Der letzte Autofahrer

Stellen wir uns einmal vor, dass weit, weit, weit in der Zukunft keine Autos mehr existieren. Der Transport findet jetzt mittels Teleportation statt und ist schneller und umweltfreundlicher, als jedes andere Fortbewegungsmittel. Autos wurden abgeschafft.
Nur ein einziger Fahrer weigert sich standhaft, seinen Wagen loszuwerden und die Regierung startet eine immer persönlicher werdende Kampagne, um auch ihn vom Autofahren abzuhalten.

 

Der letzte Autofahrer

Mit einem metallenen Husten startete der Motor meines Autos, aber ich nahm es mit einem stoischen Gesichtsausdruck hin. Ich wusste, dass sie mich beobachteten. Natürlich beobachteten sie mich. Das konnte ich an den Werbeanzeigen sehen, die um mich herum aufleuchteten.

 

10/10 Werkstätten besitzen keine Ersatzteile für Ihren Wagen.

 

Mit einem Seufzen zog ich aus meiner Einfahrt. Die Straßen waren leer. Einige Pärchen liefen Händchen haltend über den Asphalt und sprangen erschrocken aus dem Weg, als sie den Motor hörten. Sie starrten mir ungläubig hinterher.
Ich war ihre Blicke gewohnt. Sie würden bestimmt allen ihren Freunden erzählen, was sie gesehen hatten. Aus dem Augenwinkel blitzte mich ein weitere Plakatwand an.

 

Rette die Umwelt. Reise per Teleporter.

 

Warum sollte ich? Mein Auto lief und an den öffentlichen Teleportern musste man eeeeewig anstehen. Außerdem beruhigte mich das sanfte Schnurren des Motors. Ich mochte den Geruch nach Leder und ich mochte die Zeit, die ich bis zur Arbeit brauchte. Es half mir zu entspannen.

 

„Es wurde heute ein neues Gesetz erlassen:
Innerstädtische Geschwindigkeit für motorisierte Fahrzeuge wurde auf 5 km/h begrenzt.“

 

So tönte es aus meinem Radio und ich drosselte meine Geschwindigkeit. Ich war fast beeindruckt. Ich hatte mein eigenes Gesetz bekommen. Mein ganz eigenes. Ich wusste, dass ich der letzte Autobesitzer in der Stadt war. Und ich genoss es! Die Straßen waren immer frei und man kam schnell voran.
Naja. Nicht mehr. Bei der 5 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung lohnte es sich fast zu Fuß zu gehen. Aber eben nur fast.
Nach einer viel zu langen Anfahrt zu meiner Arbeit und parkte ich mein Auto auf dem einzigen Parkplatz, den es noch gab. Meinen Parkplatz. Mit einem glücklichen Lächeln schloss ich den Wagen ab und drehte mich um. An der Fassade des Wolkenkratzers hing ein Preisvergleich der besten Schrotthändler in meiner Gegend.

In der Mittagspause war ich daran gewöhnt zu warten. Um mich herum blinkten Pfeile, die auf mich deuteten. „Autofahrer“ stand darauf. Und damit bekam ich viel Aufmerksamkeit. Nur eben nicht von den Kellnern.

Nach der Arbeit machte ich mich auf den langsamen Weg nach Hause. 5 km/h gaben einem viel Zeit, die umliegenden Plakatwände zu betrachten.

 

Der durchschnittliche Autofahrer hat bisher EIN fremdes Haustier getötet.
R.I.P. Urmel

 

Das mit der Katze war ein Unfall gewesen. Ich hatte mich tatsächlich sehr lange, sehr schlecht gefühlt. Aber das war mindestens fünf Jahre her! Sie hatten sogar ein Bild von dem dummen Vieh auf dem Plakat! So langsam wurde ich wütend. Ich fuhr doch nur mein Auto! Das war doch kein Verbrechen. Diese Werbeaktionen waren schon fast Rufmord! Ich sollte mir einen Anwalt suchen.

 

99% aller Anwälte sagen, dass sie lieber einen Verbrecher, als einen Autofahrer vertreten würden.

 

Natürlich sagten sie das. Ich seufzte.
Ich musste stark bleiben. Autofahren war nicht gegen das Gesetz. Ich war hier im Recht. Das war nur Schikane. Wenn ich es lange genug ignorierte, dann würden sie bestimmt aufhören. Das war wie in der Schule. Wenn man ihnen nicht zeigte, wie sehr es einen ärgerte, dann verloren sie irgendwann das Interesse.
Und was diese Werbeheinis nicht wussten: Ich hatte einen sehr langen Atem.

Als ich endlich zu Hause ankam, traute ich meinen Augen kaum. Da hing ein neues Plakat an meiner Hauswand.

 

Die süße Frau von nebenan ist Single. Und hasst Autofahrer.

 


Ich hatte echt Spaß daran, mir diese passiv-aggressiven „Werbungen“ auszudenken 😀
Welche fandest du am besten? Oder fällt dir noch eine coolere ein? Ich freue mich über jeden Kommentar <3

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6 Replies to “Der letzte Autofahrer”

  1. Guacamole says:

    Gefällt mir richtig gut! Auch, dass der letzte Autofahrer so störrisch ist. Erinnert so an den nervigen Nachbarn, den jeder hat.

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  2. Levi says:

    Ich mochte „10/10 Werkstätten besitzen keine Ersatzteile für Ihren Wagen.“ am liebsten, weil es irgendwie paradox klingt, dass es überhaupt noch Werkstätten gibt. Ich meine, was reparieren die da sonst, wenn es keine Autos mehr gibt? 😀
    Ich glaube aber, dass beim Autofahrer die letzte Werbung noch am ehesten ziehen würde. Aber wenn er so stur ist, dann bringt ihn selbst die süße Nachbarin nicht vom Autofahren ab.

    Ich würde es echt großartig finden, wenn wir irgendwann teleportieren könnten. Ich mag Autofahren nicht sonderlich gern, Wege kosten wahnsinnig viel Zeit und wenn man nebenher noch die Umwelt und sämtliche Haustiere retten kann, wäre ich dabei. ^-^

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    1. Sina Bennhardt says:

      Ich mag (selbst) Autofahren auch überhaupt nicht gerne. Wenn es Teleporter geben würde, wäre ich auch direkt dabei! So viel Zeit, die gespart werden könnte O_O und die Umwelt und Haustiere retten, wäre natürlich ein nettes Plus 😉

      Und zu den Werkstätten: Vielleicht reparieren die jetzt Rasenmäher und sowas? Habe ehrlich gesagt gar nicht drüber nachgedacht, dass es Werkstätten ja ohne Autos gar nicht mehr geben würde 😀 😀

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  3. Katharina says:

    Sehr unterhaltsame Geschichte! Beunruhiged, dass es sich teilweise ja wirklich so verhält mit „intelligenter Werbung“ und so. Ein paar weniger Autos würde auf jeden Fall allen Beteiligten gut tun; die Straßen sind teilweise viel zu voll!

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    1. Sina Bennhardt says:

      Absolut, ich bin auch kein großer Fan von Autos!
      Und das dann kombiniert mit „persönlicher“ Werbung, da konnte ich richtig schön passiv aggressiv werden ;D

      Mit „persönlicher“ Werbung habe ich übrigens eine kleine Horrorgeschichte. Ich hatte mir vor einiger Zeit (als der Literaturpreis 2017) verkündet wurde, vorgenommen mir ein Buch von Kazuo Ishiguro zu kaufen, nämlich Der begrabene Riese. Und ich habe das nicht im Internet gesucht, habe nur auf Twitter auf einen Artikel geklickt, wo der Literaturnobelpreis verkündet wurde.
      Monate später also, habe ich mir das Buch endlich gekauft (bar bezahlt, ohne PayBack oder sowas), kam nach Hause, schaue in meine E-Mails und Amazon hat mir so ne Werbemail geschickt. In dem Header stand: „Leute, denen Der begrabene Riese gefallen hat, kauften auch …“ O_O

      Da habe ich den Computer wieder ausgemacht und mal mein Leben überdacht 😀 Das war mir echt ein bisschen gruselig.

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