[Worldbuilding] Deine eigene Sprache – Numerus und Genus

Nachdem wir beim letzten Mal den Kasus deiner Substantive besprochen haben, machen wir uns heute an den Numerus und Genus. Im Gegensatz zum Kasus sind Numerus und Genus nicht allzu komplex und an vielen Stellen sogar optional.
Aber beginnen wir am Anfang.

Numerus

Der Numerus ist die grammatische Kategorie, die die Anzahl des Substantives darstellt. Neben dem klassischen Singular und Plural, die es im Deutschen gibt, existieren noch andere Numeri.

  • Der Singular (Einzahl) beschreibt einzelne Exemplare des Substantives.
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  • Der Dual (Zweizahl) beschreibt – wie der Name vermuten lässt – beschreibt der Dual, dass das Substantiv zufällig zweimal vorkommt. Also Vorsicht! Für Paare gibt es einen eigenen Numerus, den:
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    Dein Numerus könnte auch markieren, ob dein Substantiv in Gruppen vorkommt.
  • Paral. Der Paral beschreibt, dass das Substantiv in Paaren vorkommt, wie etwa Hände, Füße oder Hosenbeine.
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  • Der Trial (Dreizahl) beschreibt, dass das Substantiv in Dreiergruppierungen auftritt. Er tritt aber nur in wenigen Sprachen tatsächlich als grammatische Form auf. Theoretisch ließe sich für jede bestimmte Anzahl ein eigener Numerus erstellen. Allerdings solltest du dir überlegen welche Zahlen in deiner Sprache eine so besondere Bedeutung haben, dass sie einen eigenen grammatischen Fall verdient haben. Bevor du in der Komplexität versinkst, solltest du daran denken, dass es im Deutschen auch nur den Singular und den Plural gibt und alles weitere mit Hilfswörtern (z.B. ein Paar Schuhe) gelöst wird.
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  • Der Paukal beschreibt einen kleinen Plural von nicht definierter Zahl. Er ist vergleichbar mit dem Deutschen „ein paar“ oder „wenige“. Er bietet eine simple Alternative zu zahlreichen Numeri im kleinen Zahlenbereich.
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  • Der Plural (Mehrzahl) beschreibt mehrere Exemplare des Subjektivs.

Die Zahl deiner Numerusfälle ist nach oben nicht begrenzt, aber ich rate dir dringend ihn einfach zu halten. Der Singular und Plural sollte auf jeden Fall in deiner Sprache enthalten sein. Danach hast du freie Wahl. Wirf am Besten einen Blick auf deine Basissprache und schau, welche Numerusformen dort vorkommen. Danach kannst du deine Übereinstimmungen und Abweichungen besser kontrollieren.

Ein Denkanstoß für Ausnahmen

Ein weiterer bekannter Pluraletatum: Die Ferien.

Es gibt auch Worte, die nur im Singular oder nur im Plural auftreten. Diese nennt man dann Singularetantum oder Pluraletantum.
Schöne Beispiele für Singularetantums sind Worte, die von ihrer Natur aus unzählbar sind (z.B. Obst, Schnee, Lärm, Schutz, Chaos, Vernunft, Durst), substantivierte Verben und Adjektive (z.B. das Gehen, das Unvergessliche), viele Substantive, die auf -heit oder -keit enden (z.B. Dunkelheit, Müdigkeit), Stoffnamen (Kupfer, Natrium, Öl) und Organisationen (z.B. die Post). Die Pluralform wird bei Singularetantums häufig durch Komposita erreicht: Obst und Obststücke, Kupfer und Kupferbarren.
Pluraletantums lassen sich nicht so einfach kategorisieren. Hin und wieder werden sie für geografische Bezeichnungen benutzt (z.B. die Kykladen, die Tropen, die Anden), aber ansonsten lassen sich nicht wirklich Regeln festhalten. Beispiele wären: Faxen, Leute, Pommes, Flitterwochen und diverse Fachbegriffe aus der Biologie und Medizin, wie Bivalva, Fungi und Windpocken.

Dass Worte nur in einer „Numerusform“ auftreten, kannst du auf alle Numeri anwenden, die ich oben aufgelistet habe. Diese Ausnahmen lassen deine Sprache lebendiger und realistischer erscheinen. Also streu ruhig ein paar Singulare- und Pluraletantums in deine Sprache.

Die Numerusmarkierungen

Wenn du dich für die Numerusformen entschieden hast, dann geht es daran, wie du den Numerus an deinen Wörtern darstellst. Dabei gibt es einige Möglichkeiten:

  1. Der Suffix: Aus dem Englischen und dem Deutschen ist diese Art der Numerusmarkierung wohl am vertrautesten. Ein angehängtes -s (ein Sofa, viele Sofas; street, many streets) oder andere Endungen wie -en, -er oder -e (Listen, Münder, Prgramme) machen Unterscheidung zwischen Plural und Singular eindeutig.
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  2. Der Präfix: Anstatt den Numerus am Ende des Wortes zu markieren, kann man es auch am Anfang tun. Die Schwierigkeit dabei: Ein neuer Präfix kann es schwierig machen, das Ursprungswort wiederzuerkennen. Vor allem, wenn das Ursprungswort kurz ist.
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  3. Vokalveränderungen: Ein anderer Numerus kann auch durch eine Vokalveränderung markiert werden. A woman, many women. Ein Apfel, viele Äpfel. Hier kannst du dir eigenen Regeln entwerfen, in welcher Form die einzelnen Vokale einander ersetzen.
    Ich bin ein großer Fan von Wortdopplungen als Pluralmarkierung.

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  4. Wortdopplung: Die einzige Sprache, die ich kenne, die einen Plural durch Wortdopplungen bildet, ist das Indonesische. In das Deutsche übersetzt, würde das so aussehen: Ein Kind, viele Kindkind. Diese Art der Pluralbildung ist sehr intuitiv und simpel, einen Nachteil hat sie aber. Bei langen Wörtern kann diese Art der Pluralbildung sehr umständlich werden, deswegen solltest du sie nur bei kurzen Wörtern benutzen.
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  5. Keine Veränderung: Hier entsteht die Unterscheidung durch Kontext. Ein Lehrer, viele Lehrer.
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  6. Mischung: Von den oben genannten Strategien, kannst du auch eine Mischung benutzen. Das Wort Mund (Plural: Münder) hängt einen Suffix an und verschiebt den Vokal. Wie kreativ du bei diesen Mischungen wirst, ist ganz dir überlassen.

Das wichtige bei der Numerusmarkierung ist, dass du dir eine dieser Methoden als Basis nimmst und (falls gewollt) die anderen als zusätzliche Regeln. Im Deutschen ist die Suffixmethode die Norm. Das bedeutet, wenn jemand zu dir kommt und Apfels anstatt Äpfel sagt, dann ist das zwar nicht grammatisch korrekt, aber immer noch verständlich. In so einer Form sollte auch deine Sprache funktionieren.
Außerdem passiert es auch, dass Wörter mehrere Pluralformen bekommen. Ein Atlas, viele Atlanten oder Atlasse. (Ob einem alle Pluralformen gefallen müssen sei dahingestellt.)

Das Genus

Das Genus bezeichnet das grammatische Geschlecht des Wortes. Es ist wohl das simpelste und zugleich potentiell zeitaufwändigste von Kasus, Numerus und Genus.

In den meisten Fällen wird das Genus nicht von dem tatsächlichen Geschlecht des Substantives beeinflusst. Stattdessen wird das Genus den einzelnen Wörtern recht wahllos zugeordnet und hat hauptsächlich Auswirkungen darauf, wie Artikel, Adjektive und Pronomen darum herum funktionieren.
Das Schöne am Genus: Es ist vollkommen optional.
Allerdings kann man mit dem Genus einige subtile Aussagen über die Sprache treffen: Was ist das Standard-Genus? Männlich, weiblich oder Neutrum? Kann das Genus angepasst werden, nach dem Geschlecht des Substantives? Oder ist es immer eindeutig?

Wenn deine Sprache Genera haben soll, dann wirst du viel Arbeit mit der Zuordnung haben. Deine Genera sollten unterscheidbar sein durch eine entsprechende Markierung (-us, -a, um im Lateinischen) und/oder durch entsprechende Artikel (der, die, das), die ihr Genus anzeigen. Das sollte nicht schwierig sein, aber ist auf jeden Fall zeitaufwendig.

Wie Kasus, Numerus und Genus interagieren

Wenn du dir überlegt hast, wie Kasus, Numerus und Genus in deiner Sprache funktionieren, musst du dir „nur“ noch überlegen, wie sie miteinander interagieren. Dafür rate ich dir, deine Beispielwörter zur Hilfe zu nehmen – wie du Wörter baust, lernst du hier – und ein bisschen auszuprobieren. Was hört sich am besten an?

Ein kleiner Anstoß: Wenn dein Kasus als Suffix markiert wird, dann sollten auch Numerus und Genus aus Suffix markiert werden. Eine Mischung Präfixen und Suffixen kann, wenn auch nicht verboten, zu Verwirrung führen.

Ansonsten bist du bei der Wahl der Reihenfolge und tatsächlichem Aufbau sehr frei. Ich rate dir, deinen Prozess in Deklinationstabellen festzuhalten. Dann hast du später die Möglichkeit zurückzuschauen und auf ältere Versionen zurückzugreifen. Sie könnten dir dazu dienen Ausnahmen zu basteln.

 


Beim nächsten Mal kümmern wir uns um Pronomen und wie du sie in deine Sprache einbauen kannst.

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