstypisches Verhalten angelegt. Dabei unterteile ich nach Emotion und zähle für jede beispielhafte Mimik, Gestik und Haltung auf. Dabei gehe ich im Detail auf das Gesicht ein, dort unterteile ich nach Stirn, Augenbrauen, Augen, Nase und Lippen/Mund. Der restliche Körper wird in größere Abschnitte unterteilt. Nacken, Schultern, Arme, Hände, Brust, Beine und Füße. Das kann bei dir ähnlich oder ganz anders aussehen, wichtig ist eigentlich nur, dass du eine große Spannbreite an Optionen vor dir hast.
So kannst du dann, wenn du im Schreiben feststecken solltest, oder deine Figuren zum drölfzigsten Mal genickt haben, auf einen großen Wortschatz unterschiedlicher Reaktionen zurückgreifen.
Figurspezifisches Verhalten
Es sei auch etwas gesagt, für figurspezifisches Verhalten. Was meine ich damit? So wie das Aussehen von deinen Figuren ein Erkennungsmerkmal sein kann, so kann Gestik, Mimik und Haltung genau dasselbe tun. Der Unterschied besteht hauptsächlich darin, dass sich Aktionen dynamischer anfühlen und anders als Beschreibungen, die den Lauf der Geschichte unschön zum anhalten bringen können.
Denke also mal darüber nach, ob du (vor allem deinen Hauptfiguren) eine Geste geben möchtest, an der der Leser sie wiedererkennen kann. Vielleicht kaut die Figur beim Nachdenken auf den Fingernägeln, vielleicht wippt sie ständig mit dem Fuß, vielleicht ist es auffällig, wie wenig sie sich in einem Gespräch eigentlich bewegt. Möglichkeiten hast du hunderte und es ist auch interessant, wenn Figuren anfangen einander (unbewusst) zu imitieren. So kannst du auf ganz subtile Art und Weise zeigen, wie eng sie mittlerweile zusammengewachsen sind.
Zum Abschluss
Es mag sich am Anfang etwas seltsam anfühlen, sich für etwas so Banales wie Emotionen eine Tabelle mit Reaktionen anzulegen, aber aus meiner eigenen Erfahrung kann ich dir sagen, dass es mir unheimlich geholfen hat. Mein Schreiben ist abwechslungsreicher geworden. Zwar setze ich diese Liste meist erst in dem ersten Überarbeitungsdurchgang ein, damit ich beim Erstdurchlauf ohne nachzudenken von der Leber schreiben kann. Doch gerade da hat sie mir schon wahnsinnig Zeit gespart.
Was hältst du von einer Liste für Emotionen? Benutzt du etwas Ähnliches? Würdest du diese „Liste“ mal ausprobieren?
Hi Sina!
Du sprichst mir aus der Seele. Auch ich nutze immer wieder dieselben Gestiken und Mimiken, sodass es mich beim Schreiben schon selbst nervt. Ich werde deinen Tipp beherzigen und auch mal solch eine Liste/Tabelle anlegen, die ich mir dann beim Schreiben neben den Laptop lege. Hoffe, dass die Gestik/Mimik meiner Figuren dadurch etwas abwechslungsreicher wird.
LG, Annie
Hallo Annie!
Würde es dir helfen/dich interessieren, wenn ich in einem neuen Beitrag einfach mal durch meine Liste gehe? Dann können wir mal abgleichen, was wir uns so überlegt haben 😛
LG Sina
Hey Sina!
Das wäre eine tolle Idee 🙂 Werde mir auch mal eine Liste erstellen und dann können wir gern abgleichen.
LG, Annie
Die Idee mit der Tabelle finde ich interessant. Vor allem, dass der ganze Körper miteinbezogen werden soll beim Ausdruck der Emotionen. Sobald ich Zeit habe, versuch ich es auch Mal mit der Tabelle (Mal schauen, ob ich es heute Abend noch hinbekomme…)
Vielen Dank für diesen Artikel!
Nur noch eine Anmerkung: eine Beispieltabelle fände ich anschaulich im Artikel. Dann hat man etwas woran man sich orientieren kann.
Das habe ich mir im Nachhinein auch gedacht. Da werde ich wohl einen Ergänzungbeitrag schreiben, wo ich mal meine Liste poste^^
Dann kann man sich die gleich mitnehmen und nach eigenem Bedarf anpassen 🙂
Sehr hilfreich ist der Verweis auf den Körper. Werde ich sicherlich noch gebrauchen. Besonders weil ich an einem Krimi schreibe. Das macht dann auch die Verhöre interessanter.
https://uberlaufer.wordpress.com/2020/09/02/ins-netz/
Das Wackel-Dackel-Problem fühle ich sooo haha 😀