Die Maslowsche Bedürfnispyramide und wie sie dir beim Schreiben hilft

Was treibt deinen Protagonisten an? Der Wunsch nach Sicherheit, Liebe oder das Bedürfnis sich selbst zu verwirklichen? So oder so, die Ziele deiner Figuren sind einer der wichtigsten Bestandteile ihrer Entwicklung. Die Maslowsche Bedürfnispyramide bietet einen neuen Blickwinkel, um die Prioritäten deiner Figuren besser zu verstehen.

Was ist die Maslowsche Bedürfnispyramide?

Die Grundidee der Maslowschen Bedürfnispyramide ist, dass bestimmte Bedürfnisse der Menschen Vorrang vor anderen Bedürfnissen haben. Das klingt recht einleuchtend. Zusätzlich versucht sie die Bedürfnisse nach ihrem Einfluss zu ordnen und daraus lassen sich einige Verhaltensmuster der Menschen erklären.

Die Beürfnis“pyramide“ ist in diesem Bild zwar keine Pyramide, aber diese Darstellung eignet sich für die Anwendung auf das Schreiben besser. — Bild von https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Dynamic_hierarchy_of_needs_-_Maslow.svg

Die klassische Maslowsche Bedürfnispyramide, besteht aus 5 Ebenen. In späteren Jahren wurden noch weitere Ebenen hinzugefügt, aber für diesen Artikel sollen die ersten fünf genügen.

  1. Physiologische Bedürfnisse.
    Zu der Basis der Pyramide zählen die Grundbedürfnisse der Menschen, die zum Leben notwendig sind: Luft, Nahrung, Wasser, Schutz vor den Elementen, Schlaf, usw.
  2. Sicherheits- und Stabilitätsbedürfnisse.
    Eine Ebene höher in der Pyramide geht es um Sicherheit und Stabilität sowohl körperlich als auch seelisch. Dazu zählt eine feste Wohnung und Arbeit, aber auch Familie und Gesundheit.
  3. Soziale Bedürfnisse
    In der dritten Ebene geht es um die Erfüllung der sozialen Bedürfnisse. Denke an das Gefühl von Gemeinschaft und Unterstützung, Zuneigung, Liebe und auch sexuelle Intimität.
  4. Individualbedürfnisse
    Sind mit der dritten Ebene die sozialen Bedürfnisse befriedigt, dann wendet sich der Mensch der vierten Ebene zu. Der Mensch will Vertrauen, Wertschätzung, Selbstbestätigung, Erfolg, Freiheit und Unabhängigkeit erfahren.
  5. Selbsverwirklichung
    Zu guter Letzt möchte der Mensch seine Talente ausleben, sich selbst verwirklichen und damit seinem Leben einen individuellen Sinn geben.

Das Interessante an diesem Aufbau ist, dass die Menschen diese Pyramide meist in ihren Prioritäten von unten nach oben abarbeiten. Soll heißen: Erst wenn die Grundbedürfnisse ausreichend gestillt sind, kümmern sich die Menschen um höhere Ebenen.

Zwar schließt es sich nicht aus, dass sich z.B. durch eine feste Arbeit die physiologischen Bedürfnisse und Sicherheits- und Stabilitätsbedürfnisse gleichzeitig abgedeckt werden. Trotzdem wird sich ein Mensch an der Existenzgrenze tendenziell weniger mit der Selbstverwirklichung beschäftigen als jemand, der sich um Geld keine Sorgen machen muss. Du siehst also schon gleich zu Beginn, dass das Konzept nicht perfekt ist, aber für eine grobe Einschätzung reicht es.

Die Anwendung beim Schreiben

Für das Schreiben ist der Graph von oben ein deutlich besseres Modell als die Pyramide. Die Pyramide ist in ihrer Natur sehr statisch und der Graph stellt sehr schön dar, dass mehrere Bedürfnisse nebeneinander existieren können. Damit wird sie in ihrer Anwendung dynamischer. (Deswegen heißt sie wohl auch Dynamische Hierarchie der Bedürfnisse.) Und gerade weil das Schreiben ein sehr dynamischer Prozess ist, wäre die Pyramide fehl am Platze.

Wie kannst du also den Graphen beim Schreiben anwenden?

  • Objektive Probe der Motivation.
    Denke an die Ausgangssituation deines Protagonisten. Passt seine Motivation zu seiner Lebenssituation? Wenn er Tag für Tag um Essen kämpfen muss, dann wird ihn die Rettung der Welt wenig kümmern. Da hat sein Überleben Vorrang. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass er sich wahrscheinlich nicht auf eine Heldenreise begeben wird. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, aber für eine oberflächliche Probe der Motivation deiner Figuren ist es durchaus hilfreich.
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    Ein großer Teil des Schreibens ist, immer wieder die Motivation und Ziele deiner Figuren zu prüfen.
  • Unterschiedliches Verhalten erklären.
    Wenn du deinen Protagonisten zu unterschiedlichen Zeiten im Buch mit demselben Dilemma konfrontierst, dann ist es gut möglich (und wahrscheinlich sogar erstrebenswert), dass er sich in den beiden Situationen unterschiedlich verhält. Das zeigt Charakterentwicklung. Die Pyramide kann dir helfen, selbst zu sehen, warum er sich anders entschieden hat.
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  • Figuren ausbauen.
    Der Ort auf der Pyramide bzw. dem Graphen, an dem sich die Figur befindet, kann dir viel über die Ängste und Ambitionen einer Figur verraten. Gerade wenn du in der Figurenentwicklung festhängst und dir alles ein bisschen platt vorkommt, kann es Wunder wirken, die Motivationen und Ängste der Figuren zu kennen.

Diese Denkprozesse wird dein Leser wahrscheinlich nicht zu Gesicht zu bekommen, aber wenn du dir selbst ein klareres Bild von deiner Geschichte machen kannst, dann wird dein Leser das merken.

Plotideen aus der Pyramide

Die Maslowsche Bedürfnispyramide (oder der Graph) hilft dir nicht nur während des Schreibens und bei der Überprüfung von Motivationen. Du kannst sie auch nutzen, um das Gerüst einer ganz neuen Geschichte zu bauen. Die musst du dann zwar immer noch mit Figuren und einem spannenden Plot bevölkern, aber allein das Wissen, auf welcher Ebene der Pyramide du dich befindest, kann dir sehr bei der Entwicklung helfen.

Innerhalb einer Ebene.

Eine Geschichte innerhalb einer Ebene zu entwickeln, hat ihre Herausforderungen. Wenn du innerhalb einer Ebene bleibst, dann nimmst du deiner Geschichte eine *deutliche* äußere Veränderung. Und weil Veränderungen in der Umwelt deines Protagonisten auch häufig die eigene Charakterentwicklung wiederspiegeln, wird eine befriedigende Geschichte schwierig. Ohne Entwicklung deiner Protagonisten ist deine Geschichte schnell langweilig.
Statt auf äußere Umstände musst du dich auf sehr stark auf das Innenleben deiner Figuren konzentrieren.

Von einer Ebene zur anderen.

Die Episode „Nosedive“ aus der Serie Black Mirror ist ein sehr unkonventionelles Beispiel für den Aufstieg in der Pyramide.

Geschichten, in denen Figuren von einer Ebene zu anderen wandern, sind sehr verbreitet. Hier musst du nur eine große Entscheidung treffen: Sollen deine Figuren die Pyramide hinabwandern oder aufsteigen? Das Spannende in dieser Entscheidung ist, dass man die meisten Geschichten in beide dieser Kategorien einteilen könnte. Der Unterschied besteht allein darin, worauf der Autor den Fokus legt. Ich denke hierbei an Geschichten wie „Nosedive“ aus der Serie Black Mirror (Staffel 3, Episode 1), in der die Protagonistin letztendlich – und ich formuliere hier absichtlich vage, um allzu große Spoiler zu vermeiden – die Anerkennung der Gesellschaft verliert, aber in dem Prozess merkt, dass sie diese Anerkennung auch gar nicht will.

Die Anerkennung der Gesellschaft zu verlieren, würde sie nämlich von Stufe 4 zu Stufe 3 bringen, aber weil sie daran wächst, könnte man auch argumentieren, dass sie sich selbst treu bleibt und verwirklicht, was wiederum den Aufstieg zu Stufe 5 bedeuten würde. Wie gesagt, das Modell ist nicht perfekt.

An der Spitze und an der Basis.

Eine der wichtigsten Überlegungen, was deine Geschichte angeht, ist wohl, ob der Konflikt hauptsächlich innerlich ausgetragen wird, oder ob die Spannung von äußeren Konflikten kommt. Letztendlich können beide Arten von Konflikten auf jeder Ebene der Pyramide stattfinden, aber die Spitze eignet sich eher für innere Konflikte und die Basis eher für äußere. Der Grund ist Recht einfach: Hat dein Protagonist erst einmal die Spitze der Pyramide erreicht, muss er sich wahrscheinlich nicht mehr allzu sehr darum kümmern Essen auf den Tisch zu bringen und seine Arbeit zu behalten. Damit sind viele äußere Konflikte schon aus dem Weg geräumt.

 


Hast du schon einmal von der Maslowschen Bedürfnipyramide gehört? Wirst du sie beim Schreiben ausprobieren?

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