Ich habe diesen nachmittag einen alten USB-Stick aus meiner Schulzeit gefunden. Darauf waren (neben meiner alten Bio-Facharbeit, mit der ich euch nicht behelligen möchte) einige Geschichten aus meinem Literaturkurs aus der Oberstufe. Und zu meiner Überraschung sind die Geschichten nicht grauenvoll.
Bei dieser Geschichte haben wir ein Zitat von Franz Kafka („[…] wie Bäume im Schnee […]“) bekommen, das wir in unsere Geschichte einarbeiten sollten. Und das ist daraus geworden.
Viel Spaß beim Lesen.
Wir sind wie Bäume im Schnee…
Schnee bedeckte den Boden wie eine eisige Winterdecke. Es war still. Nur der Motor unseres VW-Busses brummte in der Kälte. Mein Vater hatte den Kopf gegen die Scheibe gelehnt und tat so als würde er schlafen. Aber seine Atemzüge waren ein bisschen zu tief und ruhig, und er selbst war etwas zu unbeweglich für einen Schlafenden.
„Warum?“, fragte ich.
Mein Vater öffnete langsam die Augen und blinzelte. Er wusste, was ich meinte und trotzdem hakte er nach. Vielleicht in der Hoffnung, dass ich diesmal etwas Anderes meinte.
„Warum was?“
„Warum ziehen wir schon wieder um? Es ist schon das dritte mal dieses Jahr, dabei ist es erst März.“ Ich wusste, dass er die Bitterkeit in meiner Stimme hören konnte. Er seufzte.
„Diesmal bleiben wir länger.“ Das hatte er letztes Mal auch schon gesagt.
„Ich fühle mich langsam nirgendwo mehr zu Hause. Jedes Mal, wenn ich mich eingelebt habe, werde ich entwurzelt.“
Mein Vater blickte aus dem Fenster. Ein kahler Wald zog an uns vorbei. Ich presste die Lippen aufeinander und schwieg. Nach einer Weile hob mein Vater die Stimme.
„Warum, fragst du? Ganz einfach. Wir sind wie Bäume im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoß sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden.“ Er machte eine Pause, dann lächelte er. „Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.“
Dann war es wieder still und ich glaube, ich verstand, was er meinte.