Langweilige Szenen – Wie du am besten mit ihnen umgehst

Es ist normal beim Überarbeiten an seinen eigenen Schreibkünsten zu zweifeln. Immerhin suchst du beim Überarbeiten aktiv nach Fehlern oder Stellen, die du verbessern könntest, und schenkst den guten Textpassagen eher wenig Aufmerksamkeit. Doch was solltest du machen, wenn sich langweilige Szenen häufen und nicht wirklich Spannung aufkommen möchte?

Ich habe eine unvollständige Liste mit Gründen und ihren Lösungen zusammengestellt.

Übrigens habe ich auch den ultimativen Tipp dafür, wie das Überarbeiten wieder Spaß macht. Das kannst du hier nachlesen.

1. Du hast die Geschichte geschrieben.

Diesen Punkt wollte ich direkt an den Anfang stellen, denn es ist der, der am Häufigsten übersehen wird. Du kennst deine Geschichte in und auswendig. Du hast sie dir ausgedacht, du weißt was als nächstes passiert und wie die Figuren reagieren werden. Da ist es kein Wunder, wenn deine Szenen an Spannung verlieren, denn ein großer Teil der Spannung ist das Nicht-Wissen.

Trotzdem: Im Idealfall sollte dein Leser auch beim zweiten und dritten Lesen noch Gefallen an deinem Buch haben. Versuche also immer, jeder Szene mehrere Quellen der Unterhaltung zu geben. Hier musst du je nach Genre und deinem eigenen Geschmack unterschiedliche Lösungen finden. Humor, gut verstecktes Foreshadowing oder lebendige Figuren sind nur einige Beispiele.

2. Dein Schreibstil

Um den Rhythmus in deinem Text zu überprüfen, musst du nicht stumpf die Wörter in jedem Satz zählen. Es ist viel einfacher, wenn du dir deine Geschichte selbst laut vorliest. Dabei werden dir auch Rechtschreib- und Grammatikfehler schneller auffallen.

Vielleicht liegt es nicht an deiner Geschichte oder deinen Figuren, dass sich deine Szenen langweilig anfühlen. Dann ist es an der Zeit über deinen Schreibstil nachzudenken. Mit Schreibstil meine ich zum Einen deine Wortwahl und Art, wie du deine Wörter aneinanderreihst, aber auch deine Gewohnheiten beim Erzählen deiner Geschichte. Wie also kann dein Schreibstil deine Szenen schwächen?

Rhythmus

Niemand hat es meiner Meinung nach besser gesagt, als Gary Provost in seinem Schreibratgeber 100 Ways to Improve Your Writing: Proven Professional Techniques for Writing With Style and Power:

“This sentence has five words. Here are five more words. Five-word sentences are fine. But several together become monotonous. Listen to what is happening. The writing is getting boring. The sound of it drones. It’s like a stuck record. The ear demands some variety.
Now listen. I vary the sentence length, and I create music. Music. The writing sings. It has a pleasant rhythm, a lilt, a harmony. I use short sentences. And I use sentences of medium length. And sometimes, when I am certain the reader is rested, I will engage him with a sentence of considerable length, a sentence that burns with energy and builds with all the impetus of a crescendo, the roll of the drums, the crash of the cymbals–sounds that say listen to this, it is important.”
Schenke deinem Rhythmus ein wenig Aufmerksamkeit und du wirst überrascht sein, wie schnell du deinen Schreibstil verbessern kannst.

Beschreibungen

Bei deinen Beschreibungen musst du den Balanceakt aus zu viel und zu wenig schaffen. Dazu kommt noch, dass die Menge an Beschreibungen – und was genug und was zu wenig ist – sehr subjektiv ist. Es ist also verständlicherweise schwierig ein gutes Mittelmaß zu finden.

Du brauchst nicht jedes Detail zu beschreiben. Wichtiger als das genaue aussehen, ist das Gefühl, das hervorgerufen werden soll.

Wenn du zu wenig beschreibst, dann gibst du deinen Lesern keine Punkte, an denen sie sich orientieren können. Sie werden ein bisschen ratlos in deiner Szene mittreiben, aber ohne Orientierungspunkt ist es schwierig, herauszufinden, was in der Szene eigentlich passieren soll. Meine Testleser sagen mir bei beinahe jeder Gelegenheit, dass ich zu wenig beschreibe und ich tue mich schwer damit, mehr zu beschreiben. Die Szenen sind in meinem Kopf sehr lebhaft und jede „Erklärung“ wäre für mich doppelt gemoppelt und damit langweilig.
Die Lösung: Streue deine Beschreibungen über die ganze Szene. Beginne mit den wichtigsten Anhaltspunkten (Tageszeit, Atmosphäre, etc.) und füge alle paar Absätze weitere Details hinzu.

Wenn du zu viel beschreibst, dann kann es sich schnell anfühlen, als würde die ganze Geschichte samt Spannung und Figuren anhalten, nur damit ein bisschen länger beschrieben werden kann. Oft liegt das gefühlte „zu viel“ gar nicht daran, dass tatsächlich zu viel beschrieben wurde, sondern es an der falschen Stelle getan wurde. Die größte Falle ist, die (meisten) Beschreibungen am Anfang der Szene in einen großen Absatz zu packen und den Rest der Szene nicht mehr zu beschreiben. Das führt lustigerweise dazu, dass die Lösung bei zu viel und zu wenig beschreiben dieselbe ist:
Verteile deine Beschreibungen über die ganze Szene, beginnend bei den wichtigsten Anhaltspunkten.

3. Der Spannungsbogen

Wenn sich deine Szenen langweilig lesen, ist der naheliegende Gedanke, dass es an deinem Spannungsbogen liegt. Denn wenn der von Anfang an falsch aufgezogen ist, kann das deine ganze Geschichte ruinieren und andersherum: Wenn du deinen Spannungsbogen richtig angesetzt hast, dann kann aus einer mittelmäßigen Geschichte ein richtiger Page-Turner werden.

Der Spannungsbogen und die Ziele deiner Figuren sollten optimalerweise miteinander verwoben sein.

Ich möchte gar nicht allzu viel darüber schreiben, wie du Spannung erzeugen kannst, weil ich dazu schon einen Artikel verfasst habe [5 Tipps, um beim Schreiben Spannung zu erzeugen], aber hier gibt es die Zusammenfassung in Kürze:

  • Ohne nachvollziehbare Figuren, kannst du nur schwer Spannung aufbauen
  • Sorge in jeder Szene für Neugier, Ungewissheit und/oder Angst
  • Zeige deutlich, was auf dem Spiel steht
  • Beantworte nicht jedes Geheimnis sofort
  • Jede Antwort sollte zu mehr Fragen führen
  • Scheue dich nicht vor Konflikten

4. Die Figuren

Zu guter Letzt können langweilige Szenen durch deine Figuren entstehen. Das heißt nicht, dass deine Figuren schlecht sind, sondern nur, dass sie sich in der entsprechenden Szene nicht optimal verhalten. Was meine ich damit?

Ziele

Mein bester und wichtigster Tipp ist: Mach sehr deutlich, was deine Figuren in jeder Szene erreichen wollen. Das hilft deinem Leser, sich in deiner Geschichte zurechtzufinden, verhindert „unnötige“ Szenen, die den Plot nicht vorantragen und hilft dir, dich in deiner eigenen Welt zurechtzufinden. Du wirst merken: Sobald deine Figuren kein Ziel haben, schaltet sich deine gesamte Geschichte in den Leerlauf.

Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Das Ziel muss nicht explizit gesagt werden, aber muss mindestens durch die Handlungen oder den bisherigen Kontext deutlich werden. Deine Leser sind nicht dumm. Sie können auch zwischen den Zeilen lesen.

Und noch ein Hinweis: Nicht jedes Ziel deiner Figuren muss ein Abenteuer sein. Das Ziel für eine Szene könnte sein, dass sich Figur A einen Kaffee holen wollte und von Figur B dabei unterbrochen wird. Kaffee zu holen ist kein Ziel, das deine Figuren lange beschäftigen wird, aber es gibt dem Leser die Möglichkeit, sich zu orientieren und Erwartungen an die Szene zu stellen, die du bestätigen oder widerlegen kannst.

Passive Figuren

Was machen deine Figuren in der Szene eigentlich? Wenn du diese Frage nicht direkt beantworten kannst, dann ist es gut möglich, dass du sie in der Szene nicht genug tun lässt. Die Lösung ist hier relativ einfach: Gib ihnen die Möglichkeit auf das Geschehene zu reagieren oder, noch besser, aktiv in die Szene einzugreifen. Dann wird deine Geschichte sofort dynamischer.

Immer noch unsicher?

Es ist einfach bei seinen eigenen Texten eine Art Betriebsblindheit zu entwickeln. Sogar mit diesen Beispielen kann es dir immer noch schwer fallen, den Grund für die Unsicherheit in deinen Szenen zu identifizieren. Aber mach dir keine Sorge, auch dafür habe ich eine Lösung: Testleser!

Ich kann gar nicht betonen, wie wichtig Testleser sind. Und du musst noch nicht einmal warten, bis deine ganze Geschichte fertig ist. Ich halte es sogar für wichtig, Schlüsselszenen schon vor der restlichen Geschichte an Testleser zu schicken, um herauszufinden, ob sie so funktionieren, wie man sich das ganze vorgestellt hat.

Und wie immer gilt: Lass dich nicht entmutigen. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, um deine Geschichte zu verbessern.

 


Wie gehst du vor, wenn du merkst, dass in deine Geschichte langweilige Szenen enthält?

Teilen mit:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert