Wie entwickelst du deine eigene „Schreibstimme“?

In the beginning the Universe was created.
This has made a lot of people very angry and been widely regarded as a bad move.
Douglas Adams, The Restaurant at the End of the World
Selbst wenn du noch nie etwas von Douglas Adams gelesen hast, sind seine Bücher – allen voran Per Anhalter durch die Galaxis – legendär. So legendär, dass du wahrscheinlich, ohne es wirklich zu wissen, mindestens ein paar Zitate daraus kennst. Seine Geschichten reichen von herrlich skurril bis erfrischend absurd, aber das, was ihn besonders macht, ist seine Schreibstimme.

Warum brauchst du eine eigene Schreibstimme?

Ich erinnere mich daran, dass ich 2005 Der Schatten des Windes von Carlos Ruiz Zafón gelesen habe. Damals war ich 11 Jahre alt und habe das Buch nicht wirklich verstanden. Trotzdem habe ich es an nur einem Tag durchgelesen, weil mich etwas daran gefesselt hat. Es waren die Beschreibungen, die Worte, die Stimme des Buches, die mich festhielten und nicht loslassen wollten. Noch heute erinnere ich mich zurück und bin fasziniert, wie stark mir die Worte im Gedächtnis geblieben sind.

 

Carlos Ruiz Zafón hat mir gezeigt, dass sogar Zerstörung poetisch sein kann.
Diese Welt wird nicht von der Atombombe zerstört werden, wie uns die Zeitungen weismachen wollen, sondern sie wird sich totlachen, wird an Banalität zugrunde gehen, weil sie aus allem einen Witz machen, einen schlechten noch dazu.
– Carlos Ruiz Zafón, Der Schatten des Windes
Ich erinnere mich kein bisschen mehr an den Plot, aber die Art wie Carlos Ruiz Zafón schreibt, wird mir ewig im Gedächtnis bleiben. Und das ist es doch letztendlich worum es geht.
Jeder kann Geschichten schreiben. Jeder kann sich an die Regeln der Spannungskurve und Figurenerstellung halten und etwas Akzeptables aufs Papier bringen. Aber eine Stimme zu schaffen, die bei deinem Leser bleibt und ihn dazu bringt nicht irgendeine Geschichte, sondern eine Geschichte *von dir* lesen zu wollen, ist unvorstellbar schwierig.

Was macht eine Schreibstimme aus?

Trotzdem ist die Schreibstimme etwas, mit dem viele Schreiberlinge ihre Probleme haben, und da schließe ich mich selbst nicht aus. Ich habe schon Stunden im Internet nach Tipps gesucht, wie ich eine eigene Stimme bekommen könnte, und bin auf Artikel gestoßen wie die von schreibenwirkt.de oder chimpify.de, denen ich mal mehr und mal weniger zustimme. Aber mir hat immer etwas gefehlt bei diesen Anleitungen.
Egal, was in den Artikeln stand, es war mir zu abstrakt. „Habe Spaß!“ oder „Mach dich von Regeln frei!“ hört sich gut an, bis es an die Umsetzung geht. Deswegen habe ich, deine Schreibstimme in drei Kategorien zu unterteilt: Wortwahl, Rhythmus und Inhalt/Ton.
  • Wortwahl.
    Ob Wortneuschöpfungen, Anglizismen, Füllwörter, Umgangssprache oder „veraltete“ Wörter. Allein deine Wortwahl beeinflusst deine Schreibstimme ungemein. Zwar ist deine Wortwahl auch beeinflusst durch dein Genre, aber wie du dich darin bewegst, ist ganz dir überlassen.

    Wenn deine Worte ihren eigenen Herzschlag bekommen, dann hast du es geschafft.
  • Rhythmus.
    Lange Sätze, kurze Sätze, Ein-Wort-„Sätze“ und die Ausmaße deiner Absätze und Kapitel. All das beeinflusst den Rhythmus deiner Stimme. Hier geht es nicht allzu sehr darum, dass sich jede Szene rhythmisch gleich anhört, sondern dass das übergreifende Gefühl für Geschwindigkeit dasselbe bleibt. Die Faustregel: Je länger die (Ab)Sätze, desto langsamer das Tempo.
  • Inhalt/Ton.
    Schreibstimmen werden erst dann richtig auffällig, wenn der Erzähler selbst Persönlichkeit zeigt. Deswegen fallen sie in Büchern, die vollkommen aus der Sicht der Protagonisten geschrieben werden, kaum auf, weil die Erzählstimme die Stimme der Protagonisten ist. Das heißt allerdings nicht, dass du keine Schreibstimme entwickeln kannst, nur weil deine Geschichte keinen „eigenen“ Erzähler hat.
    Versuche stattdessen deine Stimme über den Ton deiner Geschichte zu definieren. Düster, humorvoll oder philosphisch? Die Möglichkeiten sind fast endlos.
  • Erfahrung.
    Leider muss ich am Ende zu einem ähnlich abstrakten Tipp greifen wie die Artikel, die ich eben noch kritisiert habe. Deine Schreibstimme wird sich langsam entwickeln und ist tendenziell nicht etwas, das du gezielt üben kannst. Wenn du aber jede kleine Geschichte, die du schreibst, auf Ton, Rhythmus und Wortwahl untersuchst, dann werden dir bald Gemeinsamkeiten auffallen. Du kannst herauskristallisieren, was dir gefällt und was nicht (nicht nur in deinen, sondern auch in fremden Werken) und ausprobieren, welche Art des Schreibens sich für dich gut anfühlt.
    So wird sich nach Zeit und genug Ausprobieren, deine Stimme von ganz alleine einstellen.

Gibt es so etwas wie eine gute Schreibstimme?

Die kurze Antwort: Nein.
Die etwas längere Antwort: Die Schreibstimme ist – ebenso wie Genrepräferenzen – etwas sehr Subjektives. Was dem Einen gefällt, mag der Andere verabscheuen und dennoch lassen sich Gemeinsamkeiten in „guten“ Schreibstimmen feststellen.
Sie sind konsequent (springen nicht zwischen verschiedenen Stimmen hin und her), deutlich (wenn humorvoll, dann richtig; wenn philosphisch, dann richtig) und einzigartig. Gerade der letzte Punkt mag ein wenig schwierig zu beurteilen sein, aber so viel sei gesagt: Eine gute Schreibstimme kommt ganz und gar von ihrem Autor und ist kein Abklatsch einer fremden Stimme.
Letztendlich bleibt mir nur zu sagen: Mach dich nicht kaputt, wenn du deine eigene Stimme noch nicht gefunden hast. Schreib weiter und irgendwann wird sie ganz alleine zu dir kommen.

Wenn du mehr über die Wortwahl in deinen Geschichten lernen möchtest, dann schau doch mal nach, ob du Adjektive und Inquit-Verben effektiv einsetzt.
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2 Replies to “Wie entwickelst du deine eigene „Schreibstimme“?”

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