[Worldbuilding] Wie geht Worldbuilding und wie viel ist nötig?

Wenn du beginnst deine eigene Welt im Rahmen eines Buchprojektes zu bauen, solltest du dir eines klar machen: Worlduilding benötigt viel Zeit. Selbst wenn du dich an das absolute Minimum hältst, kannst du Wochen brauchen, um alle Informationen zusammenzutragen und auf ihre innere Logik zu überprüfen.

Von innen nach außen und von außen nach innen

Es gibt ungefähr hundert Methoden ein Buch zu planen, aber nicht alle eignen sich für einen gezielten Weltenbau. In einer optimalen Geschichte unterstützen Figuren, Sprache und auch die Welt den Plot und die Konflikte und führen so zu einer runden und in sich schlüssigen Erfahrung.
Das heißt nicht, dass alles aufeinander abgestimmt sein muss (manchmal führt das auch zu echt seltsamen Entscheidungen), aber im Allgemeinen lässt sich sagen: Wenn deine neue ausgedachte Welt nichts zum Plot beiträgt, ihn beeinflusst oder seinen Lauf verändert, dann brauchst du sie nicht. So schade das auch ist.

Aber wie baust du am besten?

1. Von innen nach außen

Du weißt, dass du ein bestimmtes Detail in deiner Geschichte haben willst. Vielleicht haben Magier eine bestimmte Augenfarbe, vielleicht halten die Menschen Bären anstatt Hunde als Haustiere oder vielleicht geht es um eine in der Kultur entwickelte Gepflogenheit, die dem Leser aber unbekannt ist.
Von diesem Detail ausgehend vergrößerst du deinen Blick auf deine Welt und fragst nach dem Warum und dem Wie. Beide diese Fragen brauchen eine Antwort (auch wenn es keine lange ist), die deine Entscheidung rechtfertigt.

Das kann so einfach sein wie:

Warum haben Magier z.B. gelbe Augen? Die Magie verändert ihre Körper und damit auch die Augenfarbe.
Wie ist es passiert? Das wurde in meiner Welt noch nicht erforscht.

So ein kleines Bärenjunges ist schon was knuffiges ^-^ Als Haustier eignet es sich leider trotzdem nicht.

Die Antwort „Ich weiß es nicht“ ist akzeptabel, solange dein Worldbuilding nur kosmetisch ist. Betrachten wir den Fall mit den Bären.

Warum halten sich Menschen Bären und nicht Hunde als Haustiere? Schwieriger zu begründen. Um ein Tier erflogreich domestizieren zu können, muss es Familienstrukturen haben, einfach zu füttern sein, dem Menschen halbwegs freundlich gesinnt sein und sich auch in Gefangenschaft leicht (und schnell) vermehren. (Für eine ausführlichere Erklärung gibt es hier den Link zu einem Video) In jedem dieser Punkte ist der Hund dem Bären überlegen.
Wie wurden Bären domestiziert? Wahrscheinlich gar nicht. Aus oben genannten Gründen. Vielleicht gezähmt, aber nicht domestiziert.

Wenn du trotzdem unbedingt Bären in deinem Buch haben möchtest, dann solltest du eine andere Möglichkeit finden, sie in deine Geschichte einzubinden.

2. Von außen nach innen

Diese Methode funktioniert genau anders herum. Du hast eine äußerliche Vorgabe und musst nachschauen, was für Konsequenzen sie hat. Vielleicht spielt deine Geschichte in der Arktis (bzw. dem entsprechenden Äquivalent deiner Welt) oder in deiner ausgedachten Religion darf man nur die Wahrheit sagen. Das Schwierige bei dieser Methode ist, dass es keine einfache Einteilung nach Frageworten gibt wie bei der ersten Methode.

Hier ist es am einfachsten, sich Kategorien zu basteln. Zuerst spielst du mit dir selbst (und allen deiner Freunde, die nicht schnell genug davonlaufen) ein kleines Assoziationsspiel. In unserem Fall: Woran denkst du, wenn ich „Leben in der Arktis“ sage?

  • Umwelt: Eis, Ozean, wenig/keine Pflanzen, Schnee(stürme), Robben, Wale, Eisbären, Füchse, Schneehasen, Rentiere, Aurora Borealis …
  • Nahrung: Angeln, Fisch, Fleisch, Wasserpflanzen(?) …
  • Siedlungen: vielleicht nomadisch („dem Essen hinterher“), Iglu, Zelte …
  • Kleidung: dick, Fell, wasserabweisend
  • Bräuche und Werte:
  • Gottheiten:
Gletscher, Meer, Eis, Kälte und wenig Pflanzen. So sieht die Arktis wohl in den Köpfen vieler aus.

Hier siehst du eine erste Runde des Assoziationsspiels. In einem nächsten Schritt würde ich schauen, welche dieser Punkte plotrelevant sind und auf dieser Basis ein wenig Recherche betreiben. Wie haben sich z.B. die Inuit früher ernährt? Finde ich da Dinge, an die ich gar nicht gedacht habe? Gibt es Vorurteile und Stereotypen, die ich umgehen sollte?

So entsteht eine zweite Liste mit neuen Details. Es wird sich schnell herauskristallisieren, was funktioniert und was nicht. Vergiss trotzdem nicht deine Entscheidungen hin und wieder auf Logik zu überprüfen. Falls du dir zum Beispiel überlegen solltest, dass dein Volk in der Arktis vegetarisch lebt, du aber keine Pflanzen zur Verfügung stellst, wird das schwierig.

Mein bester Tipp:

Entwickle Prozesse und keine losen Details

Dein Protagonist ist das Kind eines Fischers, das zwar noch nicht mit auf das Meer hinaussegeln darf, aber an Land bei allen Fisch-Angelegenheiten helfen darf und sogar muss. Du könntest ihn jetzt also auf den Markt schicken und den Fisch verkaufen lassen oder ihn die Netze flicken lassen. Daran ist nichts Verwerfliches oder Falsches, aber man kann das Leben für den Leser deutlich spannender Gestalten.
Machen wir uns aber zunächst Gedanken über den Prozess.

Der Fisch wird gefangen und landet dann auf dem Tisch der Familie, was übrig bleibt, wird verkauft. Sehr einfach.

Das ist schon ein Prozess, eine Abfolge von Dingen, die leicht verständlich und logisch sind. Hier kannst du wunderbar ansetzen und Weltenbau betreiben. Entwickle eine Routine für die Familie. Der Vater und das Kind stehen früh auf, um das Boot zu überprüfen, bevor er auf das Meer herausfährt. Sie untersuchen (wie jeden Tag) den Rumpf und du kannst beschreiben, wie das Fischerboot mit Metall verkleidet ist, das an mehreren Stellen tiefe Kratzspuren hat.
Der Vater fährt hinaus und als er zurückkommt wird diese Routine wiederholt. Es gibt neue tiefe Kratzspuren. Vielleicht sollten sie bald das Metall asubessern. Der Vater bemerkt, dass heute ein ruhiger Tag war und schickt das Kind mit dem übrig gebliebenen Fisch zum Markt.

Was kann dein Leser aus dieser kurzen Szene schließen? Das Wasser ist gefährlich, denn was auch immer sich darin befindet, kann Metall zerkratzen. Nahrung ist wertvoller als Metall, ansonsten könnte sich ein Fischer nicht leisten, sein Boot mit Metall zu verkleiden. Die Gefahr ist so allgegenwärtig, dass die Figuren abgestumpft sind.

Fessle deinen Leser, indem du Worldbuilding, Plot und Show, don’t Tell verbindest.

Leser mögen Prozesse, weil sie einfach nachzuvollziehen sind und der Autor innerhalb dieser Prozesse seine Fantasie spielen lassen kann. Es gibt wahnsinnig viel zu entdecken und zu lernen. Und alles in einem Rahmen, der thematisch abgeschlossen ist. Du verwebst deine Welt mit deinem Plot, ohne dass es zu einem gefürchteten Infodump kommt. Das ist Show, don’t Tell auf höchstem Niveau.

Verliere dein Ziel nie aus den Augen

Nur wo hörst du auf mit dem Worldbuilding? Ich bin schon sehr oft von meinem Weg abgekommen oder an meinem Ziel vorbeigeschossen. Tagelange Arbeit für einen Nebensatz oder ein einzelnes Wort. Das lohnt sich nicht.

Mache dir also von Anfang an einen Plan:

  • Was musst du bauen?
  • Wo überschneiden sich dein Plot und deine Welt?
  • Welche Informationen braucht der Leser?
  • Wie lassen sich diese Informationen in deinen Text einfügen?

Und ich meine tatsächlich einen schriftlichen Plan. Auf einem Blatt Papier oder auf dem Computer. Dann kannst du nachschauen, was du eigentlich machen wolltest, wenn du deinen gedanklichen Faden verloren hast.

So viel wie nötig, so wenig wie möglich

„So viel wie nötig, so wenig wie möglich“ ist ein Spruch, den du in meiner Worldbuilding-Reihe oft hören wirst, aber du eigentlich auf alle Aspekte des Schreibens anwenden kannst. Jedes Projekt, das einen großen Zeitaufwand hat, sollte unter diesem Aspekt in Angriff genommen werden. Es bringt nichts Tage oder sogar Wochen auf ein Detail zu verschwenden, das vielleicht sowieso aus deiner Geschichte gestrichen wird.

Also: Betreibe genau so viel Worldbuilding wie du für deine Geschichte brauchst und höre dann auf.

Wann das genau ist, lernst du mit der Zeit und viel Übung.

Zusammenfassung

  1. Rein kosmetische Entscheidungen brauchen keine Begründung.
  2. Je relevanter ein Weltenbau-Detail in deinem Plot braucht, desto mehr Informationen brauchst du drum herum.
  3. Entwickle Prozesse, keine Momentaufnahmen.
  4. Behalte dein Ziel im Auge. Notiere dir, was du genau erreichen möchtest.
  5. Höre auf, wenn dein Worldbuilding nicht mehr plotrelevant ist.
  6. Hab Spaß! 🙂

 


Ich hoffe, diese kleine Hilfestellung für Worldbuilding hat dir geholfen. Nächste Woche beginnen wir mit der Geographie deiner Welt und wie du sie am Besten entwickelst.

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8 Replies to “[Worldbuilding] Wie geht Worldbuilding und wie viel ist nötig?”

  1. Karl-Heinz Zimmer says:

    Wie immer sehr lesenswert. Vielen Dank für den nützlichen und motivierenden Beitrag, liebe Sina!

    Antworten
  2. Sarah | Pergamentfalter says:

    Hallo Sina,

    sehr lesenswerter Beitrag!

    Ich liebe ja Worldbuilding und ganz besonders das Entwickeln der zugehörigen Geografie inkl Karte. Dabei nutze ich, würde ich sagen, eine Mischung aus deinen beiden Herangehensweisen: zum einen habe ich meist Details im Kopf, die ich klären will/ muss, zum anderen fehlt häufig „das große Ganze“, das nicht immer viel mit dem Detail zu tun hat, das ich schon im Kopf habe.

    Was ich zum Thema Worldbuilding auch spannend finde, ich die Frage, wann man die Welt baut. Das Beste ist mMn, wenn Plot und Welt gemeinsam entstehen. Ich habe aber auch schon öfter gelesen, dass manche erst die Grundstrukturen ihres Plots entwickeln und dann die Welt entlang des Plots entwickeln oder umgekehrt, dass manche erst die Welt entwickeln und dann in der Welt einen Plot entstehen lassen.

    Liebe Grüße
    Sarah

    Antworten
    1. Sina Bennhardt says:

      Hallo Sarah!

      Freut mich, dass dir mein Beitrag gefallen hat! Wenn dir das mit der Geographie gut gefällt, dann habe ich in den nächsten zwei Wochen sehr spannende Beiträge für dich, denn da geht es komplett um die Geographie beim Worldbuilding und wie man am Besten an das Landkartenzeichnen herangehen sollte. Vielleicht können dir diese Artikel dann helfen das „große Ganze“ ein bisschen besser zu sehen 🙂

      Das „Wann“ beim Worldbuilding ist meiner Erfahrung nach so individuell wie das Worldbuilding selber. Obwohl ich dir zustimmen muss, dass ich es auch am sinnvollsten finde Plot und Welt nebeneinander entstehen zu lassen. Dann kann man nämlich sowohl Plot als auch Welt viel einfacher aneinander anpassen und die beiden lassen sich viel leichter miteinander verweben. Das heißt aber nicht, dass die anderen Methoden nicht funktionieren. Da muss jeder irgendwie seinen eigenen Weg entwickeln. 🙂
      Vielleicht wäre das tatsächlich ein Thema für einen späteren Beitrag 😀

      LG Sina

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  3. Venja says:

    Hallo liebe Sina
    Wow, sehr cool. Über viele deiner Punkte habe ich mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht, aber sie ergeben vollkommen Sinn. Am schwierigsten, besonders am Anfang, fand ich immer den Einbau von Ritualen anstatt des Infodumps. Aber grade diese in Nebensätzen bereit gestellten Informationen und Köder machen den Leser neugierig.
    Ich bin schon sehr gespannt auf die Geographie des Worldbuildings nächste Woche : )
    Lg Venja

    Antworten
    1. Sina Bennhardt says:

      Hey Venja!
      Freut mich, dass dir der Beitrag so gut gefallen hat 🙂 Vielleicht ein Tipp für das Einbauen von Ritualen/Prozessen am Anfang deiner Geschichte: Beginne mit einer alltäglichen Situation. So bekommt dein Leser ein Gefühl von Normalität (und erfährt auch *wie* Normalität eigentlich aussieht, das ist in der Fantasy ja nicht immer natürlich) und du kannst dich leichter auf diese Prozesse konzentrieren und damit dann auch leichter entwickeln 🙂
      Hoffentlich kann dich nächste Woche auch überzeugen!
      LG Sina

      Antworten

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