Eine Rezension (?)
Ufff. Dieses Buch hat einen neuen Rekord gebrochen. Auf Seite 12 wollte ich aufhören. Da habe ich mir gesagt „Komm, Sina, les noch bis Seite 50. Vielleicht wird es bis dahin besser.“ … und auf Seite 34 habe ich dann vollkommen aufgegeben. Also, Rekord: Am frühsten abgebrochen.
Deswegen ist das hier auch keine richtige Rezension, denn immerhin kann ich nichts über Handlung, Charaktere und generellen Inhalt sagen. Aber ich würde gerne erklären, wieso ich das Buch nicht leiden konnte.
Erstmal zum Buch: Das Buch heißt Milchschaumschläger und ist von Moritz Netenjakob, 2017 beim Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen.
Und damit bin ich auch das einzig objektive in diesem Beitrag losgeworden.
Humor ist subjektiv
Das ist auch etwas, das ich verstehe. Und Milchschaumschläger hat komplett an meinem Humor vorbeigeschossen. Und das bei einem Buch, das sich „saukomisch“ auf den Umschlag schreibt. Hmm.
Es beginnt damit, dass jeder Witz totgeschlagen wird. Mit einer einzigen Wiederholung hat man noch Glück, aber der längste „Witz“, den ich erleben durfte, zog sich über zwei Kapitel (!!!!). Dabei ging es um einen etwas penetranten russischen Straßenmusiker. Haha, er geht nicht weg und versteht schlecht Deutsch. Hahaha.
Dazu kommt, dass der Akzent ausgeschrieben wird. Nicht nur der des russischen Straßenmusikers, auch der von „Mutti“ der „urkölsche[n] Besitzerin des Kneipenrestaurants“ (S. 9). Das ist wieder ein persönlicher Geschmack, aber ausgeschriebene Akzente lenken mich sehr ab, weil ich meistens im ersten Anlauf nicht verstehe, was gesagt wird.
Eine Seite wird dem Witz „Höhö, Männer denken nur an Sex und hören nicht zu“ gewidmet. Das wurde schon einmal lustig gemacht, leider von anderen und nicht in diesem Buch.
Und wahrscheinlich mein Lieblingswitz „Alle Türken haben riesige Familien und heißen Mustafa oder Emine.“, der sich ebenfalls über eine Seite zog.
Haha?
Wenn man sich fragt, ob etwas rassistisch ist, dann ist es das wahrscheinlich.
Und als der dunkelhäutige Jugendliche mit Jammerlauten und Schild bettelnd auf den Protagonisten zukommt und sagt:
„Seit ich kein Deutsch mehr kann, hat sich mein Umsatz verdreifacht.“ (S. 31)
war ich ein bisschen sprachlos.
Ich bin generell der Meinung, dass man über alles Lachen darf. Aber trotzdem sollte man abwägen, in welchen Situationen solche Witze angebracht sind.
Und in unserem politischen Klima sind solche Witze … vielleicht nicht ganz passend?
Aber ich muss ehrlich zugeben, dass ich mir selbst nicht mehr sicher bin.
Man sucht sich ja für seine eigene Meinung gerne Bestätigung und deswegen habe ich mir andere Rezensionen zu diesem Buch durchgelesen. Meistens gab es 4 oder 5 Sterne. Kein einziger Kommentar dazu, dass die Witze vielleicht nicht immer angebracht sind.
Reagiere ich hier zu sensibel?
Sind das nur harmlose Witze?
Ist alles erlaubt im Namen der Satire?
Ich weiß es nicht.
Ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass mir diese Art von Humor nicht gefällt und werde das Buch in einem Bücherschrank aussetzen. Vielleicht findet jemand anderes Freude daran.
Habt ihr das Buch selbst gelesen? Was meint ihr?
Ich muss sagen, dass ich alles, was in Richtung Rassismus geht, auch wenn es als Witz gedacht ist einfach nur peinlich und absolut unangebracht finde. Gerade wenn solche „Witze“ in den Mainstream gelangen, wird es gefährlich, denn irgendjemanden verletzen sie immmer, grade wenn man beginnt diese Witze in Klischeesprüche umzuvormulieren, bis sich daraus gradewegs Vorurteile entwickeln.
Diese subtile Art von Alltagsrassismus wird von den meisten Menschen gar nicht wahrgenommen, wie zum Beispiel auch der Spruch: Ich habe ja gar nichts gegen XYZ, aber…. oft als total in Ordnung angesehen wird. Ich weiß, dass wenn mit Vorurteilen und Beleidigungen in Form von „einfachen“ Witzen um sich geschmissen wird, die Gesellschaft einfach lacht und sich umdreht. Schließlich betreffen diese Witze meistens auch nur Minderheiten… (als ob es das legitimieren würde)
Ich finde es super, dass du diese Form vom unbemerkten Alltagsrassismus angesprochen hast!!! Und ganz ehrlich, so eine Rezension würde ich gerne in den Amazon Reviews lesen, doch Rassisimus anzusprechen ist immer noch ein Tabuthema. Wer darüber spricht, ist gleich ein Rassist, wenn du eine Frau bist, dann kommt noch das Wort Emanze hinzu (aus was für einem Grund auch immer??) und man wird gleich als naiv und dumm dargestellt (und glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche, ich studiere Englisch und belege das Fach Literatur an der Uni).
Ich habe das Buch nicht gelesen und weiß nicht, in welchem Zusammenhang diese Witze gemacht wurde, aber du hast Recht, wenn man schon beim Lesen sich fragt, ob es sich um Rassismus handelt, dann ist dies auch meistens so.
Sorry, für den langen Kommentar. Ich bin jetzt fertig. Humor ist subjektiv, das ist wahr und auch Satire ist wichtig, aber ich glaube fest daran, dass wir das auch ohne Vorurteile, Klischees und Diskriminierung schaffen können.
Das lasse ich mal so stehen 😉
Danke für den langen Kommentar!
das Buch liegt auf meinem SuB. ich fand das Cover so nett. Und Bücher mit Cafés lese ich immer gerne. Naja, zumindest englischsprachige Bücher von Autoren wie Jenny Colgan. Jetzt bin ich verunsichert.
Hast du „Millionär“ von Tommy… dings. Jaud? gelesen? Ich weiß nicht mehr, wie die Witze da waren (rassistisch glaube ich weniger), aber auf jeden Fall waren sie unwitzig und zum Teil ging es schon in die unterste Schublade.
Ob du dieses Buch magst oder nicht, wirst du direkt nach den ersten 20 Seiten wissen. Also viel Zeit musst du darauf nicht „verschwenden“. Ich mochte das Cover auch richtig gerne, sah sehr süß aus … aber hat mich eben total enttäuscht.
Sag doch Bescheid, wenn du es mal in die Hand nimmst! Eine zweite Meinung würde mich echt interessieren. 🙂
„Millionär“ habe ich nicht gelesen. Aber nach deiner Beschreibung, wird das Buch auch nicht auf meinem SuB landen 😉
ich werde mich demnächst mal ran trauen. 😉
Hallo,
also so wie du die Witze hier zitierst ist das auch ganz und gar nicht mein Humor. Ich finde das Humor nicht immer unbedingt politisch korrekt sein muss, aber irgendwo gibt es dann doch eine Grenze.
Liebe Grüße,
Lena
Da bin ich froh, dass ich das nicht alleine so finde 🙂
Huhu!
Mit Humor in Büchern habe ich auch immer so meine Probleme. Es trifft einfach zu selten meinen persönlichen Geschmack, als das ich darüber lachen könnte. Mitunter komme ich mir dadurch äußerst humorlos vor, obwohl ich fast den ganzen Tag am lachen bin ^^
Schön, wie du deine Meinung belegt hast 🙂
Liebe Grüße!
Gabriela
Ich habe auch eher eine seltsame Art von Humor und wirklich laut lachen tue ich beim Lesen nie.
Aber manchmal schaffen es einige Bücher eben doch mich gut zu amüsieren (denke da gerade an die Känguru-Chroniken, die als Buch echt witzig aber als Hörbuch einfach nur zum totlachen sind).
Milchschaumschläger war halt total an meinem Humor vorbei!
Ohje, ich hab das Buch auch noch zu Hause liegen und jetzt bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich es überhaupt lesen möchte…
Ich bin sowieso kein Fan von Komödien und jetzt glaube ich, werde ich es einfach wie du machen: Ab in den Bücherschrank damit!
Liebste Grüße,
Jenny
Falls du unschlüssig bist: Lies die ersten 12 Seiten. Das geht schnell.
Danach wollte ich das Buch nicht mehr anfassen 😉
Meins nehme ich demnächst auf eine Fahrt nach Münster mit und setze es da aus. Dann ist es wenigstens nicht mehr in derselben Stadt wie ich 😀
Hey. Das Buch war in meinem Goodiebag von der LitBlogCon. Bislang hatte ich einfach keine Zeit, es mir genauer anzusehen. Ich werde wie du, mal in die ersten Seiten reinlesen. Und dann wird es sich wahrscheinlich auf den Weg zum nächsten Bücherschrank machen.
Viel Spaß damit, vielleicht gefällt es dir ja besser 😉
Liebe Sina,
das Buch habe ich nicht gelesen, aber nach Deinen Eindrücken muss ich das auch nicht.
Ich lebe in Dresden und arbeite mit und für internationale/n Gastwissenschaftler/n – und bin deshalb sehr sensibel, was Rassismus anbelangt. Du kannst Dir sicher vorstellen, wie „einfach“ mein Job in der aktuellen politischen Lage – und in dieser Region – ist.
Witze, wie die, die scheinbar im Buch vorkommen, sind eigentlich nie okay. Ich habe allerdings ein paar Ausnahmen erlebt: Wenn ich in einem persönlichen Gespräch mit einem Gastwissenschaftler war und wir uns über unsere verschiedenen Kulturen unterhalten haben – und uns noch dazu schon etwas besser kannten – kam es durchaus vor, dass der jeweilige Gast seine eigene Kultur durch den Kakao gezogen hat. Und ich dann meine auch. Das war für alle Seiten okay und hat eine Atmosphäre des Vertrauens geschaffen (was auch meine Arbeit vereinfacht), da der Gast sich scheinbar so wohl gefühlt hat, dass er wusste, mir gegenüber kann er auch mal Witze machen. Diese Witze waren sicher auch nicht 100%ig in Ordnung, haben aber eine BRücke der Toleranz geschaffen, so absurd das auch erscheinen mag.
Damit will ich jetzt, um Himmels Willen, rassistischen Witzen keine Absolution erteilen. Im Gegenteil – sie machen meist sehr viel kaputt. Gerade, wenn sie – wie Du es beschreibst – allgemein und platt und ohne großen Kontext in einem Buch abgedruckt sind. Da entsprechen sie dem Zündeln am offenen Benzinfass. In der 1:1-Situation mit unseren Gästen, in der wir auch immer nur über die eigene Kultur (z.B. ich über Deutsche und ihre „Vorliebe“ für Bürokratie) und nie über die anderer lachen, ist ein Kontext gegeben, der Kulturkonflikte beinahe entschärft, weil sich jeder der absurderen Auswüchse der eigenen Kultur bewusst wird. Wie gesagt – man lacht dabei nie über die anderen, sondern über sich selbst.
Ich hoffe, Du weißt was ich damit sagen möchte.
Viele Grüße
Sarah
Ich verstehe, was du damit sagen möchtest.
Bei Witzen kommt es immer auf die Intention an und wenn sie, wie du in deiner Situation beschrieben hast, als „Eisbrecher“ dienen, sind sie auch vollkommen okay. Über die eigene Kultur kann man (meiner Meinung nach) auch immer etwas mehr Witze machen, weil man generell ein besseres Verständnis dafür hat und so die Grenzen besser einschätzen kann.
Mich hat an diesem Buch eben genau das gestört. Dass es offensichtlich kein Verständnis für die andere Kulturen gab und jede „Andersheit“ zur Zielscheibe für billige Witze wurde.
Danke für deinen langen Kommentar! 🙂
LG Sina
Liebe Sina, icb kenne das Buch gar nicht. Das was Du vorgestellt hast, finde ich allerdings sehr grdnzwertig jnd hat meiner Meinjng nach nichts mit Humor zu tun. Gerade dieses verharmlosendend „war ja nur ein Witz“ führt dazu, dass jeder seinen Rassismus und Gemeinheiten verharmlosen kann. Findet bei mir hier in ziemlich Dörflicher Struktur leider oft statt. Diese Art von Geist ist nicht lustig, nicht inspirierend und stellenweise auch gefährlich. Ich jätte sicher das Buch auch abgebrochen.
Liebe Grüsse
Isabel
Noch viel seltsamer finde ich, dass in allen anderen Rezensionen, die ich davon gelesen habe, niemand diese „Witze“ kommentiert hat. :/