[Worldbuilding] Religion – Eine kompakte Einführung

Wenn du wirklich tief in den Weltenbau einsteigen willst, dann ist die Religion deiner Welt ein guter Ansatzpunkt. Das hat mehrere Gründe. Zum Einen ist Religion etwas, das in unserer Welt fest verankert und somit zumindest als Konzept deinen Lesern bekannt ist. Zum Anderen ist es ein Thema das deine Kultur stark beeinflusst und somit der perfekte Anfang, wenn du ein neues Volk erschaffst.

Warum braucht deine Kultur eine Religion?

Gerade weil Religion so fest in unserem Weltbild verankert ist, solltest du dir überlegen, warum deine Welt überhaupt eine Religion braucht. Deine Gründe können vielfältig sein. Vielleicht soll sie den Hintergrund deiner Geschichte schmücken, oder sie ist wichtig für deinen Plot, oder du denkst einfach, dass eine Religion zum Menschsein dazugehört. Jeder dieser Gründe ist absolut ausreichend, um eine eigene Religion für deine Geschichte zu entwickeln.

Eines der – in der westlichen Welt – bekanntesten Bilder: Jesus am Kreuz.

Wie oben schon angedeutet, halte ich Religionen in all ihren Facetten für einen wichtigen Teil einer Kultur. Sie kann das tägliche Leben verändern, Menschen zusammenführen oder sie gegeneinander aufwiegeln. Und darüber hinaus ist sie ein Spiegel für die Werte deiner Kultur. Du kannst wahnsinnig viel über ein Volk lernen, wenn du dich mit ihrer Religion auseinandersetzt. Somit ist es ein hervorragendes Werkzeug für dein Worldbuilding.

Was ist „Religion“?

Um auf diese und die folgenden Fragen eine qualifizierte Antwort zu geben, müsste ich wahrscheinlich ein ganzes Buch füllen. Das Ganze auf einen Artikel, oder in diesem Fall auf ein paar Paragraphen zu beschränken, ist nicht wirklich möglich. Versuchen möchte ich es dennoch:

Religion ist eine innere Erfahrung, die Einfluss auf auf den Ausblick auf das Leben hat. Sie basiert auf dem Wissen/Glauben, dass eine höhere Entität (lese: ein Gott) auf die Menschen hinabschaut und sie beobachtet. Diese Beobachtung beinhaltet oft auch noch eine gewisse Form der Beurteilung. Dabei geht es oft darum, ob es dem Menschen nach seinem Tod gut oder schlecht gehen wird. Somit dient die Religion zusätzlich, wenn auch nicht vorgesehenerweise, als moralischer Kompass ihrer Gläubigen.

Warum entstehen Religionen?

Nachdem wir das Was geklärt haben, bleibt es nun, das Warum zu erforschen. Als eine allgemeine Regel für dein Worldbuilding solltest du dich immer um das Warum kümmern. Vor allem dann, wenn es offensichtlich scheint. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was wir alles für normal oder selbstverständlich halten, was in einer neuen Welt aber unbedingt überdacht werden müsste. Deswegen: Stelle immer die Frage nach dem Warum!
Warum entstehen also Religionen?

1. Der Versuch die Welt zu verstehen

Die Menschen versuchen seit jeher, die Welt zu verstehen. Doch eine Antwort zu finden, war in den Zeiten des Mittelalters und weit vorher nicht immer einfach und manchmal sogar unmöglich. Woher sollten sie auch wissen, dass sich der Mond auf die Gezeiten auswirkte oder wie eine Sonnenfinsternis entsteht? Aber irgendjemand oder irgendetwas muss für diese Veränderungen in der Natur verantwortlich sein. Und da liegt ein höheres Wesen, das sehr viel mehr Macht als die Menschen besitzt, nahe. Und so ein mächtiges Wesen möchte man nicht gegen sich haben. Es wird besänftigt mit Opfergaben verschiedenster Natur und schon haben wir erste Strukturen einer organisierten Religion.

Es kann tatsächlich so einfach sein. Für einen spannenden Bericht über einige sehr junge Kulte, die im Zuge des zweiten Weltkrieges entstanden sind: „Wie Religionen entstehen“ von Ernst Jordan, aus dem Lüneburger Hochschulmagazin.

2. Angst vor der Endlichkeit

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender, Grund ist die menschliche Angst vor der eigenen Endlichkeit. Menschen sind, soweit wir wissen, die einzigen Wesen auf der Welt, die ihr Leben bis in die weite Zukunft planen können. Damit wird ihnen die zeitliche Grenze ihres Lebens sehr schnell bewusst.

Doch was kommt nach dem Ende? Wäre es nicht beruhigend zu wissen, dass es jemanden gibt, der auf einen aufpasst und einen nach dem Tod in ein Paradies begleitet, in dem das Leben weitergeht? Das Konzept des Paradieses bzw. eines Totenreiches gibt es in fast allen Religionen. Es wird von ihnen oft als Anreiz benutzt, dass die Menschen den Werten der Religion folgen.

3. Zusammenhalt der Gemeinschaft

Auch wenn es eher ein Effekt der Religion ist, möchte ich es dennoch aufzählen: Eine Religion führt dazu, dass sich die Gemeinschaft zueinander verbunden fühlt. Da Menschen soziale Wesen sind, ist es also eine sehr natürliche Entwicklung, dass sie etwas suchen würden, das sie über das Überleben hinaus, verbindet. Und weil es für Menschen in Gruppen einfacher ist zu überleben, wäre es auch evolutionär einfach zu erklären, warum sich Religionen durchgesetzt haben.

Doch auch Religionen durchlaufen Wandel. Je weiter die Technologie der Menschen fortschreitet, desto mehr verschwindet z.B. die Ungewissheiten der Natur. Auf einmal ist es kein Rätsel mehr, warum es regnet oder es blitzt und donnert. Die Götter brauchen einen neuen Grund für ihre Anwesenheit und dabei bieten sich Konzepte wie Schutz und im späteren Verlauf auch Liebe für die Menschen an. Sehr anschaulich finde ich da das Modell von Alfred North Whitehead, das ihr euch in dem Bild anschauen könnt.

Ist Religion ein entscheidendes Merkmal der Menschen?

„Soweit man die Geschichte der Menschheit überblickt, kann man sagen, dass Religionen im weitesten Sinn, also auch Ahnen- und Geisterglaube, überall stark ausgeprägt sind. Und diese Universalität wird oft dafür ins Feld gezogen dafür, dass Religion nicht nur ein Kulturprodukt ist, sondern ein Merkmal des Menschen schlechthin sein könnte. Der Mensch als Homo Religiosus.“
– Rüdiger Vaas, Wissenschaftsjournalist

Allein die Tatsache, dass es im Grunde keine Kultur gibt, die nicht in irgendeiner Form Götter oder Geister verehrt, ist überaus faszinierend. Aber was, wenn Menschen nicht die einzigen intelligenten Wesen deiner Welt sind? Würden sie sich ebenfalls einer Religion zuwenden?

  1. Haben Elfen, Zwerge oder Feen denselben Blick wie Menschen auf die Natur um sie herum? Woher würde ein anderes Verständnis kommen?
  2. Könnten fantastische Wesen wie Elfen, Zwerge und Feen auf Menschen wie etwas Göttliches wirken?
  3. Aus der Sicht von Nicht-Menschen: Wie würden sich extrem lange Lebensspannen oder sogar Unsterblichkeit auf die Existenz von Religionen auswirken?
  4. Wenn es in deiner Welt Magie gibt, kann es dann überhaupt noch etwas Göttliches geben?
  5. usw.

Du siehst, je weiter man in das Thema hineindenkt, desto komplexer wird es. Doch gerade mit dieser Komplexität kannst du die Glaubwürdigkeit deiner Geschichten aufbauen.

 


Ich hoffe, du hattest Spaß bei dem Anschnitt eines vollkommen neuen Themas. Nächste Woche geht es darum, wie viele Götter du überhaupt brauchst. 🙂

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