In meinem letzten Beitrag [Wie geht Worldbuilding und wie viel ist nötig?] hast du gelernt, wie du mit Worldbuilding anfängst und deine Ziele im Auge behältst. Theoretisch kannst du überall mit dem Weltenbau anfangen, aber ich möchte relativ strikt von außen nach innen vorgehen. Das möchte ich machen, weil ich für diese Serie keinen Plot entwickeln möchte, an dem wir uns entlang hangeln können. Dann ist diese Serie nämlich ein wenig flexibler und nicht so sehr auf bestimmte Details eingeschossen.
Also. Die Geographie deiner Welt.
Was meine ich mit Geographie?
Im Groben meine ich damit dein Setting, deine Welt, die Landschaft, in der deine Geschichte spielt und wie deine Welt aufgebaut ist. Ihre Geographie eben.
Gerade in der Fantasy ist es groß in Mode, sich Landkarten zu zeichnen und sie vorne ins Buch zu setzen. Aber leider habe ich oft das Gefühl, dass die Landkarte nichts zum Lesegefühl beiträgt und nur hinzugefügt wurde, weil es in der Fantasy schon zur Norm geworden ist. Gerade, wenn deine Figuren nicht in deiner Welt herumreisen, ist eine Landkarte zwar nett, aber sollte keine Priorität sein.
Jetzt stellt sich dir also die Frage: Solltest du deine Zeit in eine Landkarte investieren?
Fragen, die du dir stellen solltest:
- Wie groß muss deine Welt sein/ist deine Welt?
Sonnensystem, Planet, Kontinent, Land oder Stadt? Wird viel gereist oder findet alles an einem Ort statt?
. - Gibt es bestimmte Anforderungen an deine Welt?
Ist sie erdenähnlich, brauchst du hohe Gebirge, Wüsten, Ozeane etc.? Oder ist der Standort eigentlich ziemlich egal?
. - Wie groß ist dein Projekt?
Ein einzelnes Buch oder eine Serie? Je größer der Umfang desto detaillierter sollte die Welt und damit auch ihre Geographie sein.
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Wenn du deine Antworten zu diesen Fragen gefunden hast, dann hast du schon eine ungefähre Vorstellung, wie umfangreich du die Geographie deiner Welt planen musst und ob die Entwicklung einer Landkarte für dich Sinn ergibt.
[Nur, um es deutlich zu machen: Ich meine hier, ob die Entwicklung einer Landkarte als Teil deiner Planung des Buches/Weltenbaus Sinn ergibt. Der Fokus liegt hier auf der optimalen Nutzung deiner Zeit beim Weltenbau. Wenn du schon mit dem Buch fertig bist oder die Landkarte als Teil einer kreativen Pause malen möchtest, werde ich die letzte sein, die dagegen argumentiert. 🙂 ]
Wie realistisch sollte deine Geographie sein?
In diesem Punkt geht es viel um persönliche Präferenz, schließlich ist es Fantasy und ein gewisses Maß an kreativer Freiheit ist definitiv erlaubt und wahrscheinlich sogar erwünscht. Wie viel Detail du tatsächlich brauchst, solltest von den Fragen oben und deinen eigenen Vorlieben ausmachen.
Extrem realistisch
Dieser Ansatz lohnt sich nur, wenn du wirklich viel Zeit für deine Welt aufwenden willst. Und mit „wirklich viel Zeit“ meine ich Monate und vielleicht sogar Jahre. Hier gibt es 1001 Sachen zu bedenken: Planetgröße, Entfernung zur Sonne, Atmosphäre, Auswirkung des Mondes/der Monde auf die Gezeiten, Gravitation, tektonische Platten, globale Winde und und und. Für einen einfachen Fantasyroman halte ich es für zu weit gegriffen, aber wenn du an einem hyperrealistischen SciFi-Roman sitzt, lohnt sich diese Art von Weltenbau vielleicht.
Aber sei dir trotzdem bewusst: Außer es geht in deinem Plot ausdrücklich um deinen Planeten/deine Welt und wie sie aufgebaut ist, wird dein Leser wahrscheinlich wenig von diesem ausführlichen Weltenbau bemerken. Die Frage ist also, ob sich dieser Aufwand für einige wenige Halbsätze und Erwähnungen am Rande lohnt.
Realistisch
Hier findest du den Kompromiss zwischen monatelanger Recherche und dem freien Handlungsspielraum deiner Kreativität. Um deiner Fantasywelt einen „realistischen“ Beigeschmack zu geben solltest du dich für die Geographie mit drei großen Themen auseinandergesetzt haben:
- Tektonische Platten: Hier musst du noch nicht einmal die genaue Plattentektonik deiner Welt entwerfen. Es reicht, wenn du lernst, was die geographischen Merkmale sind, wenn zwei Platten aufeinandertreffen oder sich trennen. So kannst du realistisches Terrain entwerfen und trotzdem noch mit eigenen Ideen würzen.
Du nimmst im Grunde den Realismus als Grundlage und erweiterst ihn mit deiner Fantasie. Das ist sowieso eine sehr beliebte Methode des Worldbuilding: Man nimmt ein realistisches Konzept und baut es aus.hier
- Globale Winde: Stell dir vor, du hast ein riesiges Gebirge auf deiner Landkarte und möchtest wissen, auf welcher Seite eine Wüste entstehen würde, oder du möchtest herausfinden, was auf dem Meer die sinnvollsten Handelsrouten wären. Hier helfen dir globale Winde. Sie im Detail zu erklären, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber du findest rechts den Link zu einem Video, das dir das Konzept erklärt.
. - Klimazonen: Auch hier ist keine große Detailverliebtheit gefragt. Es reicht, wenn dir tropisches, subtropisches, gemäßigtes und arktisches Klima etwas sagen und du in etwa weißt, wo du sie auf deiner Welt ansiedeln musst. Das muss nicht weit über Niederschlagsmengen und durchschnittliche Temperatur hinausgehen, kann aber beliebig genau werden.
Wenn du zu jedem dieser Themen im Bezug auf deiner Welt ein, zwei Sätze sagen kannst, dann sollte es vollkommen ausreichend sein. Aber auch hier kannst du beliebg viele Details einbauen. Entwirf deine ganze Landkarte auf Basis deiner tektonischen Platten und arbeite bis auf den Grad genau deine globalen Winde und Klimazonen aus. Es ist deine Entscheidung.
Der Unterschied zwischen dieser Methode und der „extrem realistischen“ besteht im Grunde darin, dass du dich auf Dinge konzentrierst, die greifbare Auswirkungen auf deine Geschichte haben. Passendes Terrain, Klima und Wetter kann deine Geschichte sehr viel glaubwürdiger machen.
Freestyle
Der Name ist Programm. Wenn du das Sparprogramm an Recherche ausfahren willst oder sich das Setting deiner Geschichte auf eine einzige Stadt beläuft, kannst du eine Menge Zeit bei der Geographie einsparen. Trotzdem solltest du deinen gesunden Menschenverstand nicht ausschalten.
Wie sieht das Terrain um deinen Haupthandlungsort aus und was für ein Klima könntest du deswegen erwarten? Deine Antworten muss hier nicht wissenschaftlich belegbar sein, sondern es reicht, wenn sie eine interne Logik haben.
Zusammenfassung
Auch bei der Geographie deiner Fantasywelt gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Mach dir zuerst klar, was du für deine Geschichte brauchst und wie viele Details tatsächlich nötig sind. Dann kannst du dich an die Entwicklung der Geographie setzen und direkt dein Augemerk auf die Stellen richten, die du unbedingt brauchst. So sparst du Zeit und hast trotzdem die Möglichkeit, die Welt ganz auf deine persönlichen Anforderungen anzupassen und zu verändern.
Eine Landkarte sollte (außer du schreibst an einer Geschichte, in der viel gereist wird) erst einmal keine Priorität sein. Aber ich sehe natürlich, wie viel Spaß das Zeichnen einer Landkarte macht. Deswegen werden wir nächste Woche erkunden, wie man am Besten an eine Landkarte herangeht.
Sind irgendwelche Fragen offen geblieben? Habe ich irgendetwas vergessen? Schreib mir doch einen Kommentar! 🙂
Ich verschlinge deine World Building Serie regelrecht. Absolut inspirierend : )
Du hast keine Ahnung, wie sehr mich das freut 🙂
Ich schwanke je nachdem zwischen Freestyle und glaubwürdig realistisch. Früher habe ich versucht, es bis ins kleinste Detail realistisch hinzukriegen. Aber der extreme Aufwand lohnt sich meiner Meinung nach nicht. Allerdings habe ich damals dabei viel über Geografie, Astronomie etc. gelernt. Das war auch spannend.
Ich hänge noch zwischen dem „normal“ realistischen und dem extrem realistischen Ansatz. Nicht, weil das alles in mein Buch reinkommt, sondern einfach, weil man so viele spannende Sachen lernt 😀 Das hilft natürlich nicht dabei, schneller fertig zu werden, aber es macht einfach zu viel Spaß!