Das letzte Abendmahl – Kapitel 2

Ich mag diese neue Kurzgeschichte (hier geht es zum ersten Kapitel) wirklich sehr. Eine ganz andere Art der Spannung.

Viel Spaß beim Lesen.

Alte Freunde

Alexander und Graf Below folgten Hektor und der Gräfin in die Burg hinein und Alexander atmete tief durch. Hektor war ein Edelmann durch und durch. Wenn sie irgendeine Chance hatten einen guten Eindruck zu hinterlassen, dann war es wegen Hektor.
»Sagt«, begann der Graf und Alexander wandte ihm umgehend seine Aufmerksamkeit zu, »Ihr sagtet, Hektor ist ein Freund des Hauses. Ihr kennt Euch also schon lange?«
Alexander nickte. »Es werden wohl bald fünfzehn Jahre sein, die wir uns kennen, werter Herr Graf.«
»Gray«, korrigierte ihn der Graf mit einem gütigen Lächeln. »Doch bitte erzählt weiter, wie habt Ihr euch kennengelernt?« Seine Augen leuchteten kurz auf, Alexander konnte diesen Blick kaum deuten und als er merkte, dass er bereits zu lange geschwiegen hatte, legte er nachdenklich den Kopf schief.
»Verzeiht, wenn ich Euch nur eine vage Geschichte erzählen kann, denn ich fürchte, die genauen Umstände sind von privater Natur.«

»Dann will ich nicht bohren, vergebt meine Indiskretion.« Der Graf wandte den Blick nach vorne. Die Gräfin und Hektor waren in ein heiteres Gespräch vertieft. Doch wenn die Gräfin hinter vorgehaltener Hand kicherte, härtete sich Hektors Blick und wurde erst wieder einladend, wenn die Gräfin zu ihm aufsah.
Der Graf kniff nachdenklich die Augen zusammen. Hektor. Dieser Name.
»Ich schätze euer Ehrgefühl, doch da ihr mein Gast seid, bin ich Euch eine Antwort schuldig«, fuhr Alexander fort, der die zerstreute Stimmung des Grafen nicht bemerkte, »Ich half ihm aus einer misslichen Lage, wie es jeder gute Edelmann getan hätte und seit diesem Tag ist er nicht von meiner Seite gewichen. Er ist mein treuster Freund. Ich schulde ihm viel.«
»Treue Freunde sind selten«, sinnierte der Graf abwesend.
»Hört, hört.«
Hektor öffnete eine Tür und geleitete die Gräfin geschickt in den Raum dahinter. Es war der Speisesaal. Prunkvoll eingerichtet und verziert. Breite Säulen aus feinstem Marmor stützten die Decke, an den Wänden hingen prächtige Gemälde in goldenen Rahmen. In der Mitte stand eine gedeckte Tafel.
Hektor führte die Gräfin an den Stuhl auf der linken Seite vom Kopfende. Mit einem galanten Lächeln zog er den Stuhl zurück und wartete, bis sich die Gräfin niedergelassen hatte.
Dann hatten auch Alexander und der Graf die Tafel erreicht und Alexander bot dem Grafen den Platz zu seiner Rechten an, während er selbst am Kopfende Platz nahm. Erst nachdem sich die beiden Männer gesetzt hatten, nahm Hektor seinen Platz neben der Gräfin ein.
Die Diener trugen die köstlichsten Speisen heran und gossen edlen Wein in die Kelche. Hektor übernahm die Führung des Gespräches mit der geübten Leichtigkeit eines Redners und sie vertrieben sich den Abend mit angenehmer Plauderei.
Schließlich wurde der letzte Gang abgetragen und der Graf lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er musterte Hektor eindringlich.
»Hektor, Ihr seid den Abend nichts anderes als ein vorbildlicher Gastgeber gewesen.« Hektor legte sich dankend eine Hand auf die Brust und senkte demütig den Kopf. »Doch«, fuhr der Graf fort, »mir geht nicht aus dem Kopf, was Alexander mir im Privaten vor unserem Abendmahl anvertraute. Die Geschichte Eures Kennenlernens.«
Hektors Gesichtsausdruck war gefroren zu einem starren Lächeln. Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch und verschränkte die Finger. »Eine Geschichte, die er zweifellos falsch erzählt hat, indem er seine eigenen Heldentaten verschwiegen hat.«
»Wir müssen doch nicht …«, protestierte Alexander.
»Aber nicht doch!«, unterbrach Hektor ihn, »Wir wollen doch unseren Gästen nicht eine Antwort verwehren.« Er wandte sich mit einem Lächeln dem Grafen zu. »Vor bald fünfzehn Jahren befand ich mich in einer gar grässlichen Lage. Durch mein eigenes Verschulden und meinen Wagemut, war ich den Kerker geworfen worden. Herr Alexander von Rahden fand mich dort und zahlte die Kaution, die ich für meine Freiheit brauchte. Seit diesem Tag diente ich ihm frei und mit Freuden. Mir will es nicht gelingen seine Großherzigkeit zurückzuzahlen, er gab mir einen Titel und einen Hof. Ich stehe auf ewig in seiner Schuld.«
Die Gräfin wischte sich andächtig eine Träne aus dem Augenwinkel und ergriff Alexanders Hand. »Oh welch, selbstlose Tat!«
Alexander lächelte gequält. »Es ist nicht der Rede wert. Hektor hat mich in Rat und Tat tausendfach entlohnt.« Er faltete die Hände. »Wollen wir … uns vielleicht dem Geschäftlichen zuwenden?« Er versuchte, seiner Stimme denselben Klang zu geben, wie Hektor ihn hatte, wenn er einen Handel vorschlug, doch es wollte ihm nicht so Recht gelingen.
Der Graf nickte. »Aber natürlich. Wie wir bereits in den vorherigen Briefen angedeutet hatten, wollen die Gräfin und ich …«
»Was ist mit Euch?«, unterbrach Hektor den Grafen. Er beugte sich über den Tisch, seinen Kelch in einer Hand, auf seinen Lippen ein fast wissendes Lächeln.
»…Hektor?«, fragte Alexander unsicher.
Hektors Miene war ungebrochen. »Bitte verzeiht meine Forschheit, aber es erscheint mir angemessen, mehr über euch zu erfahren. Das Geschlecht der Belows ist noch jung, nicht wahr? Warum erzählt ihr uns nicht etwas über euch?«

 


Was steckt hinter Hektors Verhalten?

Kapitel 3 »

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