Hast du dir schon einmal deine Geschichten durchgelesen und gemerkt, dass sich deine Figuren aus irgendeinem Grund distanziert anfühlen und dass es schwierig ist, sich mit ihnen zu identifizieren? Vielleicht liegt es daran, dass du Filterwörter benutzt.
Was sind Filterwörter?
Ein Filterwort ist ein Verb, das auf die Sinne und Gedanken der Figuren aufmerksam macht. Denke hier an hören, sehen, schmecken, fühlen, riechen und denken mit all ihren zahlreichen Synonymen und Umschreibungen. Das Konzept der Filterwörter habe ich aus dem Englischen (dort: filter words) übernommen und somit auch ihren Namen beibehalten.
Warum behindern Filterwörter deine Schreibstimme?
Warum Filterwörter schädlich sein können, kann ich wohl am besten an einem Beispiel zeigen, das eine kleine Szene beim Frühstück beschreibt:
Annika nahm einen Bissen von ihrem Brötchen und verzog das Gesicht. Es schmeckte vollkommen versalzen. Sie fragte sich, wie man sogar ein einfaches Käsebrötchen vermasseln konnte. Dabei hatte es gar nicht schlecht gerochen, dachte sie und schluckte. Sie fühlte die kaum gekauten Bissen wie einen Stein ihre Kehle hinunterrutschen. „Danke für das Frühstück“, sagte sie mit einem gezwungenen Lächeln und dachte still, dass sie ihrem Freund nie wieder das Kochen überlassen würde.
Natürlich ist das Beispiel hier sehr übertrieben, aber es demonstriert gut, was Filterwörter eigentlich machen:
Filterwörter machen deinem Leser deutlich, dass sie sich nicht in deiner Geschichte befinden, sondern dass es jemand anders ist, der die Geschichte erlebt. Und diese Distanz macht es dem Leser deutlich schwieriger, sich mit deinen Figuren zu identifizieren und mit ihnen mitzufiebern. Außerdem zeigt es, dass du dem Leser nicht vertraust mit einer indirekten Stimme umzugehen. Nicht umsonst findet man Filterwörter am häufigsten in Kinderliteratur.
Filterwort einsetzen oder nicht?
Natürlich sind Filterwörter nicht immer schlecht. Auch für sie gibt es einen Platz und eine Zeit, wann sie eingesetzt werden können und auch sollten.
Wann du ein Filterwort nutzen kannst
Dialoge können von Filterwörtern profitieren, denn sie werden im normalen Sprachgebrauch oft benutzt und so wirken deine Dialoge gleich viel natürlicher. („Ich fühl‘ mich nicht so gut.“ „Und da habe ich mir gedacht, dass […]“ „Das schmeckt aber lecker!“ )
Genauso Erzählsequennzen und Rückblicke, die keine ganze Szene einnehmen sondern nur nebenbei erzählt/erwähnt werden. Mit Filterwörtern zeigst du, dass der Erzähler auch einen Abstand zu dem Geschehenen hat, auch wenn das für den Leser eher unbewusst ist.
Filterwörter umgehen auch blumige Beschreibungen, sie sind direkt und schnell, auch wenn sie etwas unpersönlich sind. So kannst du einen spannenden Kontrast zu deinem normalen Stil erwirken.
Wann du ein Filterwort (meistens) ersetzen solltest
Sobald es zu den inneren Gedanken deiner Perspektivträger geht, sollten Worte wie „denken“ komplett aus deinem Wortschatz verschwinden. In 99% der Fälle ist es sehr einfach herauszufinden, was deine Figuren denken und was sie erleben und es muss nicht noch extra gekennzeichnet werden.
Am einfachsten und effektivsten ist es, Filterwörter zu ersetzen, wenn du das Geschehene durch eine Aktion deiner Figuren ersetzen kannst. Aus „Sie fühlte die Blase an ihrem Fuß unangenehm brennen.“ wird dann einfach „Die Blase an ihrem Fuß brannte.“ oder sogar „Sie humpelte.“
Hier kommen wir nämlich wieder bei dem (umstrittenen) Tipp „Show, don’t Tell“ an. Filterwörter sagen dem Leser, was passiert, Aktionen zeigen. Und in den meisten Fällen möchtest du, dass dein Leser deine Geschichte erlebt, also sollten Filterwörter nur eingesetzt werden, wenn du aktiv etwas erzählen möchtest.
Wie sähe die kleine Szene vom Anfang aus, wenn ich sie umschreiben würde?
Annika nahm einen Bissen von ihrem Brötchen und verzog das Gesicht. Es war vollkommen versalzen. Wie konnte man ein einfaches Käsebrötchen vermasseln? Dabei hatte das Frühstück gar nicht schlecht gerochen. Sie schluckte und die kaum gekauten Bissen rutschten wie ein Stein ihre Kehle hinunter. „Danke für das Frühstück“, sagte sie mit einem gezwungenen Lächeln. Nie wieder würde sie ihrem Freund das Kochen überlassen.
Es ist bei einem einzigen Filterwort geblieben, das zwischen den anderen Sätzen, die jetzt aktiv vom Leser miterlebt werden gar nicht auffällt. Vor allem, weil es eine Situation ist, in der sich Annika an den Geruch erinnert.
Zum Abschluss
Filterwörter sind nicht per se schlecht. Wie bei vielem anderen beim Schreiben auch ist es die Masse, die es macht. Hin und wieder ein Filterwort einstreuen, wie oben in dem „überarbeiteten“ Beispiel stört weder den Lesefluss, noch holt es den Leser aus der Geschichte. In meiner Erfahrung sind Filterwörter eher ein Zeichen von der Unsicherheit des Autors. Und diese Unsicherheit kann sich darin manifestieren, dass man alle Beschreibungen überdeutlich formulieren möchte.
Da bleibt mir am Ende nur ein Tipp: Vertraue deinen Lesern. Sie sind schlau und können auch aus nicht ganz vollständigen Informationen ein vollständiges Bild bauen.
Sind dir schonmal Filterwörter in deinen Texten aufgefallen? Wie bist du damit umgegangen? Findest du sie überhaupt schlimm?
Übrigens hat auch Yvonne über Filterwörter geschrieben. Ihren Artikel findest du hier.
Ich glaube, ich habe ein Problem, ich fand das Beispiel mit den zahlreichen Filterwörtern nämlich besser, als das ohne. Aber liegt vielleicht auch daran, dass die Sätze dadurch länger sind und mehr miteinander verbunden?
Danke dir für diesen interessanten Beitrag!
Vieles geht auch auf die eigene subjektive Wahrnehmung zurück. Dass du das Beispiel mit den Filterwörtern mehr magst, ist nicht falsch und auch nicht schlecht. Wie auch jede andere Kunstform durchläuft auch der „allgemeine Schreibstil“ Trends und Phasen und im Moment ist es modern und „normal“, auf Filterwörter zu verzichten. Was nicht heißt, dass es anders herum falsch ist. 🙂
Aber trotzdem finde ich deine Wahrnehmung sehr interessant. Fühlst du dich denn im ersten Beispiel mehr mit Annika verbunden? Oder liegt es doch nur am Leserhythmus des ersten Beispieles?
Hi Sina, schöner Beitrag und darauf zu achten, macht mehr als Sinn, finde ich.
Habe es gleich als Todo für meinen neuen Roman hinzugenommen. Es gibt sicherlich Passagen, wo ich Nähe erzeugen will und auf denken und fühlen zugreife anstatt eben jenes einfach zu beschreiben.
Was ich gut finde, dass ich mit der Suchfunktion hier weiterkomme.
Ich würde aber bei deinem Beispiel fast argumentieren, dass „sagte“ auch ein Filterwort ist, du also 2 in deiner Überarbeitung verwendest. Würdest du zustimmen?
„Danke für das Frühstück“, ==>sagte<== sie mit einem gezwungenen Lächeln. Nie wieder würde sie ihrem Freund das Kochen überlassen.
Erst einmal: es freut mich, dass ich dir mit meinem Artikel einen Denkanstoß geben konnte 🙂
Ich würde sagen (haha!) , dass das „sagte“ in dem Fall, den du angesprochen hast, kein Filterwort ist. Mein Grund ist Recht einfach: „Sagen“ und all seine Synonyme zeigen hauptsächlich an, wer spricht und wie die Person spricht. (Man nennt sie auch Inquit-Verben und ich habe dazu auch schon einen Artikel geschrieben.)
Dabei entsteht nicht unbedingt eine Distanz zum Leser, weil diese Informationen ja irgendwie überbracht werden müssen. Außerdem werden (vor allem neutrale) Inquit-Verben wie z.B. „sagte“ meist einfach überlesen und gar nicht aktiv wahrgenommen.
Natürlich kann man die Szene trotzdem anders lösen. Ich hätte auch schreiben können:
Dann hätte ich mir das „sagte“ gespart. Trotzdem gefällt mir die ursprüngliche Version besser, weil dort das gezwungene Lächeln mit dem Sprechen verbunden ist und die beiden Dinge nicht unabhängig voneinander stehen.
Aber auch das ist persönliche Vorliebe und kann von jedem Schreiberling so gelöst werden, wie gewollt ist 🙂